1914-06-19-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 5. L. 15,
”Grækenland-Tyrkiet: Politiske Forhold”. Pakke 1, Juni 1914-31/12 1945

Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 06/19/1914
Telegramm-Ankunft: 06/24/1914
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 26
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Eric Scavenius)

Bericht



Nr. 26

Konstantinopel 19. Juni 1914

Vertraulich.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland.

Ges. Nr. 10 vom 8. Juni 1914

Die in dem oben zitierten Bericht genannten Vorkommnisse, die das hiesige ökumenische Patriarchat dazu veranlassten, alle orthodoxen Kirchen und Schulen in der Türkei schließen zu lassen, haben ein derart gespanntes Verhältnis zwischen den Regierungen in Athen und Konstantinopel geschaffen, dass man fürchtet, ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei stehe kurz bevor.

Der hiesige griechische Gesandte [Dimitrios Panas] soll am 12. der Pforte eine Note überreicht haben, in der die griechische Regierung fordert, dass die griechischen Flüchtlinge, die sich an den Küsten von Kleinasien befinden, in ihre Dörfer zurückkehren werden, dass ihnen ihr Eigentum zurückgegeben und ihnen ihre Verluste ersetzt werden sollen, und sie fügt hinzu, dass sie alle Verantwortung für die Folgen der fortgesetzten Übergriffe, die an der griechischen Bevölkerung im türkischen Reich verübt werden, ablehne.

Die Antwort der türkischen Regierung auf diese Note wurde heute überreicht, und obwohl der Inhalt geheimgehalten wird und der Presse verboten wurde, ihn zu erwähnen, verlautet es, dass er in einem recht abweisenden Ton gehalten ist.

Die türkische Regierung soll in ihrer Antwort behaupten, dass ihr das Wohl der in der Türkei lebenden griechischen Bevölkerung ernsthaft am Herzen liege, und dass sie entschlossen sei, diese mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln energisch gegen Übergriffe zu beschützen, dass sie aber gleichzeitig mit aller Bestimmtheit erklären müsse, nicht hinzunehmen, dass sich die griechische Regierung auf diese Weise in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmische.

Wenn diese Antwort nicht einen allzu ungünstigen Eindruck in Athen hinterlässt, gibt es vielleicht noch Hoffnung, dass der Frieden bewahrt werden kann, aber es muss auch gesagt werden, dass nach allgemeiner Auffassung die Situation als sehr ernst betrachtet wird.

Der hiesige österreichische Botschafter [Markgraf Pallavicini], mit dem ich heute sprach, erklärte ausdrücklich, dass er einen Krieg fast für unvermeidlich halte, da es für Griechenland darum gehe, die Inselfrage zu lösen, solange es noch die Übermacht zur See hat, und das Spiel wäre für die Griechen mit dem Tag verloren, an dem die Türkei in den Besitz der vor Kurzem gekauften Dreadnoughts käme.

Die übereifrige Sorge der griechischen Regierung um das Wohl der griechischen Bevölkerung in Kleinasien sei offenbar nur ein Vorwand, zumal es offensichtlich sei, dass es um diese Bevölkerung ab dem Tag des Kriegsausbruchs noch schlechter stehen werde als jemals zuvor.

Wie die Feindseligkeiten aussehen würden, wenn der Krieg ausbräche, ist schwer zu sagen. Da die Türkei und Griechenland keine gemeinsame Grenze haben, könnten die Heere nur aufeinanderprallen, wenn Bulgarien nicht neutral bleibt, und mit dieser Möglichkeit scheint man derzeit nicht zu rechnen.

Der österreichische Botschafter meinte, man könne davon ausgehen, dass Bulgarien, das Rumänien hinter sich hat, neutral bleiben werde, aber er fügte hinzu, dass man ja nie wissen könne, was geschieht, wenn den Leidenschaften und dem Ehrgeiz erst freier Lauf gelassen werde.

Was eine griechische Landung anbelangt, so halten mehrere hiesige ranghohe deutsche Stabsoffiziere, mit denen ich häufig spreche, diese nicht für möglich, sodass sich die Feindseligkeiten wohl am Anfang auf einige griechische Flottendemonstrationen beschränken werden.

Die türkische Flotte soll, nach dem was mir [der dänische Reporter] Herr Franz von Jessen mitteilt, der sich hier als Korrespondent für „Le Temps“ aufhält, nicht kampftauglich sein.

Herr von Jessen versichert, er habe sich davon überzeugt, dass die zwei Panzerschiffe, die die Türkei vor dem letzten Krieg von Deutschland gekauft hat, teilweise entwaffnet sind, und dass er aus sicherer Quelle weiß, dass der Kreuzer „Hamidje“ in Smyrna liegt um seine Kessel reparieren zu lassen.


C.E. Wandel.



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