1915-01-12-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20175
Zentraljournal: 1915-A-01461
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 01/13/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. A 667 III
Zustand: A
Letzte Änderung: 10/22/2017


Der Chef des Admiralstabs der Marine (Pohl) an den Staatssekretär des auswärtigen Amts (Jagow)

Schreiben



A 667 III..

Berlin, den 12. Januar 1915.

Ganz Geheim!

Anliegend beehre ich mich, Euerer Exzellenz Abschrift eines Berichts des Marine-Attachés bei der Kaiserlichen Botschaft in Wien über die Möglichkeit der Transporte nach der Türkei zur gefälligen Kenntnisnahme zu übersenden.


In Vertretung
Behnke
Anlage

Abschrift zu A 667 III/15.

Marine-Attaché B. Nr. 1


Wien, den 8. Januar 1915.
Ganz geheim!

Die Möglichkeit der Transporte nach der Türkei.


Bei der Wichtigkeit, die Türkei von Deutschland aus mit Kriegsmaterial zu versorgen, bei der Sicherheit, daß die Türkei eben einfach eines Tages gezwungen ist, ihre Kriegführung einzustellen, wenn sie nicht von Deutschland aus unterstützt wird, bei dem ungeheuren Schaden, den das deutsche Ansehen in diesem Falle nicht nur beim Islam, sondern in der ganzen Welt erleiden würde, abgesehen davon, daß die Russen große Heeresmassen freibekämen, die sie dann gegen Westen verwenden können, muß jeder Weg und jedes Mittel versucht werden, und wird versucht, unter den gegebenen Verhältnissen der Türkei Material zuzuführen. Anfangs war der Weg über Rumänien gangbar. Auch jetzt wird er immer und immer wieder versucht. Doch werden die Aussichten immer geringer. Auch wenn es gelingt, diesen Weg durch Verwendung einer rumänischen Transportgesellschaft zu ebnen, so ist bei dem Rieseneinfluß der Russen in Rumänien doch anzunehmen, daß seine Gangbarkeit nur von kurzer Dauer sein wird. Was die Verwendung des Wasserwegs aus der Adria nach der Türkei betrifft, so hat sie wohl kaum mehr als 10 % Aussicht auf Erfolg. Trotzdem wird auch sie eingehend geprüft und eventuell versucht werden. Der Weg über die Donau ist versucht worden, aber bereits an der serbischen Artillerie oberhalb des Eisernen Tores gescheitert. Unterhalb des Eisernen Tores ist außerdem die Fahrrinne durch eine Balkensperre, durch versenkte mit Steinen angefüllte Fahrzeuge und durch eine dreifache Minenreihe gesperrt, wie durch Augenzeugen einwandfrei festgestellt ist.

Nach dem Umfall der Österreicher in Serbien scheint es mir auch höchst fraglich, wie lange und ob überhaupt wir uns noch auf die ungehinderte Durchfuhr der türkischen Transporte durch Bulgarien mit Sicherheit verlassen können. Nachdem also die Aussichten, diese Transporte nach der Türkei durchzubekommen, unter den gegebenen Verhältnissen immer mehr schwindet, bleibt bei der ungeheuren Wichtigkeit der Sache nichts anderes für das sichere Erreichen des Zieles übrig, als diese Verhältnisse zu ändern.

Dieses ändern der Verhältnisse ist nur möglich, dadurch daß man den Entenkopf im Nordosten von Serbien, den Negotiner Kreis in Besitzt nimmt. Dadurch wird die Fahrt auf der Donau von Orsova aus frei. Dadurch ist aber auch Serbien von jeder Verbindung mit Rußland abgeschnitten und ungefähr dem langsamen Absterben preisgegeben. Darzutun, welchen Einfluß diese Handlung auf Bulgarien und Rumänien haben würde, ist nicht meine Sache, ist aber wohl ohne weiteres klar.

Der Versuch, die Österreicher zu bewegen, daß sie in dieser Sache mit der nötigen Schnelligkeit etwas unternehmen, hat wenig Aussicht auf Erfolg, es geht nur wertvolle, vielleicht entscheidende Zeit damit verloren. Das einzige, was man vielleicht erreichen kann, ist, daß sie einige schwere Geschütze zur Verfügung stellen. Denn schwere Artillerie wird nötig sein um die Bergforts an der Donau zu bekämpfen, Flieger werden nötig sein, um die Stellung dieser Forts zu erkunden.

Wollen wir die Türkei nicht fallen lassen, sie dem gänzlichen Ruin preisgeben und all die schlimmen Folgen auf uns nehmen, so bleibt nichts anderes übrig, als die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Wo der Hebel am zweckmäßigsten eingesetzt wird, ob bei Semendria und die Morawa aufwärts, oder weiter östlich, entzieht sich meiner Beurteilung. Für den Zweck des Transports genügt es, wenn der Zipfel etwa von der Trajans Tafel bis zur Timokmündung (bulgarische Grenze) in unsern Händen ist.

Um alles zusammenzufassen: es steht zur Entscheidung, ob wir auf die Mitwirkung der Türkei in diesem Kriege verzichten und damit diese selbst fallen lassen wollen, oder beschleunigt Kräfte zu dem angegebenen Zweck hersenden.

Noch ist es Zeit. Handeln wir aber nicht mit größtmöglicher Schnelligkeit, so dürfte das gleichbedeutend sein, neben all den andern weitgewichtigeren Folgen, mit dem Verlust unserer beiden Schiffe „Göben“ und „Breslau“, mit dem Verlust unserer Militär- und Marine-Missionen.

Ein hoher Gewinn steht auf dem Spiel, ein Riesenverlust ist abzuwenden, können wir den nötigen verhältnismäßig geringen Einsatz flüssig machen?

Eile tut not!


[Frhr. v. Freyberg
Korvettenkapitän.]



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