1915-04-30-DE-007
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Quelle: DE/PA-AA/R 19979
Zentraljournal: 1915-A-14948
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 05/01/1915 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Leiter der Zentralstelle für Auslandsdienst (Jäckh) an das Auswärtige Amt (Zimmermann)

Bericht


Berlin, den 30. April 1915

Euer Exzellenz, hochverehrter Herr Unterstaatsekretär!

Anbei wiederum ein Bericht meines Freundes Humann aus Konstantinopel, der mir diesmal als „sehr vertraulich“ bezeichnet wird.

In aufrichtiger Verehrung Ihr getreuer


Jäckh.
Anlage

Sehr vertraulich!

Besprechung mit Enver Pascha am 11. April 1915.

1.) …

2.) …

3.) Enver Pascha ist sehr betrübt über die Mitteilungen, die ihm Goltz-Pascha über sein Gespräch S.M. - Plessen gemacht hat. Ihr Eindruck war umso stärker, als gerade kurz vorher Djavid Bey, im Anschluss an seinen Bericht über die Zusammenkunft in Lausanne, ganz ähnliche Eindrücke aus Deutschland gemeldet hatte: Verständnis für die deutsch-türkische Politik hätten nur die massgebenden (d.h. die veranlassenden, verantwortlichen!) Stellen des Auswärtigen Amts, im Publikum jedoch und besonders in Militärkreisen sei man der Ansicht, dass sich Deutschland mit dem türkischen Bundesgenossen einen Klotz ans Bein gebunden habe und nun ausser Österreich auch noch die Türkei durchholen müsse. Er habe damals seine ganze Überredungskunst aufbieten müssen, um dem Komitee klar zu machen, dass dies tendenziöse Irreführungen seien, oder wenigstens Folgeerscheinungen der Unterredung in Lausanne und besonders der bekannten Starrköpfigkeit Djavids, der sich nun einmal auf die Triple-Entente eingestellt habe. Es sei ihm nicht leicht geworden, seine Kollegen zu überzeugen, denn die Angebote der Vertreter Frankreichs seien nicht schäbig: Garantie des jetzigen Besitzstandes der Türkei durch alle Mächte der Triple-Entente, wofür die Türkei nur die Meerengen für die Handelsschiffahrt (ausdrücklich: nicht für Kriegsschiffe) zu öffnen habe.

Die Mitteilungen Goltz-Paschas seien für ihn geradezu niederschmetternd gewesen, denn der General von Plessen sei einer der intimsten und einflussreichsten Berater des Kaisers, ausserdem in der ganzen Armee hoch angesehen.

Für ihn sei dieser Vorwurf sehr bitter, denn abgesehen davon, dass er die Verantwortung für diese Politik in diesem Krieg fast allein auf sich genommen, habe er doch seinem Land ungeheure Opfer auferlegt und keine Mittel gescheut, um seinem Bundesgenossen eine wirkliche Hilfe zu sein. Er habe, wo er gekonnt, mit vollen Händen gegeben und selbst das Losschlagen der Türkei nicht dem eigenen Ermessen, sondern dem des führenden Bundesgenossen unterstellt.

Dem grossen Österreich habe er sogar Haubitzbatterien und Gebirgsbatterien abgelassen, die vor dem Krieg in Deutschland bestellt und bezahlt, aber hier noch nicht abgeliefert waren. 1223000 Mann habe die Türkei trotz aller Kriege der letzten Epochen unter die Fahnen gesammelt und durch eine Neuorganisation ist es ihm gelungen, noch 60 Bataillone Gendarmerie neu aufzustellen und in der Front zu verwenden. Man hat ferner, um eine schlagfertige Front zu schaffen, eine umständliche und kostspielige Umorganisation der Bewaffnung vorgenommen, indem die vorhandenen 720000 kleinkalibrigen Gewehre an die eigentliche Gefechtstruppe verteilt wurden, während die älteren Gewehre an die Kolonnen, Bagagen, Garnisonbesatzungen pp. gingen.

Der Kriegsschauplatz im Kaukasus, der in erster Linie die deutsche Ostarmee entlasten sollte, muß von hier aus in einer Entfernung von 1500 Kilometern alimentiert werden! Als der Mangel an Beförderungsmitteln und die schlechten Wege die Zufuhr der Kaukasusarmee in Frage stellten, hat er 50000 Träger in den Dienst dieser Aufgabe gestellt! Keiner von den hier befindlichen deutschen Offizieren wird behaupten können, dass er auch nur annähernd diese Leistung der türkischen Mobilisation erwartet habe. Aber auch nur wenige von uns werden wissen, welche ungeheuren Opfer er damit dem Lande auferlegt hat.

Dass viele törichte Kritiken über die Leistungen der Türkei hier von deutschen Offizieren gefällt werden, sei ihm bekannt. Trotzdem dies nicht schön sei, nimmt er es nicht tragisch; das sind Wirkungen aus der Unmittelbarkeit des Eindrucks im Kriege und begreiflich bei einzelnen aus einem reichen und verwöhnten Volk, wie das deutsche. - Wenn der Kaukasus z.B. keine schönen Quartiere und keine angenehmen Lebensverhältnisse biete, so sei das nicht seine Schuld, aber ein Verdienst der Türkei, dass sie sich nicht scheut, auch dort einen für das gemeinsame Ziel der Verbündeten nützlichen Krieg zu führen.

Enver betonte zum Schluss, dass diese ganzen Ausführungen für ihn sozusagen nur einen Affektionswert haben, etwas durchaus persönliches sind. Sachlich ändere sich für ihn trotz des Ärgers nichts an der ganzen Sachlage. Solange er die Macht in den Händen habe, würde die Türkei treu zu ihrem Bundesgenossen stehen und nach wie vor alles aufbieten, um dem gemeinsamen Kriegsziel zu dienen. Große Dinge könne man seiner Ansicht nach im Leben nur erreichen durch eine entschiedene Stellungnahme. Das sei auch sein Hauptargument gewesen bei den Erörterungen im Kabinett über die Lausanner Vorschläge. Es sei ein alter Weisheitsspruch, dass Untreue nur kurzen und vorübergehenden Erfolg bringt, auf die Dauer aber immer Schicksalsvergeltung und Nachteil.

4.) …



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