1915-06-07-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1,
”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 1, til 31 dec. 1916

Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 06/07/1915
Telegramm-Ankunft: 06/21/1915
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 49
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 49

Konstantinopel, 7. Juni 1915.

Herr Außenminister,

ich habe die Ehre als Anlage die 1. Ausgabe einer neuen In Französisch erscheinenden türkischen Tageszeitung „Hilal“ (Der Halbmond) zu übersenden. [Diese Anlage ist dem Dokument nicht beigefügt].

Nachdem die hiesige Tageszeitung „Le Jeune Turc“, die zunächst das Sprachrohr für das jungtürkische Komitee gewesen, aber nach mehreren Veränderungen nach und nach von den Zionisten übernommen wurde, vor ca 1½ Monaten von der türkischen Regierung verboten wurde, weil die Zeitungsredaktion sich weigerte, einen vom Pressebüro zugesandten Artikel, der die zionistische Bewegung kritisierte, aufzunehmen, gab es an einigermaßen bedeutenden Zeitungen in „europäischen“ Sprachen hier in Konstantinopel nur noch „La Turquie“ - ein italienisches Organ, das jederzeit gestoppt werden kann - und den „Osmanischer Lloyd“ - das Organ der deutschen Kolonie. Für die Jungtürken war es deshalb von Bedeutung, sich ein wirklich jungtürkisches Organ in französischer Sprache zuzulegen, und diesen Auftrag soll der „Hilal“ erfüllen.

„Hilal“ steht in enger Verbindung zur halbamtlichen „Tanin“, von dem es den größten Teil ihres Lesestoffs bezieht. Deren Redakteur Agaoglon Ahmed Bey, früherer Redakteur der chauvinistischen "Terdjuman i Hakitat", ist ein ca. 50 Jahre alter Mann mit beachtlicher Intelligenz, ein großer Patriot, und, nachdem was man erzählt, ein ziemlicher Abenteurer. Er ist tartarischer Herkunft, und sein ursprünglicher Name ist Ahmed Agaieff, ein Name, den er später türkisiert hat. Er nahm seinerzeit teil an der Organisation der Armeniermassaker, die dem russisch-japanischen Krieg vorausgingen.

Seine Assistenten werden Munir Niguiar Bey sein, verheiratet mit einer Französin, Sohn der bekannten türkischen Dichterin Niguiar Hanum, der früher Theaterkritiken u.ä. in „Stamboul“ (dem bei Kriegsausbruch eingestellten französischen Organ) geschrieben hat, sich jedoch niemals mit Politik abgegeben hat, und ein Franzose, Coupette, der das Blatt sprachlich überwachen soll. Der letztgenannte Journalist, der vor ca. 2½ Jahren in die Türkei gekommen ist, ist ein eifriger Sozialist und nennt sich „Bürger“ Coupette. Abgesehen von diesen drei Journalisten wird „Hilal“ den gleichen Inhalte haben wie „Tanin“.

Es ist interessant zu sehen, dass „Hilal“, ein halbamtliches Organ auf Französisch, in dessen erstem Leitartikel die Notwendigkeit eines nationalen türkischen Organs sehr stark betont wurde, gerade in dem Moment erscheint, in dem auf Befehl der Regierung und im Einvernehmen mit der herrschenden chauvinistischen Stimmung die französische Sprache von allen Geschäftsschildern und Schaufenstern verschwindet.

Die ersten Ausgaben des „Hilal“ scheinen kein großes Interesse hervorgerufen zu haben. Die Presse ist natürlich im Augenblick so auf den Krieg fixiert, und hier vor allem auf die deutschen Berichte über den Verlauf des Krieges, dass ein eigenständiger Charakter fast ausgeschlossen ist. Man kann eigentlich auch nicht wirklich einen Unterschied sehen zwischen dem Großteil des Stoffes im „Hilal“ und in einer Zeitung wie dem deutschen „Osmanischer Lloyd“.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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