1915-07-17-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R14086
Zentraljournal: 1915-A-23232
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 08/06/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: K No 79/B No. 1553
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



K No 79 / B No. 1553
Aleppo, den 17. Juli 1915

Euer Exzellenz beehre ich mich einige mir zugegangene Nachrichten vorzulegen, welche ein Bild davon geben, in welcher unmenschlichen Weise die von der türkischen Regierung gegen die Armenier beschlossenen Massregeln durchgeführt werden.

1) In Djerabulus wurde eine Leiche angetrieben. Als man den dortigen Militärkaimakam fragte, warum er sie nicht wenigstens begraben lasse, da doch der Kuran das Begräbnis vorschreibe, antwortete er, er könne nicht feststellen, ob es ein Muslim oder Christ sei. (Der Leiche waren die Geschlechtsteile abgeschnitten). Nur einen Muslim würde er begraben lassen.

Auch sonst wird berichtet, dass gestorbenen Armeniern auf den Dörfern das Begräbnis verweigert worden ist.

Ein Zug Armenier der am 14. d.M. in Aleppo eintraf, nachdem er von Hadjin vier Wochen in mühseligstem Marsch in der glühenden Hitze unterwegs gewesen war, führte 12 Leichen mit sich.

2) Im Wilayet Diarbekr wurden einem Kaimakam mündlich Befehle über das Verfahren gegen die Armenier überbracht. Er weigerte sich, sie auszuführen, wenn sie ihm nicht schriftlich wiederholt würden. Daraufhin wurde er abgesetzt und auf dem Wege nach Diarbekr ermordet. Diese Nachricht hatte ich zunächst nur von einheimischen Christen und hatte sie deshalb zurückgestellt. Jetzt ist sie mir von sehr glaubwürdiger muhammedanischer Seite bestätigt worden. Nicht einer, sondern mehrere Beamte sollen getötet worden sein, weil sie nicht erbarmungslos gegen alle Armenier ihres Bezirkes vorgingen.

3) Manche Frauen, die durch Aleppo transportiert wurden, haben hier ihre kleinen Kinder unter Decken versteckt und zurückgelassen, um sie nicht in den wahrscheinlichen Tod oder das sichere Elend mitzunehmen.

4) Zahlreiche Frauen haben unterwegs entbunden und viel gelitten, auch unter roher Behandlung der Begleitmannschaft. Neugeborene und andere kleine Kinder sind unterwegs zurückgelassen worden, wie von allen Seiten gemeldet wird. Ein vornehmer Muhammedaner hat in der Wüste östlich Tell Abiad zwei ausgesetzte Kinder an sich genommen und dadurch gerettet, obwohl er sich wahrscheinlich Unannehmlichkeiten dadurch aussetzt.

5) Bei einem Trupp Armenier, der durch Der ez Zor gezogen ist, sind die Pocken ausgebrochen. Die Kranken haben unter den glühenden Sonnenstrahlen schrecklich gelitten. Es wurde nichts für sie getan.

Ein anderer Trupp der die Bagdadbahn östlich des Euphrat passiert hat, leidet stark unter Dysenterie. Dort ist von einem Beamten der Bauabteilung ein Bahnarzt zu ihrer Hülfe entsandt worden, während die Regierung sich nicht um sie kümmerte. Unter den Flüchtlingen in Aleppo ist der Typhus ausgebrochen.

Es wird immer deutlicher, dass die Befehle über härteste und unbarmherzigste Ausführung der von der Regierung beschlossenen Verschickung auf Fakhri Pascha zurückzuführen sind und von ihm ausgehen.

Im Uebrigen verlautet auch, dass unter der Bevölkerung des nördlichen Mesopotamien und im Wilayet Diarbekr Druckschriften verteilt worden sind, welche gegen die Armenier hetzen. Es scheint, dass sogar der Versuch gemacht wird, diese Verteilung als von deutscher Seite ausgehend hinzustellen, ein Versuch, der dadurch erleichtert wird, weil sonst von deutscher Seite Druckschriften verteilt worden sind.

Gleichen Bericht lasse ich der Kaiserlichen Botschaft zugehen.


Rößler



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