1915-09-09-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon-97/Bl. 24-25
Botschaftsjournal: 10-12/1915/7882
Erste Internetveröffentlichung: 2010 April
Edition: Deportationsbestimmungen
Zustand: B
Letzte Änderung: 03/23/2012


Franz Apell-Dörr an das Auswärtige Amt

Privatschreiben



Abschrift des Auswärtigen Amts Nr. III c 16017
Lausanne, den 9. September 1915

Meine Tochter Helene Marie Anna (genannt Janni) Apell lernte seinerzeit hier den stud. med. Roupen Tschilinguirian aus Silivri bei Constantinopel kennen und, nachdem er den Doktorgrad erlangt hatte, verheiratete sich das Paar im Juli 1910.

Im Mai 1914 siedelte es nach Constantinopel über wo es meinem Schwiegersohn in kurzer Zeit gelang sich eine nette Praxis zu erwerben.

Als der Weltkrieg ausbrach und die Türkei mobilisierte trat mein Schwiegersohn in das K. Ottom. Sanitätscorps als Arzt ein.

Leider gestalteten sich die Verhältnisse im Laufe des Feldzuges in Armeniern so ernst, daß man auch gegen die in der europäischen Türkei wohnenden Armenier, welchem Volksstamm mein Schwiegersohn angehört, Mißtrauen hegte und gegen sie einschritt wie hinlänglich bekannt ist. Mein Schwiegersohn hatte vorher verschiedentlich öffentliche Vorträge über sanitäre Einrichtungen, Hygiene etc. gehalten und ist auch in armenischen Kreisen als lyrischer Dichter bekannt. Von politischen Umtrieben hat er sich ferngehalten und das ist wohl auch der Grund, daß man ihn nicht gefangen setzte, ihn aber ins Exil nach Kengari sandte, trotzdem, wie mir mitgeteilt wurde, keinerlei Beschuldigung gegen ihn erhoben worden war; ebensowenig hat bei ihm eine Hausdurchsuchung stattgefunden.

Da meine Tochter nun mit ihren 2 Kindern allein war, bat sie meine Frau telegraphisch doch zu ihr zu kommen, was diese auch sofort tat. Die Frauen haben alsdann in Constantinopel bei dem K. Generalkonsulat bezw. der K. Botschaft um Hilfe und Schutz gebeten, die ihnen auch, soviel ich aus den spärlichen brieflichen Nachrichten ersehen kann, in gewissem Grade zuteil wurden.

Heute aber erhielt ich durch freundliche Vermittelung des hiesigen K. Consulates eine Nachricht von meiner Frau, daß auch die Familien der Exilierten wohl nach Anatolien oder sonstwohin abgeschoben werden würden, wodurch auch meine Frau als Reichsdeutsche mit bedroht sein dürfte, da sie meine Tochter nicht allein ihrem Schicksal überlassen wird.

Man hatte, wie mir im Juli meine Frau mitteilte, von türkischer Seite zugestanden, meinen Schwiegersohn zu entlassen, wenn er für die Dauer des Krieges nach Deutschland ginge und für sein Bleiben daselbst Garantie geboten würde. Welcher Art diese Garantie sein soll, habe ich bisher leider nicht in Erfahrung bringen können. Herr Prof. Dr. Israel, an den ich mich u.A. wandte, ist gern bereit für seinen Berufsgenossen etwas zu tun, doch ist zweifelhaft, ob er etwas erreicht. Ich habe dann mit einigen deutschen Hospitälern Verhandlungen angeknüpft um meinen Schwiegersohn als Volontair unterzubringen, da er wohl nicht in die deutsche Armee übernommen werden kann bin aber noch ohne bestimmte Antwort. Auch der K. Gesandte in Bern, Exzellenz von Romberg hat mir wie der hiesige K. Konsul H. Filsinger, mit dem ich befreundet bin, seine Unterstützung zu gunsten der Meinigen nicht versagt und heute wage ich die untertänigste Bitte auszusprechen das K. Auswärtige Amt möge die Güte haben, wenn angängig in Constantinopel dahin zu wirken, daß den fünf Bedrohten kein Unheil widerfährt und meinem Schwiegersohn die Ausreise mit den Seinigen nach Deutschland gestattet wird.

Ich bin Kombattant von 1870/71, war Offizier im Beurlaubtenstandes und diene auch gegenwärtig noch dem Vaterlande, wenn auch ohne Waffe.

Für gütige Hilfe, die dringend not tut, wäre ich außerordentlich dankbar.


[Franz Apell]


[Anmerkung Auswärtiges Amt 15.9.]

Der Kaiserlichen Botschaft in Konstantinopel mit der Bitte um weitere Veranlassung und Bericht.

Der Reichskanzler.
Im Auftrage
Schmidt-Dargitz


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