1916-10-04-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R14093
Zentraljournal: 1916-A-27493
Botschaftsjournal: 10-12/1916/II 7596
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 10/10/1916 p.m.
Zustand: B
Letzte Änderung: 04/22/2012


Der Geschäftsträger der Botschaft Konstantinopel (Radowitz) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht




Therapia, den 4. Oktober 1916

1 Anlage.

Abschrift

Die in Abschrift beigefügte, vom Kaiserlichen Konsul in Aleppo hierher mitgeteilte statistische Aufzeichnung der Schwester Beatrice Rohner vom Deutschen Hilfsbunde für Christliches Liebeswerk im Orient über die ihr überwiesenen 720 armenischen Waisen verdient in mehrfacher Beziehung Beachtung: Sie gibt den ersten einigermassen sicheren Anhalt, um die Zahl der bei der Aussiedlung umgekommenen Armenier wenigstens prozentual annähernd zu schätzen. Die 720 Pfleglinge der Schwester Rohner sind die Ueberreste von 3336 Personen; wenn man nun die Gesamtzahl der türkischen Armenier auf 2 ½ Millionen und die Zahl der Verschickten auf 2 Millionen veranschlagt und dasselbe Verhältnis zwischen Ueberlebenden und Umgekommenen wie bei den Waisen der Schwester Rohner annimmt, so gelangt man zu einer Zahl von über 1 ½ Millionen von Umgekommenen und rund 425000 Ueberlebenden. Die bisherigen Schätzungen der Umgekommenen bewegten sich zwischen 800000 und 1000000 [im handschriftlichen Originaltext: 1,100,000] und scheinen nach vorstehendem nicht übertrieben.

Ein anderer Punkt, der hervorgehoben werden muss, betrifft die erschreckend grosse Zahl der Mütter, die einen gewaltsamen Tod gefunden haben (379), während nur 321 Väter als unnatürlichen Todes verstorben aufgeführt werden; endlich bestätigt die vorliegende Statistik die auch sonst berichtete Tatsache, dass gegen die ausdrücklichen Weisungen der Zentralregierung die Familien von Männern deportiert worden sind, die zum Militärdienst eingezogen waren; die Statistik führt nicht weniger als 246 solcher Fälle auf.


Radowitz

Anlage 1


Kais. Deutsch. Konsulat.

K.Nr. 89/Nr. 2605.


Aleppo, den 15. September 1916.

1 Anlage

Euer Exzellenz beehre ich mich eine von der Schwester Beatrice Rohner für den Monat August aufgestellte Statistik über die ihr infolge der Armenierverschickung unterstellten 720 Waisenkinder zur geneigten Kenntnisnahme anliegend zu überreichen.


[Rössler]

Anlage 2


Bericht über 720 in unserem Waisenhaus befindliche Kinder im August 1916.

Heimat Zahl
Vilajet Siwas 142
Vilajet Erserum 50
Vilajet Aleppo 189
Vilajet Adana 162
Vilajet Angora 21
Vilajet Kharput 34
Vilajet Konia 11
Vilajet Brussa 22
Vilajet Diarbekr 50
Vilajet Konstantinopel 3
Mesereh 9
Adiaman 3
Smyrna 1
Ismid 2
aus Ägypten 1
Heimat unbekannt 40
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720

Väter der Kinder

getötet 152
den Entbehrungen u. Strapazen auf dem Wege erlegen 85
im Adanamassaker umgekommen 32
zum Militaer eingezogen 107
in der Verbannung 52
im Gefängnis 11
noch lebend 80
in Amerika 10
vor der Ausweisung gestorben 129
verschollen 62
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720

Mütter der Kinder

In der Verbannung gestorben 282
noch in der Verbannung 91
z. Islam übergetreten 4
lebend 97
vor der Ausweisung gestorben 53
Kinder, die keine Auskunft über ihre
Mutter geben konnten 193
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720


Konfession der Kinder

Gregorianisch 554
Protestanten 106
Katholiken 2
Sabbatisten 1
Konfession nicht zu ermitteln 39
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720

Durchschnittsalter der Kinder: 9 17/36 Jahr

Kinder, die früher in Waisenhäusern waren: 40
Zahl der Väter, die eines unnatürlichen Todes starben 321
Zahl der Väter, die eines natürlichen Todes starben 129
Zahl der Väter, deren Leben gefährdet ist 170
Zahl der Väter, die durch den Kriegsdienst von den Kindern entfernt sind 107
Zahl der Väter, die infolge der Ausweisung den Kindern verloren gingen 394
Zahl der Mütter, die eines unnatürlichen Todes starben 379
Zahl der Mütter, die eines natürlichen Todes starben 53
Zahl der Mütter, deren Leben gefährdet ist 91
Zahl der Mütter, die durch die Deportationen den Kindern verloren gingen 474
Mütter, die deportiert wurden während der Mann im Heere diente 246
Angehörige der Kinder, die während der Deportation umkamen 2616
Angehörige der Kinder, die während der Deportation umkamen
(im Durchschnitt) 3 3/5
Kinder von 1 - 6 Jahren, die keine Auskunft geben konnten 126
Vollwaisen 258
von der ganzen Familie nur zu zweit übriggeblieben 144
von der ganzen Familie nur allein übriggeblieben 239


[Notiz Botschaft]

Die Ziffern sind sehr interessant. Am karakteristischsten ist wohl die Rubrik: "Mütter, welche deportiert wurden, während der Mann im Heere diente"!



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