1916-10-31-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Udenrigsministeriet, Akter 1909 ff., 3. G.
53, b-akt, Wandel, Carl Ellis 1912-26.

Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 10/31/1916
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 44
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 44.

Konstantinopel, 31. Oktober 1916.

Herr Außenminister,

Die Reise von Wien hierher ging gut. Die Schienenwege sind, so weit ich sehen konnte, in keinem schlechteren Zustand als zuvor, und die Züge kommen innerhalb von ca. 48 Stunden durch.

In Konstantinopel scheint es ebenfalls keine großen Veränderungen gegeben haben, seitdem ich zuletzt hier war, nur die Teuerung ist spürbarer geworden.

Als Folge der Blockade sind die Preise von fast allen Lebensmitteln extrem gestiegen, und es scheint, dass die meisten Regierungen sich gezwungen sahen, die Gehälter ihrer hiesigen Missionschefs deutlich anzuheben.

Der spanische Gesandte hat 540 Pfund jährlich als persönliche Teuerungszulage bekommen, und eine ähnlich hohe Zulage wurde den spanischen Gesandten in Belgien, Griechenland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Russland, der Schweiz, Schweden, Deutschland und Österreich-Ungarn zugestanden.

Die Gehaltszulagen, die ca. 25 Prozent der Bezüge ausmachen, werden rückwirkend zum 1. Januar 1916 an berechnet.

In der holländischen Gesandtschaft ist zu erfahren, dass die hiesige deutsche Botschaft nach Berlin berichtet habe, dass der schwedische Gesandte, Anckarsvärd, als deutschfeindlich gilt, da man fürchtete, dass er als Folge des Todes des Grafen Taube [Arvid Frederik Taube war schwedischer Gesandter in Berlin]eventuell für eine Nachfolge in Betracht komme.

Bei einem Empfang gestern bei der Pforte benutzte der deutsche Chargé d’Affaires, v. Radowitz [Wilhelm von Radowitz] die Gelegenheit, die sich zufälligerweise bot, um noch vor dem spanischen und dem schwedischen Gesandten empfangen zu werden, worüber sich Anckarsvärd sehr entrüstete; er wollte sogleich beim Unterstaatssekretär protestieren, und da dieser nicht anwesend war, forderte er die anwesenden Kollegen auf, zusammen mit ihm das Ministerium zu verlassen und eine Visitenkarte für den Außenminister zu hinterlassen.

Da die Kollegen den Zwischenfall mehr philosophisch betrachteten, beruhigte er sich wieder und wartete, bis er an der Reihe war.

Der griechische Gesandte [Dimitrios Panas] erzählt, dass, als die Zentralmächte vor kurzem eine griechische Kriegserklärung erwarteten, der Doyen des diplomatischen Korps, der österreichische Botschafter Pallavicini, zu ihm kam und ihn eindringlich aufforderte, seiner Regierung zu telegraphieren, es sei unverantwortlich, der Entente beizutreten, wo 4½ Millionen Griechen in der Türkei leben.

Der Botschafter war sich sicher, sagte er, dass, wenn Griechenland Bulgarien den Krieg erklären sollte, es den Griechen in der Türkei noch schlechter ergehen werde als bislang den Armeniern. Niemand könnte in diesem Falle die Regierung daran hindern, fürchterliche Repressalien zu ergreifen.

Auf dieses Ansuchen, so der Gesandte, habe er geantwortet, dass er dies nicht glaube; „es gibt keine türkische Regierung“, sagte er, und Deutschland und Österreich würden, so vermutete er, unter keinen Umständen den Jungtürken erlauben, die Griechen zu massakrieren.

Keiner der neutralen Missionschefs hier hat Lust, griechische Interessen zu vertreten, wenn die diplomatischen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei abgebrochen werden. Der amerikanische Botschafter [Abram Elkus] bemüht sich, diese Aufgabe dem spanischen Gesandten zuzuschanzen und umgekehrt.

Im Gegensatz zu dem bulgarischen Gesandten in Wien, der mir - wenngleich sehr vage - erzählte, dass der türkische Außenminister, Halil Bey, in Berlin erfolgreich war, sagt der hiesige spanische Gesandte [Julian del Arroyo], dass Halil Bey unverrichteter Dinge zurückgekehrt sei, und dass die türkisch-deutschen Verträge nicht unterschrieben worden seien. Er habe Grund zu glauben, dass die türkische Regierung sehr unzufrieden mit der Haltung der deutschen Regierung in dieser Angelegenheit sei. Jedenfalls blieb Halil Bey auf der Durchreise von Berlin nach hier tatsächlich nur 48 Stunden in Wien, obwohl es die ganze Zeit geheißen hatte, er würde sich nach Abschluss der Verhandlungen in Berlin eine Zeitlang in Wien aufhalten um dort ähnliche Verträge zu unterzeichnen. Halil Bey hat sowohl in Berlin als auch in Wien viele Ehrenbezeugungen, aber nicht die gewünschten Zugeständnisse erhalten, meint mein spanischer Kollege.

Anderntags forderte die Cholera ein Opfer im Haus für rumänische Angelegenheiten der spanischen Gesandtschaft, was zur Folge hatte, dass der diensthabende spanische Legationssekretär mit seiner Familie und seinem Personal 6 Tage unter Quarantäne stand.

Ihr ergebener


C.E. Wandel



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