1917-02-18-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1, ”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 2, fra Jan. 1917 – 1. Jan. 1919
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 02/18/1917
Telegramm-Ankunft: 03/02/1917
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 38
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Aussenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 38

Konstantinopel den 18. Februar 1917.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

bei einem Abendessen, das der amerikanische Botschafter [Abram I. Elkus] neulich zu Ehren des neuen Großwesirs, Seine Hoheit Talaat Pacha, gab, sagte uns Seine Exzellenz der Justizminister Halil Bey, dass die bevorstehende türkische Rechtsreform seine Zeit völlig in Beschlag nimmt - es geht, wie bereits berichtet, um die Kodifizierung und Verweltlichung des Schariarechts - und als einer meiner Kollegen Seine Exzellenz über den Tisch hinweg fragte, ob er nicht fürchte, dass eine solche Reform starken Widerstand auf Seiten der Geistlichen und der Opposition hervorrufen werde, und [sagte], dass der jetzige Zeitpunkt nicht günstig für eine solch radikale Veränderung der fundamentalen Elemente des Reiches sei, antwortete er, man müsse die Gelegenheit jetzt beim Schopfe greifen, wo es im Parlament keine Opposition gebe. Mein Kollege führte an, dass es eine ernste Angelegenheit sei, auf diese Weise an den Grundfesten des Islamismus zu rütteln, was schnell religiöse und fanatische Bevölkerungsschichten aufwiegeln könne, und nachdem er eine Weile bei den mit dem Vorhaben verbundenen Nachteilen verharrte, bemerkte er, dass er andrerseits sehr gut verstehen könne, dass die geplanten Reformen eine Bedingung sine qua non für die Erfüllung der neuen Verträge mit Deutschland käme und vor allem für das künftige Zusammenleben mit dem Okzident auf der Grundlage von Gleichheit und Gegenseitigkeit.

Diese letzte Bemerkung wurde nicht gerade gut aufgenommen, und der Justizminister beeilte sich zu versichern, dass sich die Regierung keinem Druck von Deutschland beugen würde (die Türkei empfängt keine Befehle), und er wiederholte, dass der Beweggrund der Regierung besonders der war, dass sie den Zeitpunkt als günstig ansah.

Andere führende jungtürkische Politiker haben mir übrigens auch vor kurzem gesagt, dass es gerade jetzt unter dem Kriegs- und Belagerungszustand der richtige Augenblick sei, den noch immer angewandten Teil des Schariarechts – der vom Koran und der Sunna abgeleiteten Rechtslehre - so weit wie möglich in Übereinstimmung mit europäischem Recht zu bringen.

Doch soll, wie ich es verstanden habe, dieses Mal nicht wie im Jahre 1857 der Code Napoléon sondern eher das Bürgerliche Gesetzbuch als Vorbild für die neue türkische Kodifizierung dienen.

Die etwas vagen Aussagen Seiner Hoheit des Großwesirs in der kürzlichen Programmrede der Regierung von dem unpassenden Augenblick für durchgreifende langfristige Reformen gelten deshalb vermutlich nicht der Rechtsreform.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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