1917-04-10-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139 N. 1, ”Armenien”
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 04/10/1917
Telegramm-Ankunft: 05/03/1917
Übersetzung: Michael Willadsen
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Aussenminister (Erik Scavenius)

Bericht



[Nummernangabe fehlt]

Konstantinopel, den 17. April 1917.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

Ich hatte heute Besuch eines deutschen Stabsarztes, der sich bis vor kurzem in Armenien aufgehalten hat, und der mir Briefe mitbrachte von den dänischen Missionaren in Harput und Mezereh, wo die übriggebliebenen Christen scheinbar unter verzweifelten Bedingungen leben.

Ca. 5000 Frauen und Kinder, die übrig geblieben sind, sind in diese Städte geflüchtet und haben nichts zum Leben. Türken und Kurden entführten sie zuerst aus ihren Dörfern und jagten sie später weg, weil sie sie nicht ernähren konnten, und nun gehen sie in Not und Elend zugrunde. .

Die amerikanischen, dänischen und deutschen Missionare tun was sie können um diesen armen Menschen ein Dach über dem Kopf zu beschaffen, aber selbst in den elendigsten Hütten ohne Türen und Fenster, wo sie nun zusammengepfercht sind, werden sie nicht in Ruhe gelassen. Wenn die Behörden Brennmaterial für die Soldaten brauchen, jagen sie die Frauen und Kinder auf die Straße und reißen die Häuser ein, um sie zu Feuerholz zu zerhacken.

Die obdachlosen Menschen fast ohne Kleider und mit bloßen Füßen haben oft kein anderes Heim als die eisbedeckten Straßen und Wege.

Ruhr, Pocken, Lungenentzündung, Typhus, kalter Brand und viele andere Krankheiten suchen die Bevölkerung heim, die so ausgehungert ist, daß sie keine Widerstandskraft mehr hat.

Die Felder liegen brach ohne Saat. Von Frucht- und Weingärten ist fast nichts mehr übrig, und die Soldaten graben die Wurzeln aus.

Das Vieh wurde getötet, weil es kein Futter gab, und die Türken erklären, dass, wenn sie das Land evakuieren müssen, sie die Städte niederbrennen werden, bevor sie vor den Russen fliehen.

In diesem Fall wird höchstwahrscheinlich auch der letzte Christ getötet werden.

Unter diesen Verhältnissen ist zu befürchten, dass auch ein Abbruch [der diplomatischen Beziehungen] oder ein Krieg zwischen Amerika und der Türkei schicksalsschwere Folgen haben wird für den noch türkischen Teil von Armenien.

Es sind die Amerikaner, die das Geld beschaffen, ohne das es unmöglich ist, den dortigen Christen Hilfe zu bringen, und wenn der amerikanische Konsul und die amerikanischen Missionare das Land verlassen müssen, werden die verbliebenen Armenier vermutlich an Hunger sterben, wenn sie nicht ein noch schlimmeres Schicksal ereilt.

Es blutet einem das Herz beim Gedanken daran, wie es den jungen Mädchen und Kindern ergehen wird, die bisher von den Amerikanern beschützt wurden.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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