1918-04-29-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. N. 1, ”Armenien”.
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 04/29/1918
Telegramm-Ankunft: 05/21/1918
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 38
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/02/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 38

Konstantinopel, den 29 April 1918.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

Der türkische Außenminister versicherte am 27. dieses Monats dem spanischen Gesandten [Julian del Arroyo], der aus Madrid den Auftrag bekommen hatte, bei der Pforte zu Gunsten der Christen einzutreten, dass die Bevölkerung in den von den Türken zurückeroberten Vilajets schonend behandelt wird ohne Rücksicht darauf, welcher [Religion] sie angehören.

Nach Erhalt einer neuen Weisung seiner Regierung trat der Gesandte einige Tage später wiederum beharrlich für die Armenier ein, und der Außenminister wiederholte seine Versicherungen, wobei er jedoch anmerkte, dass die türkische Regierung wisse, dass die in Europa lebenden Armenier versuchten, die Weltmeinung gegen die Türken aufzubringen, womit sie ihren Landsleuten in der Türkei mehr schaden als nutzen würden.

Es sei natürlich, sagt der Außenminister, dass die türkische Bevölkerung empört ist über das Verhalten der Armenier, und er verurteilte ausschweifend die Art, wie sie seiner Meinung nach, ohne Rücksicht auf ihre osmanische Nationalität zu den Russen übergegangen waren, als diese den türkischen Teil von Armenien besetzten, und die Grausamkeit, mit der sie die türkische Bevölkerung behandelt hatten, als sie die Herren im Lande waren.

Der Außenminister erzählte dem Gesandten, dass der hiesige Vertreter des Papstes, Monseigneur [Angelo Maria] Dolci, ihn am Vortage ebenfalls in selbiger Angelegenheit besucht habe, und er sagte mehrmals, dass die türkische Regierung alle Christen ungeachtet ihrer Nationalität und Religion gut behandeln würde, und dass sie beabsichtigt, deren zerstörte Häuser wieder aufzubauen.

Die fremden Regierungen werden dann die Gelegenheit bekommen, fügte er hinzu, unser Verhalten mit dem unserer Feinde zu vergleichen um zu entscheiden, wer am humansten handelt.

Die türkische Regierung habe, so teilte der Außenminister mit, Journalisten in den Kaukasus geschickt, damit sie sehen und in ihren Zeitungen bezeugen können, was in jenen Gegenden geschehen ist, und der Justizminister, Halil Bey, sei nach Batum gereist um die Wiederherstellung der Ordnung zu überwachen und dafür zu sorgen, dass der freie Wille der Bevölkerung bei der bevorstehenden allgemeinen Abstimmung zum Ausdruck kommt.

Ich weiß nicht, was in den Zeitungen über das Vorgehen der Türken im Kaukasus und in Armenien steht, welches, wie ich vermute, hier Anlass für die diplomatischen Schritte des spanischen Königs und des Papstes gewesen ist, aber der gegenseitige Hass der Armenier und Türken ist offenbar so stark, dass sie jede Gelegenheit ergreifen um sich an einander zu rächen, und dass dies andauern wird, solange die Deutschen sich nicht ernsthaft zwischen sie stellen und sie dazu bringen, mehr Menschlichkeit zu zeigen, worauf zurzeit leider kaum Aussicht besteht.

Wie bereits berichtet haben die Deutschen, so weit ich sehen kann, seit Kriegsbeginn den Jungtürken in der Armenienfrage freie Hand gelassen, und der deutsche Botschafter, Graf Bernstorff, ist bei diesem Thema sehr vorsichtig.

Er sagt, die ganze Welt gebe seinem Amtsvorgänger, Baron von Wangenheim, die Schuld an dem was geschehen ist, und glaube, er habe nichts dafür getan, um das Morden zu verhindern, und er klagt, dass er nun derjenige sei, der jetzt dafür herhalten müsse, aber er sagt nicht, was er getan hat oder tun will, und es gibt, soweit mir bekannt ist, keinen Beweis dafür, dass Baron von Wangenheim nicht geschwiegen hat, als er der Menschheit damit einen Dienst hätte erweisen können, dass er kein Blatt mehr vor dem Mund genommen hätte.

Ich selbst muss mich bezüglich der Armenierfrage auf das berufen, was man mir und meinen Kollegen auf der Pforte offiziell sagte, und was ich bereits berichtet habe, aber ich möchte nicht versäumen hinzuzufügen, dass nach allgemeiner Ansicht hier in Konstantinopel die christliche Bevölkerung in der Türkei und besonders die Armenier einer traurigen Zukunft entgegensehen, und dass für sie keine besseren Zeiten anbrechen werden, bevor der Krieg aufhört und die Mächte imstande sind, energischer zu intervenieren, als sie es bisher getan haben.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


[Wandel]



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