1918-06-16-DE-001
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1918-06-16-DE-001
Quelle: DE/PA-AA/R14103
Zentraljournal: 1918-A-30343
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Kaukasus Kampagne
Praesentatsdatum: 07/17/1918 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Die Bevollmächtigten der armenischen Regierung in Berlin an das Auswärtige Amt

Schreiben




Berlin, den 16. Juli 1918

Wir haben die Ehre, in der Anlage Auszüge aus Briefen und Nachrichten aus der Heimat einzusenden, die als Belege für unsere Mitteilungen über die kritische Lage in Kaukasisch-Armenien dienen mögen.

Die Bevollmächtigten der armenischen Regierung.
Dr. H. Ohandjanian. A. Suraboff

Anlage

Berlin, den 15. Juli 1918.
Neueste Nachrichten aus Kaukasisch-Armenien.

Auszüge aus dem Brief des Präsidenten des Nationalrates Herrn Aharonian

vom 11. Juni (n.S.) aus Tiflis.


... Es hat den Anschein, dass Deutschland bezüglich Georgien ernste und entschiedene Engagements hat, die es in edler Weise und mutvoll verwirklicht, während unsere Sache in der Schwebe bleibt. Durch das türkische Eindringen flieht unser Volk zu Hunderttausenden, alles im Stiche lassend. Der Bezirk Achalkalak ist schon ganz entvölkert; die Stadt ist niedergebrannt und liegt in Trümmern. 80000 Einwohner sind geflüchtet und haben sich in den Schluchten von Bakuriani eingeschlossen. Aus ganz Surmalu, aus allen besetzten Gebieten von Alexandropol und Kars, aus Etschmaidsin und den sonstigen Gegenden, bis wo die Türken vorgedrungen sind, flieht die Bevölkerung in grosser Eile und geht zu Zehntausenden zugrunde. Diese Tatsache, dass die Türken aus Stadt und Bezirk Alexandropol die ganze armenische Jugend gesammelt und ins Innere der Türkei verschleppt haben, verbreitet Schrecken, und kein Flüchtling will in die von den Türken besetzten Gebiete zurückgehen. Das armenische Volk geht in den "Krallen" der Flucht zugrunde, wie es in Türkisch-Armenien zugrunde gegangen ist. Deutschland, das in Türkisch-Armenien dieses furchtbare Verbrechen gegen die Armenier dulden musste, weil sein Arm nicht hinreichte, wird es dulden, dass nun auch hier im Kaukasus das armenische Volk durch Hunger und Flucht ausgetilgt wird, da Deutschlands Arm hinreicht und Wunder tun kann, wenn es will. Das müssen Sie unseren deutschen Freunden verständlich machen.

Der deutsche Vertreter Graf von Schulenburg verhält sich uns gegenüber wohlwollend; doch hat er die erforderlichen Anweisungen aus Berlin noch nicht erhalten, zu unseren Gunsten ebenso zu wirken, wie er zu Gunsten Georgiens tätig ist.

In der Tat beherrschen die Türken heute ganz Aserbeidschan bis Ciskaukasien. Sie beherrschen selbst die armenischen Gebiete, die nach dem letzten (Friedens)Vertrag nicht unter die türkische Herrschaft fallen. Die türkischen Truppen halten besetzt: Lori, Kasach, Bortschalu. Aus Eriwan haben wir keine Nachrichten. Wir sind abgeschnitten. Die Eisenbahn und der Telegraph sind ausser Betrieb. Es ist eine unerträgliche Lage. Wir konnten selbst die Nachricht von dem Friedensschluss dem General Nazarbekoff nicht mitteilen. Wir sind auch von Baku abgeschnitten. Wir versuchen, eine Regierung unserer ... Republik zu bilden; aber es besteht keine Möglichkeit, einer Reise nach Eriwan. Unser Volk ist herrenlos, unsere Flucht unendlich, die Sterblichkeit riesengross. Wir müssen entschieden und sofort wissen: Will Deutschland uns in der Tat beschützen oder nicht.


Auszüge aus der in Tiflis erscheinenden armenischen Zeitung "Horizon"

vom 11. Juni (No. 112).

25 Offiziere getötet.


Der Festungsoffizier von Kars, Karapetian, welcher am 4. Juni aus türkischer Gefangenschaft geflohen ist, berichtet folgende erschütternde Geschichte:

"Wir waren 28 Offiziere: 12 russische, 6 georgische und 10 armenische. Wir gerieten in der Station Allahwerdi in türkische Gefangenschaft. Man brachte uns nach AschaghaMaral, wobei man uns unterwegs die Schuhe auszog. Dann kam ein türkischer Offizier und sagte: Folgt mir zu unserem Pascha, welcher sich in der Nähe in dem Büro von Mantascheff befindet und Euch verhören will."

Als man uns aus dem Eisenbahnwagen herausholte, fragte einer der Askjaris (türkischer Soldat): Habt Ihr die Maschinengewehre gebracht? Der andere hiess ihn drohend schweigen. Wir folgten dem Unteroffizier, umzingelt von Askjaris. Nachdem man uns etwa 3 Werst weiter geführt hatte, wurde der Regimentskommandeur Wladimiroff vorgerufen und seiner Kleider und Barschaft (1500 Rubel) beraubt, ebenso verfuhren sie mit den übrigen Offizieren. Auch mir nahmen sie die Kleider und 3833 Rubel weg. Dann hiess man uns zusammen hinsetzen, während der Unteroffizier die Gewehre zu laden befahl. In einem Halbkreis, 6 Schritt von uns entfernt, legten sich die Askjaris mit geladenen Flinten hin. Gerade als der Befehl - Feuer - erteilt werden sollte, flohen wir alle, aber nur drei von uns konnten sich retten: ich und zwei andere, - Leutnant des Ephremoff'schen Regiments Smirnoff und Militärbeamter Kusma Fomin.

Die Nacht verbrachten wir im Schilf. Im Morgengrauen des 5. Juli krochen wir nach dem Platz, wo das Verbrechen begangen worden war, und sahen dort die Leichen unserer Kameraden umherliegen, darunter die des Regimentskommandeurs Wladimiroff, des Offizierstellvertreters Sohraboff, des Bataillonchefs Bosnakian und des Offizierstellvertreters Bosnakian.

Mit grossen Schwierigkeiten konnten wir die Station Kumis erreichen, von wo aus deutsche Offiziere uns nach Tiflis brachten. Barfuss und in Unterkleidern meldeten wir uns bei dem Stab der Roten Garde und erhielten Kleider und Schuhe."


Ferman Wehib Paschas.


Zum Zwecke der Wiederherstellung der Eisenbahnverbindung zwischen Eriwan und Elisawetpol wurden besondere Züge abgelassen, in denen sich türkische Offiziere befanden. Diese Offiziere nahmen einen Ferman Wehib Paschas mit, indem der tatarischen Bevölkerung mitgeteilt wurde, dass nunmehr der Friede geschlossen sei und ihre feindselige Haltung den Armeniern gegenüber aufzuhören habe. Ebenso sei es verboten, fernerhin die Armenier zu töten.

Anm. 1) Daraus geht hervor, dass die Tötung der Armenier vor dem Friedensschluss erlaubt war.


Auf der kaukasischen Heeresstrasse.

(Zur Lage der armenischen Flüchtlinge.)

Aus Wladikawkas wird uns vom 2. Juli berichtet:


Es gibt keinen Armenier, dem nicht in Lars bei Kasbek ein Unglück begegnet wäre. Die armenischen Flüchtlinge werden nicht nur ihres Geldes und ihrer Habe beraubt, sondern die haben dazu noch Erniedrigungen und Vergewaltigungen aller Art zu erdulden. Die Flüchtlinge, welche Wladikawkas erreichen, glauben, dort in Sicherheit zu sein. Nach kurzer Rast daselbst begeben sich die Flüchtlinge nach Armavir. Auf den Stationen Darkoch und Elchotowo wird der Flüchtlingszug das Opfer eines organisierten Räuberüberfalls. Hier werden die Flüchtlinge von den Räubern gründlich ausgeplündert, die geraubte Habe wird auf kleine Wagen verladen und nach den Wohnsitzen der Räuber geschleppt. Dies alles geschieht am hellen Tage und straflos. Die dortige Regierung, welche alle diese Ereignisse mit ansehen musste, hat nun endlich strenge Massnahmen ergriffen. Diesen zufolge sollten die Züge durch Soldatenabteilungen beschützt werden und hauptsächlich aus Panzerwagen bestehen. Wir hoffen, dass die räuberischen Überfälle nunmehr bald aufhören werden.

Aus Duschet wird uns vom 8. Juni gemeldet:

Einige Kilometer von Kazbek entfernt, brachen Feindseligkeiten zwischen den Gardisten der georgischen Republik und den Gardisten der russischen kommunistischen Republik aus. Die beiderseitigen Gegner schlossen, als sie das Elend der Flüchtlingsscharen auf dem betreffenden Gebiet sahen, einen Waffenstillstand von 8 Uhr früh bis 2 Uhr nachmittags, um den Flüchtlingen Gelegenheit zu geben, gruppenweise die Linien zu passieren. Nach 2 Uhr sollte das "Kriegsspiel" wieder aufgenommen werden. Nicht wenige Flüchtlinge werden trotzdem Opfer dieser Scharmützel und müssen, oft unter Zurücklassung ihrer gesamten Habe, schleunigst flüchten, um nur das nackte Leben zu retten. Auf den Sammelstellen der Flüchtlinge herrschen schreckliche Zustände. Kälte, Schmutz, Nächte unter dem freien Himmel fördern gefährliche Epidemien, denen viele zum Opfer fallen.

Auszug aus der Depesche der armenischen Delegation in Konstantinopel.

Aus dem Felde, den 12. Juli 1918, 3 Uhr 50 Nm.

Ankunft, den 12. Juli 1918, 9 Uhr Nm.

Kaiserliche Botschaft an Auswärtiges Amt.

Für docteur Ohanjanian, Berlin.


Avons reçu de Tiflis conseil national télégramme suivant date 7 juillet. Nationalrat erhält täglich alarmierende Nachrichten aus dem von türkischen Truppen besetzten Gebiet Lori. Fälle von Plünderungen und Morden seitens türkischtatarischer Banden im Süden von Sanahin mehren sich. Nach Unterzeichnung Vertrages von Batum sind [in] Karakliss fast 2000 armenische Männer, Frauen und Kinder Massacres zum Opfer gefallen. Zahlreiche Banden operieren noch jetzt in dieser Gegend. Nationalrath ersucht Euch um energischen Protest und um unverzügliche Räumung des armenischen Gebietes, das noch von türkischen Truppen besetzt ist. Essad Pascha Batum sandte mir ein Schreiben, worin er mitteilt, dass Rückkehr armenischen Flüchtlings Akhalkalaki, da Bevölkerung noch stark erregt über Verbrechen, die Armenier in demselben Gebiet verübten.



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved