1915-08-07-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14087
Zentraljournal: 1915-A-24905
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 08/24/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: K. No. 84/B. No. 1732
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



K. No. 84 / B. No. 1732
Aleppo, den 7. August 1915
Im Anschluß an meinen Bericht vom 27. Juli - No. 811
Zur Armenierfrage berichte ich gehorsamst noch folgendes:

1) Verbannte aus den Wilayets Erzerum, Kharput, Bitlis und Diarbekr sind neuerdings hier angelangt, so dass augenblicklich Armenier aus allen Gegenden in Aleppo anzutreffen sind. Die leitenden Armenier versuchen daher ein Bild über das bisher hereingebrochene Unglück zu gewinnen, indem sie die Aussagen sammeln. Sie geben an, dass danach schon bisher 80000 Armenier ihr Leben haben lassen müssen, d.h. ebensoviel als zur Zeit der grossen Massaker unter Abdul-Hamid 1895/1896.

2) Ueber zwei dieser Tage hier eingetroffene Trupps sind mir genaue Angaben gemacht worden, mit dem Hinzufügen, dass sie nicht als besonders betroffen herausgesucht sind, vielmehr mancher andere noch stärker gelitten habe. Die Angaben seien in der Weise gewonnen, dass Name für Name aufgeschrieben und der Verbleib festgestellt worden sei:

a) Von einem Trupp von 212 Köpfen, die aus Adiaman (jetzt Hüsni Mansur genannt) aufbrachen, sind 120 hier angelangt,

Über 6 Personen fehlen Nachrichten.

b) Aus dem Bezirk (Müdiriyet) Pere im Wilayet Kharput brach ein Trupp von 120 auf, von denen 32 hier angekommen sind.


über 10 Personen fehlen Nachrichten.

3) Ausser den Abgeordneten Zohrab und Wartkes, über deren Geschick bereits früher berichtet, sind vor 6 Wochen die folgenden in Konstantinopel angeblich wohl bekannten Persönlichkeiten in Richtung Diarbekr hier durchgekommen, über deren Verbleib jede Nachricht fehlt und von denen daher anzunehmen ist, dass sie ermordet worden sind:


4) Der erste Trupp der aus Aintab Verbannten hat am 31. Juli die Stadt verlassen müssen und ist unversehrt hier angekommen. Er bestand aus wohlhabenden Leuten, die sich die erforderlichen Transportmittel selbst hatten beschaffen können.

Der zweite, aus Unbemittelten bestehende Trupp, der am 2. August von Aintab aufbrach, ist habwegs zwischen Aintab und der Bahnstation Akhtsche Küjünli überfallen und ausgeplündert worden, während den Armeniern vorher selbst ihre Taschenmesser abgenommen waren. Ein Armenier wurde erschlagen, zehn verwundet. Der Wali hat Massregeln getroffen, um eine Wiederkehr solcher Ereignisse zu verhindern.

5) Die Räuber im Wilayet Marasch deren Unschädlichmachung im April der Regierung nicht gelungen war, sind in die Nähe des Dorfes Fijndadschak im Süden von Marasch gelangt und haben die Bauern, die inzwischen erfahren hatten, dass vielfach die verbannten Armenier wehrlos niedergemacht worden sind, zum Anschluss bewogen. Die Zahl der Aufständischen stieg auf diese Weise auf 600 bis 800. Sie sind durch Truppen aus dem Wilayet Adana umzingelt und vernichtet worden. In Baghtsche (Wilayet Adana) stand aus diesem Anlass ein Massaker unmittelbar bevor, wurde aber durch die Besonnenheit eines Notabeln abgewendet. Der Kaimmakam von Baghtsche, der die Truppen eine Strecke geleitet hatte, nach Baghtsche zurückgekehrt, riet den Armeniern alles stehen und liegen zu lassen und sofort nach Aleppo aufzubrechen. Sie haben diesen Rat befolgt und sind hier angekommen. Ein anderes Dorf dagegen ist der nichtmilitärischen Vernichtung nicht entgangen.

6) Die katholischen Armenier sind von der Verbannung ausgenommen worden und zwar wie die Armenier hier erzählen, auf österreichische Vermittelung hin. Dem hiesigen österreichischen Konsul ist von solcher Vermittlung nichts bekannt.

Gleichen Bericht lasse ich der Kaiserlichen Botschaft zugehen.


Rößler


1 A 23991



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