1916-01-10-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20041
Zentraljournal: 1916-A-950
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 01/10/1916 07:40 PM
Telegramm-Ankunft: 01/11/1916 04:05 PM
Praesentatsdatum: 01/11/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 47
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Constantinopel, den 10. Januar 1916

Geheim.

Mit Bezug auf das von Kapitän Humann, auf Ansuchen Envers von diesem heute an General von Falkenhayn gerichtete Telegramm.

Marschall Liman telegraphierte mir am 8. d.M., seine Truppen würden ohne daß er befragt worden, zurückgenommen, Vertrag sei verletzt und er habe Sultan durch Enver um Enthebung seines hiesigen Kommandos, S.M. den Kaiser um Enthebung von Militärmission gebeten. Am 9. telegraphierte er mir, Enver habe seinen Befehl vollständig zurückgenommen. Marschall ersuchte mich, sein Schreiben an Militärkabinett vorläufig zurückzubehalten.

In vorgestern mir gewährter Privataudienz sprach S.M. der Sultan mit Dank und Anerkennung von großen Verdiensten des Marschalls; des Marschalls Abberufung oder Beurlaubung im jetzigen Augenblick wird von Freund und Feind als Maßregelung für mangelhafte Kriegführung angesehen werden, schadet also unserem Ansehen.

Oberst von Behrendt, gestern von Dardanellen zurückgekehrt, berichtet mir, daß gewaltsame Erstürmung infolge erfolgloser türkischer Unterführung fehlschlug, die Truppen nicht aus den Gräben herausgingen, sodaß Feind unbehelligt abziehen konnte. Was an den Dardanellen mit der schlechten türkischen Truppe geleistet wurde, sei Verdienst des Marschalls Liman dessen eiserne Strenge die Türken fast noch mehr fürchteten als den Feind. Hiermit stimmt hier jedes unparteiische deutsche Militärurteil überein. Eine türkische Armeegruppe ohne deutsche Oberleitung sei nichts wert.

Anwesenheit des Marschalls in Konstantinopel als Chef der Militärmission würde voraussichtlich bald zu unerträglichen Umständen zwischen ihm und Kriegsminister führen. Stelle daher zur Erwägung anheim, den Marschall eventuell von seiner Eigenschaft als Chef der Militärmission zu entbinden, da seine Verwendung ausschließlich im Felde notwendig sei, also keine capitis diminutio vorliege und Enver zu veranlassendem Marschall das Oberkommando über eine unter Umständen auf einem anderen Balkan-Kriegsschauplatz zu entsendende türkische Armee zu übertragen.

Dadurch würde der Marschall dem Kriegsminister unterstellt, Reibungsfläche zwischen beiden vermindert werden, unser Ansehen gewahrt, relative Leistungsfähigkeit der zu verwendenden türkischen Armeegruppe gesichert bleiben und zudem der deutsche Oberbefehl den anderen in Betracht kommenden Balkanvölkern Gefühl der Beruhigung gewähren.

Gleichlautend an Gesandten von Treutler.


[Metternich]



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