1913-05-10-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14078
Zentraljournal: 1913-A-09798
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Telegramm-Abgang: 05/10/1913
Praesentatsdatum: 05/12/1913 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Vorsitzende der Deutschen Orient-Mission (Johannes Lepsius) an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow)

Privatschreiben


Potsdam, 10.5.1913

Ew. Excellenz

beehre ich mich im Auftrage der armenischen Konferenz, die am 23. April in London tagte, den beiliegenden Bericht über die Verhandlungen zu überreichen.

Mit ausgezeichneter Hochachtung


Ew. Excellenz ergebenster
Dr. Johannes Lepsuis.
Vertraulich.

Bericht der Konferenz über die armenische Frage, abgehalten am Freitag, den 25. April, 1913. in einem Sitzungszimmer des Unterhauses, London.


Anwesende Delegierte:

M. J. Annan Bryce, M. P.; Mr. Noel Buxton, M. P.; Sir Edward Boyle, Bart.; Mr. T. P. O'Connor, M. P.; Mr. Arthur Ponsonby, M. P.; Dr. V. H. Rutherford; Mr. Harold Spender; Mr. Aneurin Williams; Mr. Arthur G. Symonds, Secretary; für das britische Komitee.

M. Robert de Caix für das französische Komitee.

Dr. J. Lepsius für das deutsche Komitee.

M. Léopold Favre; M. Réné Claparède [engl.Version: Caparede]; Pastor Adolf Hoffmann; für das Schweizer Komitee.

S. Exzellenz Nubar Boghos Pascha; Mr. H. N. Mosditchian; für die armenische nationale Delegation.

Prof. Thumajan; Mr. D. Arslanian; Vertreter des armenischen Komitees in London.

Mr. R. H. Fundukian; Mr. D. S. Iplicjian; Mr. M. Manukian; Vertreter des armenischen Komitees in Manchester.

Mr. Aneurin Williams wurde zum Vorsitzenden gewählt und hiess die Delegierten herzlich willkommen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass es der Konferenz gelingen möchte, in Bezug auf die politische Zukunft Armeniens eine Formel zu finden, die allen Wünschen gerecht würde und dahin führen könnte, dem unglücklichen und schwer geprüften Volke Frieden und Glück zu bringen. Er berichtete kurz, dass das britische Komitee bei seiner letzten Zusammenkunft zu dem Ergebnis gelangt sei, dass das von Sr. Exzellenz Nubar Pascha vorgelegte Programm unterstützt zu werden verdiene. Dies Programm ist wesentlich dasselbe, das die Mächte im Jahre 1895 aufgestellt haben und das die Pforte angenommen hat, mit denjenigen Modificationen, die durch die seither veränderten Verhältnisse in der Türkei notwendig geworden sind. Der Vorsitzende gab alsdann Nubar Pascha das Wort und bat ihn das Programm der Konferenz darzulegen.

S. Exzellenz bediente sich der französischen Sprache. In seinen Ausführungen betonte er zunächst die Notwendigkeit den gegenwärtigen günstigen Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der massvollen und freimütigen Forderungen des armenischen Volkes nicht ungenützt vorüber gehen zu lassen und entwickelte alsdann in ausführlicher Darstellung den Reform-Plan, den die vom Katholikos ernannte Delegation aufgestellt hat, um ihn im Hinblick auf die endgültige Ordnung der schwebenden Orient-Fragen der Erwägung der Mächte zu unterbreiten.

Nachdem S. Exzellenz Nubar Pascha das Programm der armenischen Delegation entwickelt hatte, erhielten Dr. Lepsius, M. de Caix, M. Favre und Mr. Buxton das Wort, um die Anschauungen ihrer Komitees zu vertreten.

Nach eingehenden Verhandlungen wurde die folgende Resolution von Mr. Buxton eingebracht und, von Mr. Symonds unterstützt, einstimmig angenommen:

"Die Mitglieder der Konferenz verpflichten sich, die Arbeit der Komitees in den verschiedenen Ländern derart zu organisieren, dass die öffentliche Meinung durch sie über die armenische Frage unterrichtet und ein Einfluss auf die Regierungen ihrer Länder gesucht wird zu Gunsten der Reformen, die im Interesse der einheimischen Bevölkerung der Türkei erforderlich und zur Aufrechterhaltung der Integrität des türkischen Reiches unerlässlich sind. Hierzu sollen die Komitees miteinander in dauernder Verbindung bleiben.

Sodann sprach Mr. Annan Bryce M. P. und regte an, dass die Konferenz unverzüglich Schritte tun solle, um in eine lebhafte Propaganda einzutreten und dadurch einen Druck auf die Regierungen auszuüben. Er zog aber seine dahin gehende Resolution zurück zu Gunsten der folgenden Resolutionen die von Mr. T. P. O'Connor vorgebracht und von M. de Caix, Dr. Lepsius und M. Favre und anderen Delegierten unterstützt und einstimmig angenommen wurden:

"Die Konferenz der Delegierten der englischen, französischen, deutschen und Schweizer Komitees, die sich gebildet haben, um für die armenische Sache einzutreten, fasst die folgenden Resolutionen:

1. Die Leiden des armenischen Volkes fordern die Aufmerksamkeit und Teilnahme Europas. Da trotz der Bestimmungen des Berliner Vertrages und des Reform-Planes vom Jahre 1895, der im Prinzip von der türkischen Regierung angenommen und publiziert worden ist, die Übelstände nicht beseitigt worden sind, ist es notwendig, dass alle europäischen Mächte sich mit der armenischen Frage befassen.

2. Die Mächte sollten dahin bestimmt werden, die Lösung der armenischen Frage zu einem wesentlichen Bestandteile der allgemeinen Neuordnung der Türkei zu machen, die dem Abschluss des Balkankrieges auf dem Fusse folgen soll.

3. Die Konferenz empfiehlt in Übereinstimmung mit den Komitees der Länder, die hier vertreten sind, das folgende Programm:

4. Die Integrität des türkischen Reiches soll durch diese Forderungen, die nur die notwendigsten Reformen verlangen, nicht angetastet werden.

5. Dieser Reform-Plan kann daher nicht allein von den Mächten, sondern auch von der türkischen Regierung angenommen werden, um so mehr als alle Untertanen in den von Armeniern bewohnten Provinzen gleichermassen von einer grösseren Sicherheit des Lebens und des Eigentums Nutzen ziehen würden und ihre finanzielle und wirtschaftliche Lage eine unvergleichliche Stärkung erfahren würde durch den wachsenden Wohlstand, den eine gute Verwaltung und Ordnung unweigerlich mit sich bringt.

6. Die Aufmerksamkeit der Grossmächte sollte unverzüglich auf die Gefahr gelenkt werden, die den von Armeniern bewohnten Provinzen durch die Überführung der Flüchtlinge aus der europäischen Türkei und die Rückkehr der türkischen Soldaten vom Kriegsschauplatz droht.

7. Abschriften dieser Resolution sollen an die in Paris tagende internationale Finanz-Kommission und an die auswärtigen Minister der Grossmächte gesandt werden."

Nachdem dem britischen Komitee und dem Vorsitzenden auf Antrag von Nubar Pascha und unter Zustimmung von Pastor Hoffmannn und anderen der Dank der Versammlung ausgesprochen war, schloss die Konferenz.


[Antwort Zimmermann 15.5.]

Ew. pp. bestätige ich mit ergebenstem Dank den Empfang des gef. Schreibens v. 10. d. M. Von dem Bericht über die Verhandlungen der armenischen Konferenz habe ich mit Interesse Kenntnis genommen.



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