1916-02-21-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 20052
Zentraljournal: 1916-A-05499
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 02/29/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 29
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Geschäftsträger in Sofia (Hoesch) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Sofia, den 21. Februar 1916

Auf den erlaß vom 18. d.Mts. Nr. 16 {A 4135}

Ganz geheim.

1 Anlage.

Die mir übersandten Ausführungen des Professors Dr. Kassner (nicht bei den Akten) über die Gefahr einer Trübung der deutsch-bulgarischen Beziehungen durch anmaßendes Auftreten von deutscher Seite enthalten zweifellos viel Richtiges, besonders soweit der Verfasser dabei die militärischen Stellen im Auge hat.

Von verschiedensten deutschen und bulgarischen Seiten habe ich Nachricht erhalten, daß das Verhältnis zwischen den beiderseitigen militärischen Kommandobehörden in den okkupierten Gebieten manches zu wünschen übrig läßt. Zunächst entstand Mißstimmung aus dem Umstand, daß die Bulgaren das eroberte mazedonische Gebiet als befreites bulgarisches Land aufgefaßt wissen wollten, während unsere Landsleute es als erobertes serbisches Gebiet ansahen und demgemäß mit Requisitionen u.s.w. vorgingen. Abgesehen von dieser Meinungsverschiedenheit ist es aber auch sonst noch zu zahlreichen Reibungen gekommen, die sicherlich in erster Linie auf mangelhafte organisatorische Leistungen und ungenügendes Entgegenkommen der Bulgaren zurückzuführen sind, denen aber wohl durch weniger intransigentes Auftreten unserer maßgebenden Stellen die Schärfe hätte genommen werden können.

Ebenso sind die hiesigen zahlreichen deutschen Kommandostellen wie Nachrichtenoffizier, Spionage-Abwehr-Offizier, Bevollmächtigter Generalstabsoffizier des Feldeisenbahnchefs, Bevollmächtigter des Kriegsministeriums für den Einkauf von Kriegsrohstoffen, Telegraphenoffizier, Militärischer Leiter der Fliegerschule, Militär-Überwachungsstelle u.s.w. gelegentlich geneigt, den bulgarischen Dienststellen gegenüber, mit denen sie zu tun haben, schroffer, als dies nützlich ist, aufzutreten und auf das bulgarische Selbstgefühl wenig Rücksicht zu nehmen.

Abschrift einer am 25. v.Mts. hier eingegangenen, an den Herrn Kaiserlichen Gesandten gerichteten anonymen Postkarte, die Beschwerden gegen die Deutschen enthält, beehre ich mich beizufügen.

Es kommt bei unseren militärischen Kommandostellen in Bulgarien in der Tat oft der von Herrn Kassner gemißbilligten vielen Deutschen eigentümliche Hang des Ordnung schaffen- und schulmeisternwollens zur Geltung.

Der in Zeiten wie den jetzigen mit Spezialaufträgen ins Ausland entsandte deutsche Offizier wird aber überhaupt selten ein werbendes Element daselbst darstellen, weil sein Pflichtgefühl und auch sein Ehrgeiz ihn antreiben die ihm jeweils gestellten besonderen Aufgaben möglichst restlos zu erfüllen und womöglich darüber hinaus noch etwas zu tun, wobei es ihm oft gleichgültig oder unverständlich ist, was er bei seinem Vorgehen rechts und links einreißt. Je mehr er erreicht, desto sicherer ist er des bedingungslosen Rückhalts bei seinen unmittelbaren Vorgesetzen. Er wird bei seiner Tätigkeit leider naturgemäß diejenigen, deren Aufgabe es ist, das Gesamtziel im Auge zu behalten, und die dementsprechend manchem seiner Schritte entgegentreten zu müssen, als lästige Hemmnisse auf seinem Wege ansehen und leicht in einem Gegensatz zu ihnen treten.

Dem Militär-Attaché der Kaiserlichen Gesandtschaft fehlt es an sich nicht an Verständnis für die Notwendigkeit, daß auch die militärischen Stellen ihr Vorgehen einigermaßen den Erfordernissen der politischen Lage anpassen müssen, er ist aber den hiesigen Kommandobehörden gegenüber, wohl weil er Konflikte mit seinen Mitarbeitern scheut, wenig energisch und gibt ihren Wünschen im weitem Maße nach.

Ich werde aber nicht verfehlen, Herrn von Massow nach seiner Rückkehr die Ausführungen Professor Kassner’s vorzulegen und bitte deshalb gehorsamst, die Rücksendung der Schriftstücke hinausschieben zu dürfen.

Es ist meiner Ansicht nach eine der wichtigen aber leider wenig dankbaren Aufgaben des Chefs der diesseitigen Behörde, darüber zu wachen, daß die verschiedenen militärischen Stellen sich keine Übergriffe und keine aus dem Rahmen der ihnen zugewiesenen Befugnisse fallenden Schritte erlauben.


Hoesch
Anlage

Abschrift

Postkarte

Monsieur Michahelles, Ministre Plénipotentiaire d’Allemagne, Sofia

Estimable Monsieur

La conduite des Allemands envers les Bulgares n’est par bonne. Soyez, mes amis, prudents et attentifs, parce que si cette conduite soit ainsi, la guerre sera fatale pour Vous et les corps de nos alliés couvriront la terre Macédoine. Il y a une justice divine.



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