1913-07-10-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 14080
Zentraljournal: 1913-A-14088
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Telegramm-Abgang: 07/11/1913
Praesentatsdatum: 07/13/1913 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 216
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in St. Petersburg (Pourtalès) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


St. Petersburg, den 10. Juli 1913

1 Anlage

Herr Sazonow übergab mir gestern das gehorsamst beigefügte aide-mémoire über den russischen Standpunkt in der Armenischen Frage. Der Minister ergriff die Gelegenheit, um mir von neuem auseinander zu setzen, daß Rußland keinen anderen Wunsch haben könne, als für möglichst lange Dauer geordnete und ruhige Verhältnisse in den armenischen Vilajets eintreten zu sehen. Hierzu bedürfe es aber radikaler Reformen, welche die Türkei allein nicht durchzuführen im Stande sei, und welche daher die Mächte in die Hand nehmen müssten. Es liege Russland fern, bei dieser Reformaktion eine hervorragende Rolle spielen zu wollen, oder durch die Reformen eine hervortretende Rolle spielen oder in den gedachten Vilajets für sich zu beanspruchen. Russland verlange für sich nichts anderes als für alle anderen Mächte. Eine Mitwirkung der Mächte bei den Reformen und eine wirksame Kontrolle derselben durch die Mächte erscheine aber dringend erforderlich. Herr Sazonow bemerkte ferner, er müsse besonders dafür eintreten, dass keine Zeit verloren werde, da die Lage in den armenischen Vilajets sich jeden Tag gefährlicher gestalte, und die türkischen Behörden der dort zunehmenden Anarchie gegenüber vollständig ohnmächtig seien.

Der Minister kam dann auf den von mancher Seite geäusserten Verdacht, daß Russland besondere Ziele in Armenien verfolge und einen Anlass suche, um in die armenischen Vilajets einzurücken, um allmählich die Aufteilung Anatoliens sowie die Besitzergreifung des Südufers des Schwarzen Meeres einzuleiten. Der Minister wies diese Insinuation mit Entrüstung zurück und bemühte sich nachzuweisen, daß gerade das Verlangen nach beschleunigter Einführung von Reformen in den von Armeniern bewohnten Gebietsteilen der Türkei den Wunsch Russlands beweise, diese Gebietsteile der Türkei erhalten zu sehen. Würde Russland wirklich für sich selbst ein Auge auf die fraglichen Vilajets geworfen haben und einen Vorwand suchen, um dort einzurücken, so würde es die Politik befolgen. welche Katharina II den Polen gegenüber befolgt habe. Es würde, wie die große Kaiserin, alle Reformen zu hintertreiben versuchen oder den Dingen ihren Lauf lassen, um möglichst anarchische Zustände dort zu schaffen und dadurch den gewünschten Grund zum Einrücken zu erhalten.

Ich habe dem Minister erwidert, dass ich an der Aufrichtigkeit seiner Politik in der Frage der armenischen Reformen nicht zweifeln wolle. Ich könne ihm aber auch nicht verschweigen, dass bei uns, wie aus der Presse hervorgehe, vielfach die Ansicht vertreten sei, die Unruhen in den armenischen Vilajets würden von russischen Agenten angestiftet und geschürt. Diese Ansicht stütze sich zum Teil auf glaubwürdige Nachrichten. Ich wolle zwar gern glauben, dass die Agenten nicht im Auftrage der Russischen Regierung handelten, immerhin erscheine es in vielen Fällen als ob sie mit amtlichen russischen Organen Fühlung hätten.

Herr Sazanow bestritt nicht, dass in den armenischen Vilajets Agenten tätig seien, und dass sich darunter auch russische Untertanen befänden, dies seien aber selbst Armenier, welche allerdings ein Einrücken Russlands in das türkische Grenzgebiet herbeiführen möchten. Dass russische Konsuln mit diesen Machenschaften etwas zu tun hätten, stellte der Minister auf das allerentschiedenste in Abrede.

Herr Sazonow bemerkte dann, wenn etwa einige Mächte es für wünschenswert erachten sollten, die Reformen auch auf andere als die armenischen Vilajets, etwa auf Mesopotamien und Syrien auszudehnen, so würde er dagegen nichts einzuwenden haben. Nur würde er in diesen Fällen darauf hinweisen müssen, daß z.B. in dem verhältnismäßig viel kultivierteren Syrien nicht dieselben Reformen eingeführt werden könnten, wie in den armenischen Vilajets. Auf jeden Fall sei er der Ansicht, daß die Reformen in Armenien am dringendsten notwendig seien Es müsse daher mit diesen, und zwar sobald als möglich begonnen werden.


[Pourtales]

Seine Exzellenz dem Reichskanzler Herrn von Bethmann Hollweg.

Anlage

Aide - mémoire.


Le Ministère Impérial croit devoir attirer l'attention du Gouvernement Allemand sur les considérations suivantes qui règlent l'attitude du Gouvernement Impérial dans la question des réformes à introduire dans les Vilayets arméniens.

D'accord avec les autres Puissances, la Russie est contraire à toute idée de démembrement de l'Empire Ottoman. Le Ministère Impérial a la conviction profonde que l'intégrité de la Turquie dépend en grande partie de la pacification de cas contrées les plus éprouvées par l'arbitraire et les vexations de toute sorte, qu'elles ont subies du fait d'une administration défectueuse. Cette pacification ne pourra, cependant, avoir lieu que, si les Puissances prennent sans retard en mains la réalisation des réformes indispensables.

Le Gouvernement Impérial a à maintes reprises attiré l'attention des Grandes Puissances, ainsi que celle de la Porte sur l'étroite connexion qui existe pour lui entre la question arménienne et les problèmes de l'administration Russe au Caucase. Le Gouvernement Impérial ne saurait tolérer un état chronique de désordres et d'anarchie qui, grâce à la proximitéde la frontière turque, ne peut ne pas avoir une répercussion des plus dangereuses dans les régions limitrophes du Caucase. Les dernières nouvelles ne font que confirmer l'impression qu'on peut s'attendre prochainement àdes excès regrettables de la part des Kurdes. L'impéritie et la faiblesse des autorités locales turques font redouter l'éventualitéd'événements auxquels le Gouvernement Impérial ne saurait en aucun cas rester indifférent.

Dans ces circonstances un accord prompt et aussi complet que possible entre les Puissances pourrait seul prévenir le danger autrement imminent de complications périlleuses.



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