1914-04-12-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 1913
Zentraljournal: 1914-A-07217
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 04/12/1914 07:25 PM
Telegramm-Ankunft: 04/13/1914 12:05 PM
Praesentatsdatum: 04/13/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 165
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 165
Constantinopel, den 12. April 1914

Enver Pascha erzählte mir heute streng vertraulich, General Coanda habe bei seiner Durchreise ausführlich mit ihm verhandelt. Der rumänischen Regierung, habe er ausgeführt, lägen bestimmte Nachrichten vor, wonach Russland eine Aussöhnung Bulgariens mit Serbien betreibe. Serbien solle seinen Besitz westlich der Wardar garantiert bekommen und dafür die Ansprüche Bulgariens auf Kavalla anerkennen. Eine der Bedingungen sei der Rücktritt der russenfeindlichen Regierung in Sofia. Rumänien komme in eine schwierige Lage, wenn der russische Plan gelinge. Letzterer könne nur dadurch vereitelt werden, dass Rumänien Russland bezw. der Triple Entente etwas Besseres anbiete, nämlich ein rumänisch-türkisch-griechisches Bündnis in Anlehnung an die Triple Entente. Rumänien sei auf Russland angewiesen, da der rumänisch-ungarische Gegensatz jetzt nicht mehr überbrückbar sei. Auch die Türkei würde, unter den Schutz der Triple Entente gestellt, auf die dauernde Freundschaft Russlands rechnen können. Griechenland sei militärisch, finanziell und wegen seiner epirotischen Ambitionen sowieso auf Frankreich angewiesen und werde dem Bund gern beitreten. Die Türkei müsse als Kompensation für ihre Bekennung zur Triple Entente selbstverständlich die Inseln zurückerhalten. Auch Serbien werde dieser Kombination beitreten, sodass Bulgarien entweder isoliert bleiben würde oder seine Aufnahme in den Verband nachsuchen müsste. Enver Pascha hat, wie er mir sagte, Herrn Coanda erwidert, die Türkei sei in ihrer gegenwärtigen Verfassung überhaupt noch nicht bündnisfähig und könne sich daher auf den rumänischen Vorschlag nicht einlassen. Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs führte Enver aus, das Wichtigste für die Türkei sei, dass Bulgarien nicht unter den russischen Einfluss zurückfiele. Nur wenn sie Bulgarien sicher sei, könne die Türkei mit einiger Aussicht auf Erfolg in etwa 5 Jahren einem russischen Angriff standhalten. Den russischen Freundschaftsversicherungen traue er nicht. Seine Hoffnung sei, der Tripelallianz und speziell Deutschland einmal eine von deutschen Offizieren ausgebildete türkische Armee von 500000 Mann zur Verfügung stellen zu können. Seine Majestät der Kaiser würde mit der Zeit vielleicht anerkennen, dass er ein Freund Deutschlands sei. Er glaube nicht, dass Marschall von Liman sich über ihn zu beklagen habe. Wenn der Dreibund die Türkei erhalten wolle, dürfe er nicht zulassen, dass Bulgarien wieder russisch werde.

[Wangenheim]



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