1915-05-03-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 19980
Zentraljournal: 1915-A-15238
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 05/03/1915 04:30 AM
Telegramm-Ankunft: 05/03/1915 08:45 AM
Praesentatsdatum: 05/05/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: M. Nr. 127
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Marine-Attaché der Botschaft Konstantinopel (Humann) an das Reichsmarineamt

Telegraphischer Bericht



M. Nr. 127.

Konstantinopel, den 3. Mai 1915

Abschrift.

Für Nachrichtenbüro Reichs-Marine-Amt

Für Pressezwecke.

Auf Telegramm Nr. 316 und 318:

Französische Meldungen über Dardanellen-Aktion völlig erlogen. Stadt Gallipoli ist nicht nur nicht eingenommen, ist nicht einmal Standort Armeeoberkommandos, sondern eine rückwärtige Verbindung fern vom Wirkungskreis des Gegners. Dass Fort Nagara nur nach Forcierung der Meerengen bombardiert werden kann, lehrt ein Blick auf die Karte. Angriffe französischer Truppen, angesetzt auf Asiens Landspitze Kum Kalé, brachen zu allererst zusammen. Muhammedanische Senegaltruppen gingen zu türkischen Glaubensbrüdern über. Der Rest wurde gefangen, erschlagen oder flüchtete in die Boote.

Dass englische Meldungen erlogen sind, versteht sich von selbst. Es liegt auf der Hand, dass bei der Art solchen Kampfes nur ausnahmsweise und in geringer Zahl türkische Gefangene gemacht werden können. Höchstens einzelne versprengte Soldaten fielen in die Hand des Feindes, während nach englischer Berichterstattung zahlenmäßig schon ganze Armeekorps gefangen sind. Von deutschen Offizieren, die nur in geringer Zahl bei der fünften Armee vorhanden sind, ist noch keiner gefallen, wohingegen England schon zehn von ihnen gefangen und die Franzosen gar drei von ihnen standrechtlich erschossen haben wollen. Der englische Angriff auf Gaba Tepe muss in seinem Offensivzweck als völlig gescheitert angesehen werden. Der Feind hält sich dort, unterstützt durch das Feuer von zeitweilig 40 Kriegsschiffen nur auf der 500 m tiefen Landzunge Araburnu, nördlich Gaba Tepe, während die umklammernden türkischen Schützengräben bereits an beiden Seiten die Strandlinie berühren. Der eigentliche Kampf gilt jetzt den bei Seddul Bahr gelandeten Truppen. Die Kämpfe sind für die türkische Armee langdauernd und schwierig, da das Gelänge schnelle Bewegungen erschwert und der Gegner gewaltige Schiffsartillerie ins Gefecht bringt. Trotzdem ist an dem ständig fortschreitenden Erfolg der V. Armee nicht mehr zu zweifeln. Die weitere Landungsarmee, die nach Meldung der „Times“ bei Tenedos 15 km ins Land gedrungen sein soll, wird von Feldgendarmen und Vorposten der Nordarmee zwar eifrig, aber leider ohne Resultat gesucht.

Dass englische Meldungen über die Beschiessung Smyrnas und gar die russischen Meldungen über die Besetzung der Stadt erlogen sind, versteht sich gleichfalls. Vor Smyrna ist seit Montag kein Schuss gefallen.

Der weltberühmte englische Heldensinn zeigte sich, wie auch auf dem nord- und südeuropäischen Kriegsschauplatz, in einer Gefechtsphase, bei welcher auf dem abgeschnittenen linken Flügel der Landungsabteilung bei Gaba Tepe die weisse Flagge gehisst wurde. Gutmütig herankommende Türken wurden durch Maschinengewehrfeuer empfangen. Die erbitterten Truppen machten ohne Befehl Bajonettangriff, erschlugen alles und nahmen viele Maschinengewehre.

Nach aufgefangenen Meldungen des Feindes, haben die Engländer bereits 10000 Mann verloren, während General d’Amade auf Seddul Bahr bereits mehrfach Verstärkung seiner Landungstruppen erbat.

Die Unterseeboots-Unternehmungen des Gegners sind bisher gescheitert. Vorgestern wurde ein U-Boo beschossen und verschwand, ist also vermutlich gesunken. Gestern wurde U-Boot (A E 2) von einem Torpedoboot gejagt und durch Besatzung versenkt, die sich ergaben, insgesamt 3 Offiziere und 29 Mann. Heute ist ein U-Boot auf eine Mine geraten und in die Luft geflogen. Die Besatzung konnte trotz türkischer Bemühungen nicht gerettet werden. Vier angetriebene Leichen wurden rekognosziert und bestattet.

Das Misslingen maritimer Unternehmungen, bei denen 2 grosse Torpedobootszerstörer, 1 Transportdampfer und mehrere Schleppzüge versenkt wurden, verleidet scheinbar dem Gegner die Aktionen gegen die Seefestungen der Meerenge. Gestern wurde das französische Linienschiff „Henri IV“ durch 10 Haubitztreffer ausser Gefecht gesetzt und aus der Kampflinie zurückgezogen.

In Konstantinopel ist die Stimmung gehoben, alles wetteifert in der Fürsorge für die eingebrachten Verwundeten. Die eintreffenden englischen und französischen Gefangenen machen starken Eindruck auf die levantinische Bevölkerung.

Die Engländer haben scheinbar gute Truppen; kräftige Leute mit guter Ausbildung. Die französischen Truppen sind in Mehrheit Greise und Kinder.

Heute Morgen erschien die russische Flotte vor dem Bosporus und feuerte aus weiter Entfernung über 300 Schuss gegen die Werke, ohne auch nur eines zu erreichen. Dann fuhr sie nach der asiatischen Seite.


[Humann.]



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