1915-03-06-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 22404
Zentraljournal: 1915-A-8439
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 03/06/1915 07:30 PM
Telegramm-Ankunft: 03/08/1915 12:48 AM
Praesentatsdatum: 03/08/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 543
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 543.

Constantinopel, den 6. März 1915

Großwesir sagte mir heute streng vertraulich, es sei von Athen kommend eine Persönlichkeit in Dedeagatsch eingetroffen welche ihm durch eine Mittelsperson habe sagen lassen, daß England in aller nächster Zeit mit einem Friedensvorschlag an die Türkei herantreten werde. Der bulgarische Gesandte hat aus Sofia Nachricht, daß die betreffende Persönlichkeit Prinz Sabbaheddin …[Gruppe unverständlich]… gewesen sei. Die bulgarische Regierung habe ihm Land verboten. Ratschläge zu einem Separatfrieden mit Frankreich und England sind der türkischen Regierung in den letzten Tagen durch die hiesige griechische Gesandtschaft durch den Patriarchen zugegangen. Beide Stellen haben zum Separatfrieden geraten unter Hinweis auf die Gefahr daß nur ein solcher Frieden eine Garantie gegen die Besitznahme Constantinopels durch die Russen darstellen werde es wird immer wahrscheinlicher, daß die Tournée des Generals Pau, die verschiedenen Friedensanträge und die hier von Dunkelmännern, die als Agenten der Entente gelten, eingeleitete Agitation für den Frieden, das Bombardement der Dardanellen und die Pression auf die Neutralen das Ensemble eines mit ungewöhnlichem Raffinement vorbereiteten und durchgeführten Bluffs bilden. Dafür sprechen auch die ungeheuerlichen Lügen der letzten englischen Communiqués über die Vorgänge an den Dardanellen. Wäre die Eroberung der Dardanellen wirklich beabsichtigt so hätte England es nicht nötig seine mangelhaften Erfolge derart aufzubauschen. Der Zweck des Bombardements ist ausschließlich die Gewinnung der Neutralen und die Einschüchterung der Türkei. Ob nachdem der Bluff gescheitert die Engländer durch das einmal engagierte Prestige nicht gezwungen werden zu einer durchgreifenden Aktion gegen die Meerengen zu schreiten, bleibt abzuwarten. Interessant ist, daß der Türkei bisher immer nur ein Frieden mit England und Frankreich nahegelegt wurde unter ausdrücklicher Betonung der späteren russischen Gefahr. Hier zugereiste Engländer und Franzosen hatten die Nachricht mitgebracht, daß Rußland seinen Verbündeten mit der Niederlegung der Waffen gedroht habe, falls ihm nicht der Besitzt von Constantinopel garantiert würde. Dagegen wäre es möglich, daß England und Frankreich den Sonderfrieden mit der Türkei nur deshalb anstreben, um Rußland den Weg nach Aegäischem Meer zu verlegen.

[Wangenheim]



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