1915-11-09-DE-011
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/171
Botschaftsjournal: A53a/1915/6401
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/22/2012


Der Geschäftsträger der Botschaft Konstantinopel (Neurath) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht




Pera, den 9. November 1915

Herr von ScheubnerRichter berichtet aus Mossul unter dem 5. d.Mts. folgendes:

"Auf dem Wege von Erzerum über Khinis, Musch, Bitlis, Seert nach Mossul habe ich alle früher von Armeniern bewohnten Dörfer bezw. Häuser vollständig leer und zerstört angetroffen. Lebende männliche Armenier habe ich nicht gesehen. Es sollen etliche sich in die Berge geflüchtet haben. Circa 500 armenische Frauen und Kinder befinden sich in beklagenswertem Zustande in [der]armenischen Kirche in Bitlis; auch sollen armenische Frauen in türkischen Häusern gefangen gehalten werden. Auf dem ganzen Wege habe ich und die mich begleitenden Deutschen Herrn noch Leichen von armenischen Männern Frauen und Kindern liegen sehen, vielfach mit Zeichen von Bajonettstichen, trotzdem die Wege vor uns auf Veranlassung der Regierung durch Gendarmerie von Leichen gesäubert worden waren. Nach Aussage von Kurden sind alle Armenier der dortigen Gegend umgebracht worden. Eine von den Armeniern vorbereitete Revolution bezw. Erhebung hat es nach meinen Informationen nur in Wan gegeben, an anderen Orten war es Selbstverteidigung. Die Türken u.a. Offiziere, haben überall verbreitet und vielfach auch selbst geglaubt, dass die deutsche Regierung die Vernichtung der Armenier veranlasst habe."

Über die Ausrottung der Armenier von Musch und die Zerstörung des Armenierviertels von Musch sowie der armenischen Dörfer in der Umgegend hat die kürzlich hier eingetroffene Schwester Alma Johansson (Schwedin) von dem dortigen Waisenhause des deutschen Hülfsbunds für christliches Liebeswerk im Orient eingehende Angaben gemacht. Danach dürfte von der armenischen Bevölkerung außer wenigen Flüchtlingen und einigen geraubten Frauen fast nichts übrig geblieben sein; die armenischen Häuser wurden in Brand gesteckt und dann dem Erdboden gleich gemacht. Diese Ereignisse, die in der ersten Hälfte Juli sich zutrugen, waren, wie aus den Schilderungen der Genannten zu schließen ist, anscheinend mit durch das Herannahen der russischen Truppen, die nach der Besetzung von Achlat, Bulanik, Gop und Lisch bis ein, zwei Tagemärsche von Musch streiften, veranlaßt.

Frl. Johansson, die im August Musch verließ und nachdem sie sich in Harput (Mesere, Mamuret ul-Aziz) einige Monate aufgehalten über Siwas hierher gekommen ist, bemerkte zum Schlusse ihrer Schilderungen, daß die offiziellen Kreise sowohl in Musch wie in Mesere und auch in Siwas übereinstimmend behaupteten, die Deutschen hätten die türkische Regierung zu den Armenierverfolgungen gedrängt.


N[eurath]


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