Die Haltung der türkischen Truppen auf der Gallipoli Halbinsel ist über jedes Lob erhaben, ihr Kampfesmut unerschütterlich. Wir haben bisher, die beiden letzten Gefechte nicht mitgerechnet, 75000 Mann verloren, die meisten durch Artilleriefeuer. Der Feind bringt immer mehr schwere Geschütze in Stellung und überschüttet uns Tag und Nacht mit schweren Geschossen. Trotzdem die Anzahl unserer Geschütze vollkommen ausreicht, ist der Mangel an Munition jetzt so beträchtlich geworden, daß der Augenblick vorauszusehen ist, wo wir dem feindlichen Angriffe nicht mehr Stand halten können. Für einzelne Geschütze sind nur noch 3 Schuß vorhanden. Würden wir genügend Munition haben, so wäre es bei der schlechten Qualität der feindlichen Infanterie ein Leichtes, Gegner von der Halbinsel zu verjagen. So aber muß damit gerechnet werden, daß der Widerstand der türkischen Armee bereits in allernächster Zeit gebrochen sein wird. Der Zeitpunkt, zu welchem der Zusammenbruch erfolgt, läßt sich nicht genau angeben. Er hängt ausschließlich von dem Willen des Gegners ab. Greift dieser noch zweimal hintereinander mit derselben Energie wie am 24. und 28. d.M. an, so ist das Schicksal der türkischen Armee besiegelt. Sobald die Landarmee geschlagen ist, kann sich die Festung, auch nach Ansicht Admirals Usedom nur noch drei Tage halten.
Marschall Liman von Sanders bittet mich daher, höheren Orts zur Kenntnis zu bringen, daß, wenn nicht unverzüglich ein höheres Quantum an Munition herbeigeschafft wird, die Dardanellen verloren sind.
Ich habe Major Prigge veranlaßt, dieselbe Mitteilung auch Markgraf Pallavicini und österreichischem Militärattaché zu machen.
Bis hierher gleichlautend an Gesandten von Treutler.
<Da wie es scheint, die Verhandlungen mit Rumänien zu keinem Resultat führen und Bulgarien die Notlage der Türkei ausnutzen wird, um Forderungen an dieselbe zu stellen, welche sie nicht erfüllen kann, bitte ich umgeneigte Weisung, was meinerseits geschehen soll, falls der Durchbruch an den Dardanellen erfolgt. Insbesondere wäre zu erwägen, ob und wie angesichts der Unmöglichkeit den Türken unsererseits zu helfen, dem zweifellos zu erwartenden türkischen Gedanken an einen Separatfrieden mit den Alliierten entgegengetreten werden soll.
Ich habe Toschkoff heute durch Günther sagen lassen, es wäre eine gute Taktik der Bulgaren, wenn sie zunächst versuchen würden, das türkische Mißtrauen dadurch zu zerstören, daß sie der Türkei freiwillig und sofort schwere Geschütze und Munition zur Verfügung stellen.>
Wir drücken in Sofia auf schnelle Verständigung.
Der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel hat das Euerer Exzellenz bekannte Telegramm vom 30. Juni über die kritische Lage der Dardanellen mit folgendem Zusatz hierher gegeben: <…>
Ich habe vorläufig geantwortet: <<…>>
Der im vorstehenden ausgedrückte Optimismus hinsichtlich der Abgabe bulgarischen Kriegsmaterials verfolgt vorwiegend taktische Zwecke. Tatsächlich beurteile ich trotz des diesseits in Sofia ausgeübten Drucks die Chancen skeptisch. Bulgarien wird sich zu Schwächung seiner sowieso geringen Bestände bestenfalls erst dann entschließen wenn ihm durch Herstellung der Verbindung mit Österreich-Ungarn der eigene Nachschub gesichert ist.
Was die von Freiherrn von Wangenheim erbetenen Verhaltungsmaßregel anlangt, fragt es sich, ob die Türkei nach Bezwingung der Dardanellen in Thracien weiterkämpfen oder die Armee nach Kleinasien zurückziehen oder Frieden schließen soll. Euerer Exzellenz wäre ich für baldgefällige Äußerung hierzu vom militärischen Standpunkt dankbar. Zur Klarstellung der politischen Situation darf ich folgendes bemerken:
Wir können voraussichtlich auch nach der Eroberung der Dardanellen die Türkei zum weiteren Ausharren in Thracien bewegen, Rumänien ruhig halten und Bulgarien zu uns hinüberziehen, wenn die militärische Lage erlaubte, unter Zurückstellung anderer erfolgversprechender Unternehmungen schleunigst gegen Serbien vorzugehen. Da dies nach Euerer Exzellenz mündlichen und telegraphischen Mitteilungen nicht der Fall ist, werden wir hinnehmen müssen, daß die Pforte entweder Thracien preisgibt oder einen Separatfrieden schließt.
Die Nachteile letzterer Lösung liegen auf der Hand. Rußland erhält ungehinderte Zufuhr von Kriegsmaterial durch die Meerengen und kommt in die Lage, neue gut gerüstete Armeen ins Feld zu stellen. Die Ausfuhr russischen Getreides stärkt Rußland finanziell und versorgt unsere anderen Gegner mit Lebensmitteln. Die Entente würde voraussichtlich binnen kurzem Rumänien und Bulgarien durch militärische und wirtschaftliche Bedrohung zur Kooperation gegen uns zwingen. Die Hoffnung, Rußland durch militärische Erfolge in Kurland, Polen und Galizien friedensreif zu machen, wird mindestens sehr verringert, da England als Herr der Meerengen Rußland in der Hand hat. Das Schlagwort „Hagia Sophia“ wird neue Kriegsbegeisterung im russischen Volk hervorrufen und die revolutionäre Bewegung im Keime ersticken. Die latenten Differenzen zwischen Rußland und den Westmächten über den Besitz Constantinopels bezw. der Meerengen werden erst nach dem Friedensschluss eine akutere Form annehmen. Mit der Zerstückelung unseres türkischen Bundesgenossen endlich erleiden wir wirtschaftlich, politisch und für das deutsche Ansehen eine Einbuße, die auch durch eventuellen Machtzuwachs an anderer Stelle schwer wettzumachen ist.
Euere Exzellenz wollen überzeugt sein, daß mir die Absicht, der Heeresleitung Unmögliches zuzumuten, fernliegt und vorstehende Darlegung lediglich dem Wunsch entspringt, über die politischen Eventualitäten Klarheit zu schaffen.