1915-02-02-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14085
Zentraljournal: 1915-A-05043
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 02/09/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J. Nr. 269
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



J. Nr. 269
Pera, den 2. Februar 1915

Laut Artikel 5 des mit dem Generalinspektor Hoff Bey geschlossenen Vertrages hat die türkische Regierung das Recht, den Vertrag vor seinem Ablauf zu kündigen, und ist in diesem Falle verpflichtet, Herrn Hoff als Entschädigung 6 Monatsgehälter (zusammen Ltq. 2400) und Ltq. 300 Umzugsgelder zu zahlen. Eine entsprechende Klausel enthält der Vertrag mit dem Sekretär Blehr.

Die türkische Regierung hat von diesem Rechte Gebrauch gemacht, indem sie am 11. Januar 1915 bei der hiesigen Filiale der Deutschen Bank Ltq. 2700 für Herrn Hoff und Ltq. 650 für Herrn Blehr eingezahlt hat mit der Weisung, diese Beträge den genannten Herren gegen Quittung auszuzahlen, aus welcher hervorgeht, dass dieselben von der türkischen Regierung die ihnen vertraglich zustehende Entschädigung und Vergütung der Rückreisekosten voll erhalten haben und dass sie keinerlei Ansprüche irgend welcher Art an die türkische Regierung mehr haben.

Die in Kristiania akkredierte türkische Gesandschaft ist angewiesen worden, die Verträge mit den genannten Herren in aller Form zu kündigen.

Entsprechend ist gegenüber dem holländischen Reformer Westenenk verfahren worden.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Massnahme der türkischen Regierung in der armenischen Bevölkerung starke Erregung hervorrufen wird; denn sie wird als ein Zeichen dafür ausgelegt werden müssen, dass die Pforte nicht gewillt ist, den Weg der armenischen Reformen, wie er ihr hauptsächlich von Russland gewiesen worden ist, fortzusetzen. Zwar wird dies auf der Pforte nicht offen zugegeben, sondern in vagen Wendungen auf die Möglichkeit hingewiesen, die beiden Reformer nach Beendigung des Krieges wiederanzustelllen; doch ist dies nicht mehr als eine façon de parler, die nicht ernst genommen werden darf.

Als ich zu Talaat Bey Bedenken äusserte, ob der Zeitpunkt für einen derartigen Entschluss günstig gewählt sei, erwiderte er: "C'est le seul moment propice!" Ich bin bei den Türken durchweg der durch die bisherige Haltung der Armenier nicht widerlegten Auffassung begegnet, dass im Falle des Unterliegens der Türkei die armenische Bevölkerung sich unbedingt auf die Seite des Siegers schlagen würde, und dass alle Zugeständnisse in der Reformfrage daran nichts zu ändern vermögen. Die Pforte ist es daher überdrüssig, dem armenischen Elemente eine Vorzugsbehandlung vor den übrigen Volksteilen der Türkei zuteil werden zu lassen.

Die erwähnte Massregel kennzeichnet sich somit als ein neues Glied in jener Kette von Regierungsakten, durch welche die Türkei neuerdings ihr unbeschränktes Selbstbestimmungsrecht auf allen Gebieten ihres Staatslebens selbstbewusst zum Ausdruck bringt.

Auch Gründe fiskalischer Natur mögen im vorliegenden Falle mitgesprochen haben: denn man verhehlte auf der Pforte nicht seinen Unwillen darüber, dass man den genannten Herren während der ganzen Kriegsdauer die Hälfte ihrer sehr hohen Gehälter ohne jede Gegenleistung weiterzahlen sollte.

Euerer Exzellenz darf ich anheimgeben, die erwähnten Summen von der Deutschen Bank an die Legationskasse auszahlen und dieselben alsdann gegen Quittung in der von der Pforte gewünschten Form durch die Kaiserliche Gesandtschaft in Kristiania an die Herren Hoff und Blehr übermitteln zu lassen.


Wangenheim


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