1914-10-24-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20171
Zentraljournal: 1914--
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 143
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Militärattaché in Bukarest (Günther Bronsart von Schellendorff) an das Kriegsministerium

Bericht



Abschrift.

Nr. 143.


Bukarest, den 24. Oktober 1914

Betrifft: Transporte auf der Donau.

Die österreichische Heeresleitung hat sich bisher ausser Stande gezeigt, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um das serbische Donauufer vom Feinde zu säubern. Infolgedessen ist die Schiffahrt auf der Donau für deutsche und österreichische Boote faktisch gesperrt, während die Russen seit Beginn des Krieges Mengen von Kriegsmaterial und neuerdings auch Offiziere und Mannschaften stromaufwärts führen und in dem serbischen Hafen Radujewatz gegenüber dem rumänischen Ufer landen.

Dieser Zustand wird in seinen vorauszusehenden üblen Folgen für uns und unsere Bundesgenossen mit jedem Tage bedenklicher. Rumänien läßt die für die Türkei bestimmten Transporte von Munition und Waffen nicht mehr passieren. Der Winter und damit die Möglichkeit des Zufrierens der Donau rückt immer näher. Es wächst also die Gefahr, dass die beiden uns befreundeten Staaten das Kriegsmaterial, dessen sie so dringend bedürfen, zu spät oder garnicht erhalten. Andrerseits wird aus dem Umfange der russischen Transporte, die jetzt stromaufwärts gehen bezw. noch gehen sollen, und auch aus anderen Anzeichen ersichtlich, dass die Russen sich bereits nicht mehr auf die Unterstützung der Serben beschränken, sondern einen Einfall mit eigenen Truppen in Ungarn ernstlich ins Auge fassen. 8 Dampfer und 21 Schleppkähne mit Kriegsmaterial, russischen Offizieren und wahrscheinlich auch Mannschaften sind eben in Radujewatz angekommen. 39 weitere Kähne sollen demnächst folgen. 60 Donaukähne haben einen Fasssungsraum von annähernd 4000 Eisenbahnwaggons! Gleichzeitig meldet ein Kundschafter aus Galatz, dass bei Ismail 35000 Mann zur Einschiffung nach Serbien bereit stehen.

Um diesen skandalösen Verhältnissen ein Ende zu bereiten, giebt es nur ein einziges wirksames Mittel: es müssen bei Orsowa Truppen über die Donau gesetzt und die Serben vom jenseitigen Ufer bis zur bulgarischen Grenze - die Strecke ist etwa 60 km lang - vertrieben werden. Wenn das geschieht, wird die Ausladung russischer Transportschiffe am serbischen Ufer unmöglich, und unsere Transporte können per Bahn bis Orschowa, von dort zu Schiff bis zum bulgarischen Hafen Widdin und dann wieder mit der Bahn nach Sofia und Konstantinopel gehen. Wir bedürfen dann also nicht mehr der Gnade Rumäniens, um unseren Freunden Kriegsmaterial zukommen zu lassen.

Das Unternehmen bietet jetzt allerdings grössere Schwierigkeiten als wie vor zwei Monaten, denn die Russen haben die Zwischenzeit benützt, um am serbischen Ufer Minen zu legen, und haben auch sonst Vorkehrungen der Serben gegen eine feindliche Landung mit allem Mitteln unterstützt. Aber der Uebergang ist auch heute noch ausführbar. Die Landungsverhältnisse sind gegenüber Orschowa und weiter stromabwärts nicht ungünstig, und die Serben können in jener Gegend nur über schwache Streitkräfte verfügen. Unter Mitwirkung von Flugzeugen, einigen schweren Batterien und den österreichischen Donaumoniteuren muss die Sache zu machen sein.

Nachdem von österreichischer Seite eine schnelle und tatkräftige Initiative kaum noch zu erwarten steht, dürfte nunmehr in Erwägung gezogen werden, ob nicht für die deutsche Heeresleitung der Moment gekommen ist, die Ordnung dieser für uns so wichtigen Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen, und eventuell Truppen nach Orschowa zu entsenden, um, zusammen mit den Oesterreichern aber unter deutscher Führung einen unhaltbaren Zustand endlich zu beseitigen.


[v. Bronsart



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