1916-12-14-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1, ”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 1, til 31 Dec. 1916
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 12/14/1916
Telegramm-Ankunft: 12/30/1916
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 173
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/01/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 173

Konstantinopel, 14. Dezember 1916.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

Es zeigt sich jetzt, dass die in meinem Bericht Nr. CLXIX [169] vom 8. dieses Monats erwähnten Parlamentsprotokolle – oder zumindest die ersten von ihnen – wie gewöhnlich in gedruckter Form in einer Beilage des Gesetzblattes herausgekommen sind, und der Grund, weshalb wir sie nicht bekommen haben, ist der, dass sie gleich nach Beginn der Verteilung von der Polizei beschlagnahmt worden sind, welche auch fast alle der schon abgelieferten Kopien einsammelte.

Es gelang mir, in den Besitz eines Exemplars zu kommen, das der Polizei entgangen war und das Protokoll einer Sitzung enthielt, die am 27. November dieses Jahres im Senat stattfand, als die Antwort auf die Thronrede auf der Tagesordnung stand.

Die Senatoren Ahmed Riza Bey und der früherer Marine- und Kriegsminister Mahmoud Pascha erklärten bei dieser Gelegenheit ihr Missfallen über die Regierungspolitik besonders in Bezug auf die Protektion Persiens durch die Türkei und die Aufkündigung der Paris- und Berlinverträge [von 1856 bzw. 1878].

Sie wollten wissen, warum sich die Türkei für Persiens Unabhängigkeit einsetzte, ob die persische Regierung konsultiert worden sei und ihr Einverständnis gegeben habe u.s.w., worauf der Vorsitzende ausweichend antwortete, dass man das Verbleiben des Botschafters in Konstantinopel als stillschweigende Einverständniserklärung angesehen habe.

Was die Beendigung Kündigung der Verträge anbelangt, so sagten sie, sie glaubten nicht daran, dass dies der Türkei nutzen werde, da es sich um Verträge handelte, die ihre territoriale Integrität garantierten. Sie gaben zu, dass diese Verträge nicht immer Gebietsverluste verhindert hätten, behaupteten aber, dass sie immer noch die übrig geblieben Territorien garantierten.

Ahmed Riza Bey verurteilte in diesem Zusammenhang die Undankbarkeit der Regierung und ihre Kriegsführung gegen jene Länder, die bei früheren Gelegenheiten in der Stunde der Gefahr der Türkei zu Hilfe gekommen waren. Wenn diese Großmächte bei Sultan Mahmouds [Mahmud II] Tod und der Thronbesteigung von Sultan Abdul-Medjid [Abdulmecid I] nicht der Türkei geholfen hätten, sagte er, würde deren Dynastie nun Mehmed Ali Pascha heißen und nicht Al Osman, und 1853 wäre sie ein Vasall von Russland geworden, wenn der Krimkrieg und der Pariser Vertrag sie nicht gerettet hätte.

Hierauf antwortete der Außenminister [Halil Bey], dass die Unterzeichnermächte mit Ausnahme Deutschlands und Österreich-Ungarns längst die Teilung der Türkei beschlossen hätten, eine Aussage, gegen die Mahmoud Pascha protestierte und erklärte, er glaube nicht daran, dass eine Großmachtgruppe vor der Teilnahme der Türkei am Krieg ihre Teilung beschlossen habe, und dass er, wenn er diese seine Auffassung ändern solle, unumstößliche Beweise für die Richtigkeit der Behauptungen des Außenministers verlangen müsse.

Ahmed Riza Bey schloss sich Mahmoud Pascha an und merkte an, das es nicht richtig sei zu behaupten, dass die Türkei allen ihren Verpflichtungen aus den Verträgen nachgekommen sei und nur die Unterzeichnerstaaten dies nicht getan hätten.

Er hob hervor, dass es unter den Mitgliedern der jetzigen Regierung Mitglieder des Komitees gab, die seit 15 Jahren ihm gegenüber auf jede Art und Weise erklärten, dass die türkische Regierung ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Zusammen mit ihm hatten sie alle laut beklagt, dass es keine Gerichte in den Vilajets gebe, keine Polizei, keine Schulen, keine Gerechtigkeit und keine Sicherheit. Bis heute seien diese Dinge nicht in Ordnung gebracht worden. Aus vielen Gründen hatte die Regierung die Reformen nicht durchführen und andere Verpflichtungen nicht erfüllen können. Nichtsdestoweniger seien es, meinte Ahmed Riza Bey, diese Verträge, die die übriggebliebenen türkischen Territorien garantierten.

Besonders diese letzte Kritik hat zu den von mir oben beschriebenen Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Parlamentsprotokolle geführt.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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