1915-08-31-DE-006
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Quelle: DE/PA-AA/R 20191
Zentraljournal: 1915-A.S.-4586
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 08/31/1915 09:15 AM
Telegramm-Ankunft: 08/31/1915 10:20 AM
Praesentatsdatum: 09/01/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 359
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Pless, den 31. August 1915

Telegramm des Königs Konstantin an Se. Majestät den Kaiser:

Athen den 29. August 1915 6 Uhr Nachm.

Um persönlich etwas in der Hand zu haben, was meine Stellung erleichtern würde, und aus rein formellen Gründen, bitte ich Dich inständig, Befehl erteilen zu wollen, daß seitens Deiner Regierung meinem Gesandten, für mich persönlich, ein schriftlicher Auszug gegeben werde der sämtliche mir und meiner Regierung bis jetzt gemachten Versprechungen enthalte

1. Sicherheit für Zurückbehaltung der Inseln gemäß dem Londoner Vertrag

2. Protektion des griechischen Elements Kleinasiens während und nach dem Krieg

3. Finanzielle Hilfe während und nach dem Krieg

4. Zusicherung der territorialen Integrität

5. Das Hinterland von Salonik.

Bei dieser Gelegenheit bitte ich Dich inständigst in dem Fall wo serbisches Gebiet abgetreten werden würde, Deine Hand über Griechenland zu halten auf daß wir eine gute strategische Grenze mit Einschließung von Monastir und Ochrida erhalten können. [Anmerkung AA: Bemerkung des H.U.St. Zimmermann: „ausgeschlossen“]

Allein diese Zusicherung ist es hauptsächlich, die mich in den Stand setzen wird, in jedem künftigen, möglichen Falle, über meine Haltung sicher zu sein.

6. Einverleibung soviel albanischen Gebiets als Griechenland zu beanspruchen habe.

7. Versprechen über den Dokekanes.

Du kannst sicher auf mich rechnen, daß Griechenland auch in der Zukunft seine Politik der Neutralität bewahren werde. Gerade deshalb bedarf ich sowohl vorher als auch nachher Deiner mächtigen Hilfe, worauf ich mit Sicherheit rechne.

Ich bewundere Deine großartigen Truppen von ganzem Herzen.

Möge Gott auch künftig Deine Fahnen segnen.

Konstantin R.


[Treutler]
[Jagow 1.9. an Treutler (Nr. 1149)]

Auf Tel. Nr. 359.

ad 1. Schicksal der Inseln gemäß Londoner Vertrag bisher von Türkei nicht in Frage gestellt. Dieselben sind jetzt übrigens nicht von Türken sondern von England besetzt.

ad 2. Für Schutz des griechischen Elements sind wir bisher immer in Constantinopel eingetreten und werden es auch weiter tun, natürlich innerhalb der Grenzen unseres politischen Einflusses

ad 3. Finanzielle Hilfe haben wir früher Griechenland in Aussicht gestellt. Venizelos aber hat Anleihen in Frankreich aufgenommen. Wieweit finanzielle Hilfe während und nach dem Krieg möglich ist, hängt von unserer Leistungsgähigkeit ab, da wir zunächst eigene Bedürfnisse und die unserer Bundesgenossen decken müssen. Es hängt auch von dem Bedarf Griechenlands ab, das bisher mit betreffenden Wünschen noch nicht an uns heran getreten ist.

ad 4. „Territoriale Integrität“ haben wir Griechenland bisher noch nie zugesichert, nur allgemein unsere dahingehenden Bemühungen zugesagt, wenn Griechenland neutral bleibt.

ad 5. S.M. der König hatte bisher seinen Wunsch auf Doiran und Gewgeli beschränkt. Dieses hoffen wir in Sofia durchzusetzen mit der Maßgabe des dortigen Vorschlages, daß beide während des Krieges weder von Griechen noch Bulgaren besetzt werden und nach dem Kriege an Griechenland fallen. In Sofia mehr durchzusetzen, namentlich Monastir und Ochrida, erscheint ausgeschlossen, wenn wir unsere Verhandlungen mit Bulgarien nicht ernstlich gefährden wollen. Auch das heutige Telegramm des Herzogs Johann Albrecht beweist dies, wonach Radoslawow seine Vorschläge betr. Doiran und Gewgeli aus Rücksicht auf Macedonien bereits zurückziehen wollte.

ad. 6 Wir haben Griechenland für Neutralität südalbanisches Gebiet in Aussicht gestellt.

ad 7. Er wird diesseits S.M. dem König vorgeschlagen werden, daß wir uns für Abtretung des Dodecanes in Constantinopel bemühen wollen, falls Griechenland neutral bleibt. Eine bestimmte Antwort hierauf war uns bisher nicht zugesprochen. Eine Sondierung in Constantinopel ist deshalb und auf Rat des K. Botschafters bisher unterblieben, da Fürst Hohenlohe Ansicht vertritt, daß wir vor Abschluß der türkisch-bulgarischen Verhandlungen an die Türkei nicht mit der Zumutung eines zweiten Opfers herantreten dürften. Wir könnten meines Erachtens nur zusagen, daß wir uns in Constantinopel dafür bemühen würden.

Wir drängen auf Abschluß unserer Verhandlungen mit Bulgarien und können nicht mit neuen Verhandlungen viel Zeit verlieren. Meines Erachtens sollte Griechenland daher keine neuen Forderungen stellen, sondern angesichts der Lage seine Neutralität zusagen, und sich nicht in das Abenteuer eines Krieges gegen Bulgarien stürzen, bei dem es eventuell Kawalla an Bulgarien und die Inseln an die Türkei verlieren kann.

Abgesehen von S.M. dem König ist Haltung Griechenlands (namentlich Herrn Venizelos) übrigens ententefreundlich gewesen. Serbien wird über Salonik mit Munition versorgt und Inseln dienen England als Flottenbasis. Wenn wir trotzdem Griechenland gegenüber so wohlwollend geblieben sind, geschah dies mit Rücksicht auf schwierige Stellung und freundschaftliche Haltung des Königs.



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