1913-08-08-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 14081
Zentraljournal: 1913-A-16335
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Praesentatsdatum: 08/10/1913 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow)

Privatschreiben


Therapia, den 8. August 1913

Abschrift.

Lieber Herr von Jagow,

pp.

Was die armenische Reform anbetrifft, so bin ich von Anfang an bemüht gewesen, vermittelnd zu wirken. Österreich und Italien wollten sich ja zuerst nicht einmal auf eine Diskussion des Projekts Mandelstam einlassen. Wir sind nunmehr bei den Besprechungen in so vielen Punkten zu einer Einigung gelangt, dass sich daraus wohl ein Vermittlungsprogramm konstruieren liesse. In den entscheidenden Punkten können wir freilich nicht nachgeben; aber selbst wenn wir es tun wollten, würden Österreich und Italien sich auf das Schärfste widersetzen, da sie ja, mangels genügenden Anspruchs auf Berücksichtigung bei der Teilung, mehr als wir an der Erhaltung der Türkei interessiert sind. Andererseits sehe ich nicht, dass Russland von seinem Projekte etwas ablassen will. Vorläufig lässt Giers in den armenischen Zeitungen Artikel veröffentlichen, die, auf genauer Kenntnis der Sitzungsprotokolle beruhend, die Schuld an dem Scheitern seiner edlen Absicht uns zuschreiben. Ich frage mich gelegentlich, ob Russland es mit den Reformen überhaupt ernst meint. Seine Initiative steht im Widerspruch mit der russischen Tradition, die ja gerade eine Besserung der türkischen Zustände verhindern will, damit Russland den Vorwand zur Einmischung behält. Da Russland sein Verbot, in Armenien Eisenbahnen und Wege zu bauen, aufrecht erhält, so sind Zweifel an der Ehrlichkeit seiner Reformpläne wohl berechtigt, von denen Herr von Giers wissen musste, dass sie auf den starken Widerstand anderer Mächte stossen würden. Augenblicklich weilt hier Dr. Lepsius, der bekannte Armenierfreund. Er hat grossen Einfluss auf die Armenier und versucht in diesem Augenblicke, die letzteren dahin zu bringen, dass sie sich angesichts der schweren Durchführbarkeit des russischen Projekts an die Botschaft mit der Bitte wenden, wenigsten für eine Durchführung und Verbesserung des türkischen Projekts Sorge zu tragen. Eine solche armenische Demarche würde eine Erleichterung für die meisten Mächte bedeuten, auch für England. Behält Russland die Armenier unter seiner Kontrolle, so wird es die Frage wohl vorläufig offen halten, um zu dem geeigneten Zeitpunkt aus der Situation seine Konsequenzen zu ziehen. Jedenfalls ist die Lage undurchsichtig, und bedarf aufmerksamer Beobachtung. Bei aller Anerkennung Sazonows traue ich den hiesigen Russen nicht über den Weg. Augenblicklich spricht Giers nicht von den Armeniern, da er noch auf ein europäisches Mandat an Russland spekuliert.

pp.


[Wangenheim]



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