1915-03-13-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 22404
Zentraljournal: 1915-A.H.-1031
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 03/17/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 11
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann) an den AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler)

Erlaß



Nr. 11.

Berlin, den 13. März 1915.

Euerer Exzellenz beehre ich mich anbei zu übersenden:

1) drei Aufzeichnungen des Herrn Riese vom November-Dezember v.J. über die Möglichkeiten einer Beschleunigung des Bagdadbahnbaus. [liegt nicht bei, aber enthalten in Dok. 1915-03-19-DE-005)]

2) zwei Telegramme des Kaiserlichen Botschafters in Konstantinopel vom 12. und 28. v.M. über die Notwendigkeit einer schleunigen Herstellung der Verbindung Konstantinopel - Aleppo. [Dok 1915-02-12-DE-001 und 1915-02-28-DE-001]

3) einen Bericht des Freiherrn von Wangenheim vom 1. d.M. nebst Gutachten der militärischen Stellen in Konstantinopel; [Dok 1915-03-01-DE-001, Anlagen 1 bis 3]

4) eine den veränderten Verhältnissen angepaßte vierte Aufzeichnung des Herrn Riese vom 5. d.M. über den gleichen Gegenstand; [Anlage 1]

5) eine Äußerung des Herrn Riese zu den Gutachten des Generals Liman von Sanders und des Oberstleutnants Boettrich. [Anlage 2]

Die zu 1 und 2 aufgeführten Schriftstücke liegen der obersten Heeresleitung bereits vor und werden lediglich zu Euerer Exzellenz gefälligen Orientierung beigefügt. Von den übrigen Anlagen wollen Euere Exzellenz je zwei Abdrücke dem General von Falkenhayn mit dem Bemerken übermitteln, daß wir den schleunigen Ausbau der Strecke bis Aleppo in der einen oder anderen Form vom politischen Standpunkte nur aufs wärmste befürworten können. Voraussetzung für die Durchführbarkeit der sämtlichen in Vorschlag gebrachten Projekte wäre allerdings, daß in absehbarer Zeit mit der auch aus anderen Gründen erwünschten Freimachung des Transportweges durch den Nepotiner Kreis gerechnet werden kann.

Die Reichsfinanzverwaltung dürfte, wie ich vertraulich bemerke, wegen der Kosten voraussichtlich keine Schwierigkeiten machen.

Der Herr Chef des Stellvertretenden Generalstabes der Armee und der Herr Stellvertretende Kriegsminister sind von hier aus mit der Angelegenheit bisher nicht befaßt worden, könnten aber, falls Exzellenz von Falkenhayn dies im Interesse der dringend gebotenen Beschleunigung wünscht, auf telegraphisches Ersuchen jederzeit mit Abdrücken des anliegenden Materials versehen werden.

Einer baldigen Mitteilung über die Stellungnahme der Obersten Heeresleitung darf ich ergebenst entgegensehen.


Zimmermann
Anlage 1
Frankfurt a.M., den 3. März 1915

A 9163

Abschrift.

IV. Im Abschnitt III der Ermittelungen über die eventuelle Benutzung der noch nicht fertiggestellten Strecken der Bagdadbahn für Militärtransporte (Bericht vom 12. Dezember 1914) ist in Aussicht genommen worden:

a) Auto-Lastwagenbetrieb auf der Strecke Bozanti-Gulek-Bogaz

b) provisorische Herstellung der Strecke Mamouré-Islahié, so zwar, dass der Betrieb mit Rollmaterial der Bagdadbahn etwa von Mitte November 1915 ab erfolgen kann.

Voraussetzung für die Durchführbarkeit dieses Bauprogramms war, abgesehen von den in Abschnitt I (vom 23.11.1914) gemachten Annahmen (regelmässige Transporte von Constantinopel nach Karapounar beziehungsweise Bozanti, Möglichkeit der Beschaffung aller Beamten, Arbeiter, Geldmittel, Materialien pp.) alsbaldiger, also etwa Ende Dezember 1914 beginnender Beginn des vollen Arbeitsbetriebes.

Dieses Programm kann jetzt nicht mehr eingehalten werden und zwar:

1.) wegen der Verzögerung in der Entscheidung über den Beginn der dazu erforderlichen Bauarbeiten und

2.) wegen der durch die Hochwasserschäden im November/Dezember verursachten sehr erheblichen Mehrarbeiten.

Das Ziel, im militärischen Interesse möglichst bald ausgiebige Transporte von Constantinopel nach Aleppo durchführen zu können, lässt sich jedoch auch jetzt noch erreichen, wenn rasch ein Entschluss gefasst wird, und zwar durch folgende Massnahmen, wobei den weiterhin genannten Terminen die Annahme zu Grunde liegt, dass bis zum 15. März 1915 die Durchführung des skizzierten Programms beschlossen wird.

A. Strecke Mamouré-Islahié.

Da die Fertigstellung des grossen Tunnels bei Bagtsche und der beiderseitigen Rampen bis zum Spätherbst 1915 aus den angegebenen Gründen unmöglich ist, bleibt nur der Ausweg:

a) die schmalspurige (60 cm) Dienstbahn, die jetzt von Mamouré bis Airan besteht, für die Aufnahme grösserer Militärtransporte auszubauen, sie nach erfolgtem Durchschlag des Bagtsche-Tunnels bis Islahié durchzuführen und das für den Betrieb noch nötige Rollmaterial zu beschaffen.

b) gleichzeitig den Bau der Rampenstrecken und des Bagtsche-Tunnels intensiv aufzunehmen, um möglichst bald die normalspurige Verbindung Mamouré-Islahié betriebsfähig zu machen.

zu a) Die Dienstbahn könnte, sofern der Stollen des Bagtschetunnels im Juni durchgeschlagen wird, was machbar erscheint, bis zum Oktober 1915 bis Islahié benutzbar sein. . Die Leistungsfähigkeit dieser Schmalspurbahn wird, wenn lediglich das jetzt vorhandene Inventar an Lokomotiven und Wagen zur Verfügung steht, bei voller Zugbelastung 30 t pro Tag auf die Dauer nicht wesentlich übersteigen. Auch diese Leistung ist nicht für längere Zeit gesichert, weil die vorhandenen Lokomotiven, die schon mehrere Jahre im Dienst sind, wahrscheinlich häufig werden Ausbesserungen bedürfen und andererseits, weil die Tragkraft der Wagen der einzelnen Züge erfahrungsgemäß nicht immer ausgenützt werden kann. Die Leistungsfähigkeit der Dienstbahn kann aber ganz bedeutend gesteigert werden, wenn weiteres Rollmaterial beschafft und die für den Verkehr einer grösseren Zugzahl erforderlichen Kreuzungsstellen angelegt werden, was möglich ist. Nach den angestellten Berechnungen könnte auf diese Weise eine Tagesnutzleistung von bis zu etwa 250 t bei voller Zugbelastung - je nach dem Umfang des neu beschafften Rollmaterials - erreicht werden. Da es nicht nur erwünscht, sondern vielleicht sogar notwendig sein wird, mit der Dienstbahn nicht nur die für den türkischen Heeresbedarf bestimmten Güter, sondern zeitweilig auch noch solche für den Bahnbau und für den Betrieb der Bagdadbahn jenseits von Amanus und eventuell auch der syrischen Bahnen zu befördern, wird es sich empfehlen, von vornherein auf Erzielung einer hohen Leistungsfähigkeit der Bahn hinzuwirken, also vor allem genügend Rollmaterial zu beschaffen.

Die Betriebskosten für den Dauerbetrieb werden sich auf etwa 1,0 Frcs f. d. t./km stellen.

zu b) Es ist anzunehmen, dass die Dienstbahn in der Zeit von Oktober 1915 bis April 1916 so stark von der Militärverwaltung beansprucht werden wird, dass sie für den Bau der Rampen und des grossen Tunnels nicht oder nur in geringem Masse benutzbar sein dürfte. Hierdurch wie auch schon durch den Ausbau der Dienstbahn, die teilweise das noch unfertige Hauptbahn-Planum benutzen muss, entsteht eine erhebliche Störung des Bagdadbahnbaues, die eine Verlängerung der Bauzeit und eine Erhöhung der Baukosten der Hauptlinie zur Folge hat. Die planmässige Fortführung der Arbeiten im Bagtsche-Tunnel, die schon durch die im Interesse der Herstellung der Dienstbahn gebotenen Dispositionsänderungen gestört wird, ist während des Betriebes der Dienstbahn für Militärzwecke - wenn überhaupt - nur ausserhalb der Betriebsstunden der Dienstbahn in beschränktem Umfange möglich.

Trotz dieser Schwierigkeiten muss erstrebt werden, den weiteren Ausbau des grossen Tunnels und der anschließenden Rampenstrecken mit allen Kräften zu fördern, einerseits, weil es aus verschiedenen Gründen ratsam ist, den nur provisorischen Charakter tragenden Dienstbahnbetrieb sobald als möglich durch den definitiven Normalbetrieb zu ersetzen, andererseits , weil sonst für den erst nach Beendigung der Militärtransporte intensiv fortzuführenden Bau der Bagdadbahn eine weitere Verlängerung der Bauzeit und erhebliche Mehrkosten entstehen würden.

Nach den angestellten Erhebungen wird es sich - falls nicht besonders ungünstige Verhältnisse eintreten - ermöglichen lassen, bis Juni 1916 die Teilstrecke Mamouré-Bagtsche und bis Mitte Oktober 1916 die Teilstrecke Bagtsche-Islahié zum Teil unter Benutzung provisorischer Einrichtungen soweit fertigzustellen, dass normale Züge der Bagdadbahn bis Aleppo durchgeführt werden können. [Hierbei ist vorausgesetz, dass in der Zeit von April bis Oktober 1916, militärische Transporte die Dienstbahn nicht oder nur in sehr geringem Umfang n Anspruch nehmen.] Die dann noch verbleibenden Restarbeiten werden bis zum Frühjahr 1917 vollendet werden können, wenn nicht in den Wintermonaten 1916/17 die Arbeiten durch den Bahnbetrieb zu stark behindert werden.

B.) Strecke Karapounar-Dorak.

In Abschnitt III der früheren Darlegungen war als Ersatz für diese Teilstrecke zur Durchführung von Militär-Transporten von Baugütern die Verwendung von Auto-Lastwagen auf der Landstrasse Bozanti-Gulek-Bogaz in Aussicht genommen und zwar mit einer Leistungsfähigkeit von 60 bis 120 t per Tag. Durch Vermehrung des Wagenparks läßt sich diese Leistungsfähigkeit steigern. Es wird sich empfehlen, sie zu der Höhe zu bringen, die für die Dienstbahn Mamouré-Islahié als Minimal-Leistung bestimmt wird. Der Lastwagenbetrieb könnte schon im Sommer beginnen und dazu dienen, bis zum Oktober 1915 schon erhebliche Vorräte nach Gulek-Bogaz zu schaffen.

Immerhin wird der Auto-Lastwagenbetrieb auf der bestehenden Landstrasse mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft sein, die sich in den Wintermonaten in sehr unliebsamer Weise erhöhen dürften. Die Vorsicht gebietet daher m.E. sich auf diesen Betrieb und die ergänzenden Kameel-Transporte allein nicht zu verlassen, sondern von vornherein darauf bedacht zu sein, möglichst bald einen provisorischen Bahnbetrieb zwischen Karapounar und Dorak einrichten zu können.

Nach den erneut angestellten Ermittlungen läst sich dies dadurch erreichen, dass alsbald die Herstellung einer Schmalspurbahn von 60 cm Spurweite zwischen Karapounar und Dorak beschlossen wird, deren Fertigstellung bis Oktober 1916 erreichbar sein dürfte, wenn nicht besonders ungünstige Verhältnisse störend einwirken.

Der Bauvorgang würde sich so abspielen, dass

a) auf der Strecke von Karapounar (km 292) bis Hadjkiri (km 306) die Tunnels möglich rasch durchgeschlagen und auf eine Lichtbreite von 3,3 m Breite und 3,8 m Höhe gebracht werden, dass ferner die Brücken teils definitiv teils provisorisch hergestellt und das Schmalspurgleis von Karapounar bis Hadjkiri aus durchgelegt wird,

b) auf der Strecke von km 306-311 und von Dorak (km 329) bis km 323 das definitive Bahnplanum hergestellt und mit der Schmalspurbahn belegt wird,

c) auf der Strecke von km 311 bis km 325 die Schmalspurbahn auf eigenes Planum unter Benutzung der vorhandenen Strasse gelegt wird,

d) anstelle des Giaur-Deré-Viaduktes eine provisorische Umfahrung mit Brücke ausgeführt wird.

Diese Schmalspurbahn würde also im Oktober 1916, mithin zu demselben Zeitpunkt benutzbar sein, wo nach dem unter A. Gesagten der definitive Bahnbetrieb auf der Amanusstrecke eröffnet wird. Da hiermit die Dienstbahn zwischen Mamouré und Islahié ausser Betrieb kommt, so könnte das gesamte Rollmaterial dieser Dienstbahn für die Schmalspurbahn Karapounar-Dorak verwendet werden, sodass Neubeschaffungen in erheblichem Umfange sich dürften vermeiden lassen.

Sehr zweckmässig wird es sein, auf der Strecke von km 311 - 323 alsbald auch den definitiven Unterbau inAngriff zu nehmen, insbesondere den Bau der kurzen aber schwierigen Tunnels.

Unter günstigen Verhältnissen: (gute Gebirgsbeschaffenheit, genügende Zahl von Mineuren, Arbeitern, Aufsichtspersonal, gute Zuführung von Baustoffen) könnte es sich dann vielleicht sogar erreichen lassen, im Spätherbst 1916 die normalspurige Verbindung von Karpounar bis Hadjkiri u. evtl. bis Dorak fertig zu bringen, was im Interesse der Versorgung der Bagdadbahn mit normalem Rollmaterial von nicht zu unterschätzender Bedeutung wäre.

C.) Kosten

Die aus der Durchführung der unter A. und B. vorgeschlagenen Massnahmen entstehenden Kosten lassen sich unter den derzeitigen Verhältnissen mit genügender Sicherheit nicht veranschlagen. Unverbindlich werden sie auf Grund der erneut angestellten Erhebungen wie folgt geschätzt:

1.) Für die Strecke Mamouré-Islahié einschliesslich des Ausbaues der Dienstbahn und der Beschaffung des Rollmaterials (für rd. 250 t Tagesleistung). 24,8 Mill. Frs.

2.) Für Einrichtung des Lastwagenbetriebs zwischen Bozanti und Gulek-Bogaz


3.) Für die Herstellung der Schmalspurbahn Karapounar-Dorak gemäss B (a) bis (d) 13,5 Mill Frs.

Zu 1 - 3 treten noch die laufenden Betriebskosten der ausgebauten Dienstbahn, des Auto-Lastwagen-Betriebes und der Schmalspurbahn im Taurus.

4.) Für die unter B) am Schluß erwähnte Ausführung des definitiven Unterbaus der Strecke von km 311 - 323, werden in der bis zur Vollendung der Schmalspurbahn Karapounar (Oktober 1916) gebraucht werden rd. 2,0 Mill. Frs.

5.) Zu den unter Ziffer 1 - 4 aufgeführten Kosten tritt noch ein Zuschlag für Unternehmergewinn und eventuell für Bauzinsen.

Nicht enthalten ist in den Kostenschätzungen eine Bewertung der Nachteile, die der Bagdadbahn erwachsen durch die im Interesse der Durchführung der Militärtransporte gebotene wesentliche Aenderung ihrer ganzen Baudisposition.

Es wird angenommen, dass die türkische Regierung sich hierüber, wie auch über die ganze Frage des künftigen Weiterbaus der Bagdadbahn mit der Bagdad-Eisenbahn-Gesellschaft besonders verständigen wird.

D.) Wenn das skizzierte Programm durchgeführt wird, könnte erreicht werden, dass:


E) Bedingungen für die Durchführung des unter A. und B. skizzierten Programms.

1.) In erster Linie erforderlich ist, dass:


2.) Es müssen die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, so zwar, dass:
3.) Eine Gewähr für die Einhaltung der unter C. geschätzten Kostenbeträge und der in Aussicht gestellten Vollendungstermine kann unter den derzeitigen Verhältnissen nicht übernommen werden.

F. Veränderte Grundlagen für das Bauprogramm.

Das unter A. und B. skizzierte Programm gründet sich auf die Annahme, dass es im militärischen Interesse durchaus erforderlich ist, in den Wintermonaten 1915/16 grössere Transporte mittels der Bahn (Dienstbahn) über den Amanus nach Islahié und weiterhin zu bringen. Sollte die türkische Heeresleitung aber zu der Ansicht gelangen, dass eine erfolgreiche Aktion gegen Aegypten mangels genügender Vorbereitungen doch erst in den Wintermonaten 1916/17 einsetzen kann, so könnte man sich vielleicht darauf beschränken bis zur Fertigstellung der Vollbahn die Transporte über den Amanus auf dem Landwege (Lastwagen und Kameele) bis Islahié zu befördern. Der Ausbau der Dienstbahn und der damit verknüpfte Zeitverlust für die Fertigstellung der Hauptbahn Mamouré-Islahié könnte dann vermieden werden. In diesem Falle könnte die Hauptbahn schon im Juli 1916 betriebsfähig sein, und die Kosten des Ausbaus der Dienstbahn einschliesslich des neuen Rollmaterials (rd. 2,5 Mill Francs) liessen sich ersparen.


[Riese]


Anlage 2

A 9164

Abschrift.

Gesellschaft für den Bau von Eisenbahnen in der Türkei


Frankfurt a/M., den 11. März 1915

Vertraulich

An den Verwaltungsrat der Bagdad-Eisenbahngesellschaft, Berlin.

Das Ihnen bereits bei unserer letzten Besprechung in Berlin in den Grundzügen mitgeteilt Programm für die Durchführung von Militärtransporten von Karapounar bis Aleppo habe ich inzwischen als Projekt IV schriftlich niedergelegt. Ich übersende Ihnen anbei 3 Ausfertigungen dieser Niederschrift zur gefl. Kenntnis.

Die mir mit Ihrem Schreiben vom 9. d.M. übersandten Berichte der Militärmission in Konstantinopel und des Oberstleutnant Boettrich veranlassen mich nicht Aenderungen meines bereits fertiggestellten Projekts IV vorzunehmen. Dagegen möchte ich zu diesen aus Konstantinopel eingegangenen Berichten folgendes kurz bemerken:

1) Zunächst erscheinen mir die Ansichten des Herrn Liman von Sanders und des Herrn Böttrich sehr weit auseinanderzugehen. Herr Liman glaubt mit einem Lastautoverkehr über den Taurus einerseits und über den Amanus andererseits auskommen zu können und zwar mit Transportmengen von nur 30 t/Tag. Von einer Benutzung der Bagdadbahn zwischen Karapounar und Islahié will er anscheinend absehen, vermutlich weil er glaubt, dass die Bahn zu spät benutzbar wird. Er rechnet also, wie mir scheint damit, dass die Aktion gegen Aegypten in den Wintermonaten 1915/16 durchgeführt werden soll und kann. Herr Böttrich scheint mir dagegen der Ansicht zu sein, dass eine erfolgreiche Aktion gegen Aegypten doch erst in den Wintermonaten 1916/17 möglich ist, denn er gibt an, dass die Bahn von Sebastié in der Richtung auf den Suezkanal erst im Oktober 1915 und bis Bir el Zahar und etwa im Januar 40 km weiter , also nahe der ägyptischen Grenze angelangt sein wird, es fehlen dann noch über 200 km durch keineswegs sehr einfaches Gelände bis zum Suez-Kanal. Er hält ferner die Benutzung der Bahn über den Amanus für durchaus erforderlich und rechnet damit, dass diese Verbindung bis zum Frühjahr 1916 geschaffen werden kann. Ferner betont er, und wie ich glaube mit Recht, dass es sich nicht nur um die Durchführung reiner Militärtransporte, insbesondere Munition und Verpflegung, sondern auch um die Zuführung von Kohlen und anderer Betriebsmaterialien für die syrischen Bahnen bezw. die Bagdadbahn und ev. noch von Rollmaterial handelt. Wenn dies nötig ist, so genügen keineswegs Transportmittel für eine Leistungsfähigkeit von 30 - 40 t, wie Herr Liman von Sanders angibt, sondern es muss eine wesentlich grössere Leistungsfähigkeit geschaffen werden, die sich m.E. nicht durch Benutzung von Auto-Lastwagen, sondern nur durch Herstellung einer Bahnverbindung erreichen lässt. Hierfür könne nur die in meinem Projekt IV unter A, B und F skizzierten Vorschläge in Betracht kommen.

2) Herr Liman von Sanders spricht sich neben den von mir vorgeschlagenen Last-Autoverkehr über den Taurus auch noch für einen solchen Verkehr über den Amanus aus, der übrigens auch schon in meinem Projekt I angeregt wurde. Der Landweg von Mamuré und Entilli ist sehr schlecht und die Herstellung einer einigermassen brauchbaren Automobilstrasse wird in kurzer Zeit sich nicht durchführen lassen. Der Weg steigt von Mamouré (Höhe rd. 200 m) bis auf 1300 m Höhe und fällt dann bis Entilli (Höhe rd. 700 m). Von Entilli bis bis Islahié besteht überhaupt keine Strasse, sodass diese etwa 20 km lange Strecke vollkommen neu trassiert und ausgebaut werden müsste. Ich fürchte, dass der Ausbau einer Automobilstrasse auf der rd. 45 km langen Strecke von Mamouré bis Islahié, wobei umfangreiche Erdarbeiten und zahlreiche Brückenbauten zu bewältigen sind, bis zum Ablauf dieses Jahres sich kaum wird erreichen lassen; in keinem Fall aber dann, wenn man den Bau der türkischen Militärverwaltung überlassen wollte, der es an allen Hilfsmitteln, Werkzeugen, Organisation usw. fehlt. Dieser Ansicht schliesst sich Herr Oberingenieur Winckler, den ich gestern hier befragen konnte, vollkommen an. Sollte aber auch die Automobilstrasse über den Amanus bis zum November oder Dezember fertig werden, so würde doch, wegen des auf den Amanushöhen zu erwartenden Schnees, in den Monaten Dezember, Januar und Februar eine Sicherheit für die Durchführung des Verkehrs nicht gegeben sein. Die Automobilstrasse würde daher zuverlässige Dienste nicht mehr für den Feldzug im Winder 1915/16, sondern nur für die Vorbereitung der Aktion im Winter 1916/17 leisten.

Uebrigens ist der Auto-Lastwagenverkehr auf den Gebirgsstrassen im Taurus und Amanus nicht leicht zu organisieren. Es genügt nicht, Lastautomobile hinzuschaffen, sondern es ist absolut notwendig, dass nur äussest tüchtige und zuverlässige Kraftwagenführer aus Deutschland verwendet werden, dass ferner Spezialingenieure und Werkstätten für die sorgfältige Unterhaltung der Lastwagen besorgt werden, um zu verhüten, dass die kostspieligen Lastwagenzüge bald unbrauchbar werden, und empfindliche Störungen in dem ganzen Betriebe eintreten.

Ich glaube, dass man für den Lastwagenbetrieb über den Taurus die erforderlichen Einrichtungen wird treffen können, halte es aber für schwierig, sie auch gleichzeitig für den Amanus zu beschaffen und durchzuhalten.

3) Zu dem Bericht des Herrn Böttrich möchte ich noch folgendes kurz bemerken:

Als Hauptvoraussetzung des Gelingens bezeichnet Herr Böttrich:


Diese Forderungen sind gewiss berechtigt, aber wie und in welcher Zeit lassen sie sich erfüllen? Jedenfalls nicht so frühzeitig, dass eine militärische Aktion mit einer gewissen Sicherheit des Erfolges schon im Winter 1915/16 einsetzen könnte.

Seine weitere Voraussetzung, dass die Bahn von Radjou bis Islahié bis zum Oktober 1915 betriebsfähig wäre, ist, wie aus meinem Projekt IV ersichtlich, erfüllbar, ebenso lässt sich über die Dienstbahn, wie er annimmt, zwischen Mamouré und Islahié bis zum Oktober 1915 fertigstellen . Dagegen kann die Vollbahn durch den Amanus frühestens erst im Oktober 1916 (vergl. Projekt IV, Abschnitt F) fertiggestellt werden.

4.) Herr Liman von Sanders sagt mit Recht, dass es notwendig sei, eine Entscheidung bald zu treffen und die nötigen Schritte einzuleiten.


Hochachtungsvoll
[Riese]



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