1916-11-09-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14094
Zentraljournal: 1916-A-34247
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 216
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an die Gesandtschaft Den Haag

Erlaß



No. 216
Berlin, den 9. November 1916.

Geheim!

Nach der im Auszug anliegenden Zuschrift aus Holland soll Dr. Lepsius behaupten, daß seine türkenfeindliche Propaganda vom Herrn Reichskanzler und vom AA. gebilligt und unterstützt werde. Ferner soll er die Behauptung aufstellen, im direkten Auftrage des Reichskanzlers und des AA.’s Verbindungen mit englischen Staatsmännern angeknüpft zu haben, um unter Ausnützung der armenischen Frage eine Verständigung mit England auf Kosten der Türkei zu erzielen.

Ew.pp. wollen Herrn Lepsius unter mündlicher Verwertung des Inhalts der Anlage darüber vernehmen, ob er wirklich die ihm zugeschriebenen, mit den Tatsachen im Widerspruch stehenden Aeusserungen getan hat. Sollte er dies, wie zu erwarten, in Abrede stellen, so bitte ich seine Aussage zu Protokoll nehmen und von ihm unterschrieben einzureichen. Andernfalls bitte ich zunächst zu berichten.

Zu Ew.pp. ausschliesslich persönlicher, streng vertraulicher Orientierung bemerke ich, dass Dr. Lepsius der Kaiserlichen Regierung mit seiner armenischen Propaganda fortgesetzt schwere Ungelegenheiten bereitet. Die Kais. Reg. hat es sich zwar seit Beginn des Krieges angelegen sein lassen, durch nachdrückliche Vorstellungen bei der Pforte und durch andere Maßnahmen auf eine Milderung des Loses der Armenier hinzuwirken. Sie steht jedoch auf dem durch zahlreiche Vorkommnisse bestätigten Standpunkt, daß eine Propaganda in der Öffentlichkeit, zumal wenn sie von Ausfällen gegen die Türkei begleitet ist, ganz abgesehen von den uns daraus erwachsenden Nachteilen, den Armeniern selbst nichts nützt, sondern schadet. Herrn Lepsius ist dieser Standpunkt bekannt. Er weiss daher, dass seine Agitation vom R.K. und vom AA. aufs schärfste gemissbilligt wird, und befindet sich dieserhalb seit geraumer Zeit in offener Opposition zur Regierung. Um ihm seine Propagandareisen zu erschweren, ist der Regierungspräsident in Potsdam unterm 8. August d.J. ersucht worden Verfügung zu treffen, dass Anträge des Herrn Lepsius auf Ausstellung von Sichtvermerken für die Schweiz abgelehnt werden. Unterm 20. September wurde dies Ersuchen auf Pässe und Sichtvermerke für das gesamte Ausland ausgedehnt. Die Reise nach Holland ist Herrn Lepsius dadurch möglich geworden, daß er sich vom Polizeipräsidium in Potsdam schon vorher einen bis Ende Januar 1917 gültigen Pass nach dem Auslande verschafft hatte. Da seine Agitation die Reichsinteressen in hohem Masse schädigt, fragt es sich, wie etwa seinem Aufenthalt in Holland schon vorher ein Ende gemacht werden könnte. Soweit hier bekannt, hält sich Dr. Lepsius in einem Badeort an der holländischen Küste auf. Da sich das Küstengebiet im Belagerungszustand befindet, ist es vielleicht möglich, die niederländische Regierung unter der Hand zu veranlassen, Lepsius aus “militärischen Gründen” nach Deutschland abzuschieben. Allerdings dürfte nicht bekannt werden, dass die Anregung zu dieser Maßnahme von der Kaiserlichen Regierung ausgeht. Ew.pp. bitte ich, sich zunächst hierzu zu äußern.


J[agow]



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