1914-09-19-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 1914
Zentraljournal: 1914-A-22967
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 09/20/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 834
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 834

Therapia, den 19.9.1914

Generalstabschef telegraphiert an Marschall Liman, er möge die Admiräle dahin beeinflussen, daß sie Türkei zum Losschlagen gegen Rußland brächten. Telegramm klingt, als ob Admiräle, die in engster ... (Gruppe fehlt) [Berlin: „Fühlung“] mit mir stehen, im Hauptquartier als weniger kriegslustig gälten als Liman. In Wirklichkeit machen Liman, Admiräle und ich fortwährend allein und gemeinsam die äußersten Anstrengungen, um Türkei in Bewegung zu setzen. Ausfahrt der Flotte war bereits angesagt. Admiral Souchon war der geheime Auftrag zugedacht, eine ihm etwa begegnende russische Flotte anzugreifen. Inzwischen sind aber Details über die österreichische Niederlage in Galizien bekannt geworden. Dazu kommt der ungeheure Eindruck der französischen Offensive, während man bereits auf den Fall von Paris rechnete. Die Sofioter Auffassung, daß vorläufig abgewartet werden müsse, hat sich hierher mitgeteilt. Außerdem ist Halil mit sehr üblen Eindrücken aus Bukarest zurückgekehrt. Der Einfluß der Zentralmächte sei dem rollenden Rubel dort nicht gewachsen. König sei machtlos. Eine Garantie, daß Rumänien Bulgarien nicht angreife fehle. Enver wird daher mit seinen Kriegsplänen täglich mehr isoliert, auch unter den Offizieren. Man zweifelt, ob Deutschland gewinnen werde. Nur mit Staatsstreich könnte Enver die Hindernisse beseitigen, daß ein solcher glücken könnte, heute zweifelhafter als vor 10 Tagen. Izzet Pascha sagte zu Liman: „Wir stehen fest zu Ihnen. Aber ein Selbstmörderopfer können Sie von uns nicht verlangen. Auch Deutschland hat sich in den Nöten des Balkankriegs nicht für uns geopfert. Siegen Sie irgendwo, so daß wir an Ihren endgültigen Erfolg glauben können, dann werden Bulgarien und wir losgehen.“

Admiral Souchon hat heute im Einverständnis mit mir, Enver und Großvesir erklärt, daß er nicht hier sei, um Komödianten zu spielen. Er verlange, daß die Flotte zu Übungszwecken ins Schwarze Meer ausfahre. Eventuell würde er ohne Befehl fahren, wenigstens mit den deutschen Schiffen. Infolgedessen ist, wie ich vertraulich erfahre, Kabinettskrise ausgebrochen.


[Wangenheim]



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