1914-11-22-DE-004
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1914-11-22-DE-004
Quelle: DE/PA-AA/R 20173
Zentraljournal: 1914--
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Militärbericht Nr. 157
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Militärattaché in Bukarest (Günther Bronsart von Schellendorff) an das Preußische Kriegsministerium

Bericht



Militär-Attaché No. 157.

Bukarest, den 22. November 1914

Abschrift.

Rumänien, betrifft: Russische Donautransporte.

Die russischen Donautransporte für Serbien haben in den letzten Tagen einen gefährlichen Umfang angenommen. Gestern Abend wurden in Giurgiu 6 russische Schlepper mit im ganzen 22 schwerbeladenen Kähnen und 6, zum Teil mit Geschützen armierte Dampfer auf der Fahrt Donauaufwärts gesichtet. Ob dieser Transport auch Truppen oder nur Proviant und Kriegsmaterial befördert, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Es liegen von verschiedenen Seiten glaubwürdige Nachrichten vor, welche besagen, daß Rußland 30000 Mann Hilfstruppen nach Serbien entsenden will. Nach einer anderen Meldung kommt es Rußland vor allem darauf an, noch ehe die Donau zufriert, den Serben Proviant und Munition für den Winter zuzuführen. Die schwere Ladung der Kähne deutet eher darauf hin, daß der Transport dieses Mal keine Truppen enthält. Aus Reni wird die bevorstehende Abfahrt weiterer Transporte angekündigt.

Alle Mittel, die vorgeschlagen wurden, um die russischen Zufuhren nach Serbien zu verhindern oder zu zerstören, haben sich als unwirksam oder als praktisch undurchführbar erwiesen. Die Freimachung des serbischen Donauufers ist den Österreichern ebenfalls nicht gelungen. Unmittelbar nach Ausbruch des russisch-türkischen Krieges hatte ich in Konstantinopel angeregt, zwei Torpedoboote überraschend nach Reni zu schicken, um dort ankerndes Schiffsmaterial zu versenken. Damals war dieser Plan erfolgversprechend. Die Russen waren auf einen derartigen Überfall in keiner Weise vorbereitet. Die rumänische Regierung hätte kaum etwas dagegen sagen können, nachdem sie den Russen schon seit geraumer Zeit gestattet hatte, mit armierten und mit Soldaten bemannten Dampfern auf der Donau zu fahren; im übrigen hätten die türkischen Schiffe den russischen Kilia-Kanal benutzen können, der damals noch nicht miniert war. Jetzt, wo die Russen in Reni umfassende Verteidigungsmaßnahmen getroffen haben, stößt die Ausführung des Planes auf Schwierigkeiten.

Es bliebe noch die Möglichkeit, den russischen Transporten mit Flugzeugen oder Motorbooten zu Leibe zu gehen. Die Serben haben keine Ballonabwehrgeschütze. Die Flugzeuge könnten daher aus verhältnismäßig niedriger Höhe entweder die Kähne oder auch die Ausladestelle in Radujewatz mit Bomben bewerfen und jedenfalls beträchtlichen Schaden anrichten. Noch mehr Erfolg verspreche ich mir von dem Eingreifen der Motorboote. Es müßte möglich sein, in einigen Tagen eine größere Anzahl Motorboote per Bahn nach Orschowa zu schaffen. Von dort könnten sie bei Nacht, wahrscheinlich unbemerkt, stromabwärts fahren und die russischen Transporte angreifen. Und selbst wenn sie bemerkt werden, so sind die kleinen schnellen Fahrzeuge vom Lande aus schwer zu treffen. Die häufigen Nebel in der jetzigen Jahreszeit begünstigen das Unternehmen. Die Kähne sind in der Regel aus 4 bis 5 cm starkem Eisenblech und daher leicht so zu beschädigen, daß sie sinken. Der eventuelle Verlust eines Motorbootes wäre nichts im Verhältnis zu dem Schaden, den es dem Feinde zufügt. Für unser freiwilliges Motorbootkorps könnte sich hier ein großartiges Feld der Tätigkeit eröffnen.


[von Bronsart
Oberstleutnant im Generalstabe und Militärattaché in Bukarest. ]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved