1914-09-20-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 1914
Zentraljournal: 1914-A-23128
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 09/20/1914 08:10 PM
Telegramm-Ankunft: 09/21/1914 04:33 AM
Praesentatsdatum: 09/21/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 848
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 848

Therapia, den 20.September 1914

Nachdem gestriger Ministerrat sich gegen Ausfahrt der Flotte entschieden und dieser Entschluß durch Armee-Oberkommando Admiral Souchon mitgeteilt worden war, hat letzterer auf meinen Rat heute morgen Breslau mit 2 türkischen Torpedobooten ins Schwarze Meer entsandt. Gegen 11 Uhr begab ich mich zum Großvezir und eröffnete ihm, daß unsere Schiffe, solange sie türkische Flaggen führten, und soweit die beiderseitigen Interessen nicht kollidierten, Türkei zur Verfügung ständen. Andererseits hätten unsere Schiffe deutschen Charakter nicht aufgegeben und seien nicht in der Lage, direkte Befehle von türkischem Marineminister zu empfangen. Schiffe würden gegebenenfalls das deutsche Interesse dem türkischen voranzusetzen gezwungen sein. So sei auch Breslau nur deshalb heute ausgefahren, weil es dem auf deutschen Schiffen herrschenden Geiste widerspreche, sich vor imaginären Gefahren zu fürchten. Daß die russischer bedeutend überlegene türkische Flotte sich vor letzterer in die Meerenge verkrieche, sei geradezu beschämend. Während des Balkankrieges habe die Türkei die Inseln nur durch die Energielosigkeit ihrer Flotte verloren. Damals sei aber wenigstens ein Feind vorhanden gewesen. Gegenwärtig befinde sich die Türkei mit den Uferstaaten des Schwarzen Meeres in Frieden. Sie habe also vor einer Ausfahrt in ihre eigenen Wässer nichts zu befürchten. Wenn Rußland Krieg suche, so hätte es dazu zahllose Gelegenheiten benutzen können. Mir scheine Angriff der russischen Flotte auf die türkische ausgeschlossen. Großwesir erwiderte, Ministerrat fürchte nur, daß Admiral Souchon gegen den Willen der Türkei Rußland angreifen werde. Dazu sei der Moment noch nicht gekommen. Ich entgegnete, Admiral Souchon würde nichts ohne Einverständnis Armee-Oberkommandos (Enver!) unternehmen. Wir wünschten selbstverständlich, daß die Türkei möglichst bald Rußland den Krieg erkläre, und damit die Entscheidung des Krieges beschleunige. Durch ihr Zögern verliere sie mehr und mehr Anspruch auf die versprochenen Vorteile nach Friedensschluß. Sei erst der Ausgang des Krieges vollständig sicher, so habe ein türkisches Eingreifen nur wenig Wert für uns. Ich könne der Türkei daher nochmals dringend raten, baldmöglichst den Vertrag zu erfüllen. Eine mildere ... (Gruppe fehlt) ihres bisherigen Zögerns könne sie vielleicht noch dadurch erreichen, daß sie 1. durch Flottenbewegung im Schwarzen Meer ihre Superiorität gegenüber Rußland zum Ausdruck bringe, dadurch Bulgarien und Rumänien Respekt einflöße und ihre eigene Stellung innerhalb des Islam erhöhe und befestige. 2. die islamitische Bewegung mit allen Kräften unter Benutzung der von uns zu Gebote gestellten Mitteln energisch betreibe und 3. die Armee in vollem Umfang mobilisiert erhalte und damit namentlich auch Rumänien vor Augen führe, daß jetzt die Türkei Schiedsrichter am Balkan sei und irgendwelchen neuen Angriff auf das verbündete Österreich nicht dulden werde.

Meine Ausführungen, die ich einigen anderen Ministern wiederholt, schienen Eindruck gemacht zu haben. Breslau ist soeben wieder eingetroffen. Weitere Ausfahrten, auch mit Göben werden folgen.


[Wangenheim]


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