1915-06-06-DE-003
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-06-06-DE-003
Quelle: DE/PA-AA/R 19988
Zentraljournal: 1915-A-18733
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 06/11/1915
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Leiter der "Nachrichtenstelle für den Orient" (Oppenheim) an den Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim)

Bericht


Pera, den 6. Juni 1915

Aufgrund der ausführlichen Mitteilungen, die mir Herr Kapitänleutnant von Mücke und auch Sami Bey bezüglich des Ueberfalls bei Djedda gemacht haben, kann ich mich nicht zu der von den Herren ausgesprochenen Ansicht bekennen, dass es sich um einen von dem Gross-Scherifen, bezw. seinen Sohn Abdallah selbst angezettelten Angriff handeln kann. Aus allen Begleitumständen habe ich vielmehr die Ueberzeugung gewonnen, dass hier ein richtiger Beduinenraubzug aus Geldgier, zur Gewinnung der Waffen der Emden-Leute, bei ihnen vermuteter hoher Geldmittel oder eines Lösegeldes vorliegt, wie solche mehr oder weniger in der ganzen arabischen Welt, wo die Regierungsgewalt nicht fest genug ist, an der Tagesordnung sind. Hierbei ist es durchaus nicht unmöglich, dass gewisse Elemente in Djedda, die zu den Gefolgsleuten des Gross-Scherifen gehören, selbst den Raubzug angestiftet haben. [Anmerkung von Mückes, der den Bericht in Konstantinopel gelesen hat: „Aha!“] Dass jedoch der Gross-Scherif persönlich, wissend, dass es sich um die Helden der Emden handelte, den Ueberfall verursacht habe, erscheint mir vollständig ausgeschlossen. Abgesehen von allem anderen ist derselbe politisch viel zu klug, um eine solche Torheit begehen zu können.

Auch der Umstand, dass bei dem blossen Erscheinen Abdallahs und dem Abfeuern einiger blinder Schüsse der ganze Kampf plötzlich aufgehört hat und dass nach dem Abzug der Emdenleute aus dem Lager die Reste desselben nichtsdestoweniger von den früheren Angreifern geplündert worden sind, ist nichts weiter als ein Vorgang, wie er auch in Mesopotamien bei einem ähnlichen grossräuberischen Ueberfall dieser Art sich hätte ereignen können. Sami Bey ist besonders wütend, dass bei dieser Gelegenheit ihm seine Säcke mit Kaffee, die er aus Yemen mitgebracht hat, abhanden gekommen sind. Aus dem ganzen Ueberfall trotz der Anwesenheit der Regierungsgendarmen bei Djedda, sowie aus den Erklärungen der ganzen Sache und ihrer Begleitumstände, die man in Djedda gegeben hat, ist für mich ein weiterer Beweis zu entnehmen für das ausserordentlich schlechte Verhältnis, das damals zwischen der eigentlichen türkischen Regierungsgewalt und dem Scherifat bestand, sowie für die politische Macht des letzteren auch in Djedda und seiner Umgebung.

Die türkische Regierung hat in allen Artikeln über den Ueberfall nur die Lesart gelten lassen, dass derselbe nur von Raubbeduinen, eventuell auf Machenschaften unserer englischen Feinde hin angezettelt wurde, und dass dem Einschreiten des herbeigerufenen Sohnes des Gross-Scherifen die Rettung der Emdenleute zu verdanken sei. [Anmerkung von Mücke: „Meine offizielle Darstellung“]

Ich habe in Euerer Exzellenz Auftrag Herrn v. Mücke gebeten, aus politischen Erwägungen nach aussen diese Lesart [Anmerkung von Mücke: „Mir unbekannt.“], welche übrigens sein Berichterstatter, Herr Ludwig auch den deutschen Zeitungen telegraphiert hat, weiter bestehen zu lassen. Im Interesse des Weiterbestehens der besseren Beziehungen zwischen der Pforte und dem Gross-Scherifen und zur Ermöglichung der von Enver Pascha in die Wege geleiteten Benutzung des Gross-Scherifen für eine grosszügige Nachrichtenpropaganda in das feindliche islamische Ausland, wäre es meines Dafürhaltens wünschenswert, wenn die vorgesetzten Behörden des Kapitänleutnants von Mücke in Berlin an diesen einen Befehl in dem vorgedachten Sinne erteilen würden.

Es scheint mir dies umso wichtiger, als Herrr von Mücke, wie er annimmt, demnächst in höherem Auftrage Vorträge über die Taten der Emden, seine Irrfahrten und seine Errettung, halten soll. [von „wünschenswert“ bis Schluß angestrichen]


Fhv Oppenheim

Urschriftlich Seiner Exzellenz dem Reichskanzler Herrn von Bethmann Hollweg mit dem Anheimstellen des Weiteren gehorsamst vorgelegt.

Pera, den 7. Juni 1915
Wangenheim


Anlage

Mitteilung des Kapitänleutnants von Mücke über seine Erlebnisse in Arabien.


Am 9. Januar landete ich in Hodeida mit 4 Schiffsbooten. Am Lande sah ich zunächst nur einen einzigen Araber, der einer versuchten Verständigung auswich. Die Landung zog sich der schwierigen Küstenverhältnisse wegen in die Länge. In der Zwischenzeit sammelte sich auf den Hügeln am Strande eine Anzahl bewaffneter Araber an, ca. 80-100 Mann, welche scheinbar feindliche Absichten hatten. Ein Kameelreiter in Polizeiuniform näherte sich uns, verhinderte aber eine Aussprache mit ihm, dadurch dasss er die Waffe auf mich anlegte und wieder zurückging. Ich selbst war ohne Waffe ihm entgegengegangen. Er gab dann ein Zeichen mit der Hand, dass wir an der Landungsstelle bleiben sollten und ritt wieder weg. Da ich über die Haltung der Bevölkerung nicht im Klaren war und durch einen Offizier erfahren hatte, dass Hodeida in französischen Händen sei, ein Irrtum, der durch mangelnde Sprachkenntnisse entstanden ist, so bereitete ich mich auf die Abwehr eines Angriffes vor. Aus der Gruppe der bewaffneten Araber lösten sich nach einiger Zeit etwa 12-15 Mann, die unbewaffnet auf uns zukamen. Wir versuchten uns mit ihnen zu verständigen, verstanden aber ihre Zeichensprache nicht, teilweise sogar falsch, wie sich später herausstellte, in dem wir das Zeichen für Freundschaft als Feindschaftszeichen deuteten. Erst als wir ihnen ein Goldstück mit dem Bildnis des Kaisers zeigten, gelang die Verständigung dadurch, dass auf der anderen Seite der Ausdruck „Aleman“ fiel. Als den Arabern klar geworden war, dass wir Deutsche seien, entstand eine grosse Begeisterung. Der Haufe hatte sich inzwischen auf ca. 150-200 Menschen vergrössert, die sich darum rissen, unser Gepäck zu tragen und uns sonst behilflich zu sein. Durch einen englisch sprechenden Araber hatte ich inzwischen erfahren, dass Hodeida in türkischen Händen wäre. Wir zogen dann dorthin. Auf dem Marsche strömten von allen Seiten bewaffnete Araber herbei, die uns zunächst für Feinde hielten, und es entspannen sich längere Unterredungen zwischen unseren alten Begleitern und den neu hinzugekommenden, bis allmählich allen klar wurde, dass wir Deutsche waren. Es mögen inzwischen ca. 600 Araber geworden sein, die uns begleiteten und ihrer Begeisterung lebhaften Ausdruck gaben.

Inzwischen kamen uns auch türkische Offiziere entgegen, die teilweise deutsch sprachen. Das türkische Militär, das zu unserer Bekämpfung ausgeschickt war, rückte mit uns zusammen in Hodeida ein. Hier kam ich am selben Nachmittag mit den Spitzen der Behörden zusammen. Es waren dies Raghib Bey, damals Mutessarif von Hodeida, später wegen des italienischen Konsulatszwischenfalles abgelöst, ferner der Oberst des dort liegenden Truppenteils, ebenfalls Raghib Bey mit Namen, sowie die sonstigen Offiziere und Beamten. Ich gab Aufklärungen über meine Leute und mich und sagte, dass der einzige Grund, weswegen ich gekommen wäre der sei, auf sicherem Wege schnellstens nach Deutschland zu gelangen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass meine Annahme, die Heschasbahn ginge bis Hodeida, falsch war, fragte ich, ob ich auf dem Landwege nach Norden ziehen könne, da der Seeweg mir zu gefährlich erschiene und ich auch keine Seekarten besässe. Es wurde mir vom Mutessarif gesagt, dass ich zu Lande weiterziehen könnte. Ich wies darauf hin, dass es für mich von äusserster Wichtigkeit wäre, genau zu wissen, ob ich zu Lande weiter kommen könne, da der Dampfer, mit dem ich angekommen sei, entlassen werden würde, wenn ich zu Lande reisen könnte, und mit dem Entlassen des Dampfers jede Verbindung über See unmöglich würde. Der Dampfer hatte Befehl, in der nächsten oder übernächsten Nacht wieder an die Küste zu kommen, um mich unter Umständen wieder aufzunehmen. Für den Fall, daß ich am Lande bleiben konnte, waren Leuchtkugelsignale mit ihm verabredet, welche für ihn den Befehl bedeuteten, nach Massaua zu gehen. Als mir vom Mutessarif zugesichert wurde, dass der Landweg frei sei, ich aber von anderen Offizieren und Beamten gegenteilige Ansichten äussern hörte, fragte ich noch einmal klar und deutlich und bat um eine Zusicherung , ob wirklich der Landweg brauchbar wäre oder ob es nicht besser sei, mit dem Dampfer weiter zu fahren. Ich wies nochmals darauf hin, dass mit dem Feuern des verabredeten Signals der Seeweg für mich verschlossen wäre. Der Mutessarif erwiderte wiederum, der Landweg sei frei, ich würde mit Sicherheit weiter kommen, sicherer und schneller als auf dem Seewege. Als ich auf die Gespräche, die die anderen Offiziere führten, dass es unmöglich sei, zu Lande weiter zu kommen, hinwies, sagte der Mutesssarif wörtlich: „on trouvera des moyens“: Ich feuerte dann in der nächsten Nacht das Signal und entliess den Dampfer. In den nächsten Tagen mehrte sich in mir der Verdacht, dass der Landweg doch nicht brauchbar wäre. Am 10. Tage meiner Anwesenheit bat ich um eine offizielle endgültige Mitteilung, wann ich reisen könnte. Es wurde mir gesagt, das könnte nicht gesagt werden, es wären noch Verhandlungen mit dem Imam im Gange, die abgewartet werden müssten. Um einen Druck auszuüben, und die Verhandlungen zu beschleunigen, wollte ich nach Sana’ gehen, da der mir angegebene Weg so wie so über Sana’ führte, und von dort über Abha weiter nach Norden. Inzwischen hatte man begonnen, für uns neue Kasernements in Hodeida zu bauen, ein Zeichen, dass man damit rechnete, uns dort zu behalten. Es wurden uns Schwierigkeiten gemacht, nach Sana’ aufzubrechen, und allmählich wurde mir klar, dass die Absicht bestand, mich dort als türkische Truppe zu verwenden. Der Oberstleutnant Kadri hat es mir gegenüber direkt ausgesprochen, dass ich türkische Truppe sei und unter türkischem Oberbefehl stände. Er hatte von mir einen dienstlichen Bericht verlangt über die Ereignisse von der Emden an. Ich gab ihm die deutliche Antwort, dass ich ein selbständiger Truppenteil sei, nur meiner vorgesetzten militärischen Behörde unterstellt und dass ich den verlangten Bericht nicht einreichen würde.

Nach Sana’ wollte ich auch deshalb gehen, um der unter meinen Leuten immer mehr um sich greifenden Malaria Einhalt zu tun. Es war mir von allen Stellen, auch von Aerzten aus, gesagt worden, Sana’ sei der gesündeste Ort der Gegend. In 3 Tagen würden meine Leute vollständig gesund sein. Darauf trat ich den Marsch an.

Ich schalte hier ein, was ich später erfahren habe: die Behörden haben uns nicht für Deutsche gehalten, sondern längere Zeit geglaubt, wir wären Engländer, die Komödie spielten. Es wurde mehrere Wochen nach unserer Ankunft unserem Arzt von türkischen Offizieren gesagt, wir spielten sehr gut Komödie. Andere türkische Offiziere sagten uns später, es hätte der Plan bestanden, den gelandeten Zug in der Nähe von Hodeida nachts lagern zu lassen und dann zu überfallen und zu töten. Dieses Verfahren halte ich für charakteristisch für den Geist der dortigen Militärs, die mit einer starken Garnison, Kanonen und Tausenden von Arabern nicht imstande sein wollten, uns 50 Mann zu beseitigen.

Ich komme jetzt zu Sana’: für den Marsch dorthin sollte von der Regierung angeblich alles vorbereitet sein. Tatsächlich war nichts geschehen. Meine Leute wären verhungert, wenn ich nicht meinen für spätere Zeiten bestimmten Proviant gehabt hätte. Die Wege sind gefährlich und schlecht, teilweise als Wege gar nicht zu bezeichnen, nur für Tiere gangbar. Eine Ausnahme macht die Strecke bei Menaha, wo die Strecke breit und gut ist. Die von Hodeida nach Sana geplante Eisenbahn ist von der Halbinsel Res el Kutub bis Hodeida fertig, ca. 4 deutsche Meilen. Von da an ist der Damm eine ganze Strecke in die Wüste hinaus nach Osten zwar aufgeworfen, aber entweder noch nicht fertig gestellt oder wieder verfallen. Gleise liegen nicht. Länge etwa 10 deutsche Meilen. Am Rande von Res el Kutub verrotten Millionenwerte an Lokomotiven, Eisenbahnwagen, Schienen, Zement, Hafenanlagen und 1 Dampfer. Es wäre ein Leichtes, mit der dort befindlichen Wache für Konservierung aller dieser Gegenstände zu sorgen. Wenn dies nicht geschieht, schätze ich, dass in einem halben Jahr alle Maschinen unbrauchbar sind. Die Sachen sind vor dem türkisch-italienischen Kriege dorthin gebracht worden und verrotten allmählich. Die Bahn sollte von einer französischen Gesellschaft gebaut werden.

In Sana’ angekommen habe ich sofort Verhandlungen mit dem Oberstkommandierenden, Tewfik Pascha, dem früheren Verteidiger von Saloniki aufgenommen. Es wurde mir gesagt, daß der Weg zu Lande wahrscheinlich wäre, dass aber noch Verhandlungen mit dem Imam gepflogen werden müssten. In 14 Tagen könnte ich endgültig Antwort haben. Mein Angebot, dem nächsten und mächtigsten Imam persönlich Besuch zu machen, wurde abgelehnt. Als Charakteristikum führe ich folgendes an: man bat uns, türkische Uniformen anzulegen und Ausritte in die Umgebung, die wir mit türkischen Offizieren zusammen gemacht hatten, zu unterlassen. Der Imam habe geschrieben, es liefe unter den Arabern das Gerücht um, wir wären Engländer, denen die Regierung das Land verkaufen wolle. Das türkische Fort, östl. der Stadt, wäre uns schon ausgeliefert. Die Ausritte mit den türkischen Offizieren dienten dazu, die Gegend auszuspionieren und zu vermessen. Man sagte uns ferner, wir sollten uns nichts dabei denken, wenn uns gelegentlich Gewehrkugeln in die Stube flögen. Das wäre bei den Arabern so Sitte, wenn sie Geld haben wollten.

Nachdem sich endgültig herausgestellt hatte, dass der Landweg unpassierbar war, wollte ich nach Hodeida zurück. Man versuchte mit allen Mitteln uns zu halten, da man uns als Schutz gegen Araberaufstände verwenden wollte. Erst auf ganz energische Schritte meinerseits ließ man mich fort, gab aber an, es seien keine Transporttiere vorhanden. In der Zwischenzeit aber hatte ich mir unter der Hand Geld verschafft, indem mir ein Türke 150 Ltq. vorstreckte. Ich übernahm daher selbst die Zusammenstellung der Karawane.

Ich möchte noch nachtragen, dass bei meinem Eintreffen in Sana’ als erste Frage an mich gerichtet wurde: „Warum sind Sie nach Sana’ gekommen?“. Ich antwortete: „Weil das Klima hier gesund ist und meine Leute krank sind.“ Darauf erwiderte man mir: „Dann hätten Sie besser getan, in Hodeida zu bleiben, ein ungesunderes Klima als hier gibt es nicht.“ Tatsächlich hatte ich 80 Prozent marschunfähige Kranke in Sana’. Der Rückmarsch nach Hodeida vollzog sich ohne Störung, da ich die Verproviantierung selbst in die Hand genommen hatte. In Hodeida versprengte ich über unsere weiteren Absichten falsche Gerüchte, weil die ganze Gegend von Spionen wimmelte. Als solche wurden mir vor allem Griechen und Armenier bezeichnet, vor deren Verkehr ich besonders vom dem Oberstleutnant Kadri Bey dringend gewarnt wurde. Dass allerdings derselbe Offizier von unserem Arzt in Gesellschaft der Leute vor denen er uns gewarnt hatte, pokulierend [schwer zechend] angetroffen wurde, ist mir erst später bekannt geworden.

Ich hatte zunächst die Absicht, von der Isa-Bay im Süden der Insel Tamaran abzufahren. Auch den Tag hatte ich schon festgesetzt und als ganz geheim den Behörden mitgeteilt. Meine Abreise verschob sich etwas, und in der Nacht, in der ich eigentlich von der Isa-Bay abfahren wollte, erschien dort zum ersten Mal seit Beginn des Krieges ein englisches Kanonenboot und suchte mit dem Scheinwerfer genau die Gegend ab, von der ich abfahren wollte.

Am … März verliess ich das Land und ging von Yabana mit 2 Zambuks in See. Die Zambuks waren Segelschiffe von etwa 12-14 m Länge und etwa 31; 2 - 4 m Breite. Ich hatte um 2 Lotsen gebeten, erhielt aber nur 1. Die Bemannung der Boote betrug etwa 8-10 Leute, einen Dolmetscher gab man mir nicht , auch keinen landeskundigen Menschen, trotzdem ich um Mitgabe des Arztes Hassim Bey gebeten hatte. Ich führe diese Verfahren darauf zurück, dass man mich nicht unterstützen wollte. In See verlor ich durch Schuld des mir gestellten Lotsen, der der beste an der Küste sein sollte, einen Zambuk. In Confudda angekommen, nahm ich ein grosses Zambuk und fuhr weiter. Von dort aus begleitete uns Sami Bey mit Frau, der in Confudda eigentlich auf die Rückkehr Abdul Kerim Paschas (Frobenius) warten sollte. Auf der Weiterreise erfuhr ich in Lid, dass Djedda von 3 englischen Kriegsschiffen blockiert sei, die im Gegensatz zu früher die Verproviantierung des Landes unterbänden und jedes Zambuk untersuchten. Deswegen blieb mir nur übrig, zu Lande weiter zu reisen. In Lid wurde eine Karawane zurammengestellt, was Sami Bey in vorzüglicher Weise in 21; 2 Tagen erledigte.

Meine Abreise verschob sich auf Ersuchen des Schechs in Lid um 1 Tag, um den Weg sicher zu stellen. Auf der Reise begleiteten uns der Schech und einige Polizeisoldaten mit 1 Offizier. Die Reise ging 4 Tage lang glatt bis 1 Tagereise vor Djedda. Von unserer Abreise waren Mekka und Djedda durch reitende Boten benachrichtigt. An der Wasserstelle, die 1 Tagesmarsch von Djedda entfernt war, trafen wie einen Gendarmieoffizier mit etwa 17 Gendarmen, die uns von Djedda mit Wasser entgegengeschickt waren. Von dem Offizier wurde der Vorschlag gemacht, nicht mehr bei Nacht, sondern bei Tage zu marschieren und die Nacht über an der Wasserstelle zu ruhen. Ich lehnte den Vorschlag ab und reiste in derselben Nacht weiter, weil die Tage zum Marschieren zu heiss waren. Etwa 1 Stunde vor Sonnenaufgang passierten uns einige Kameelreiter. Der aus Djedda gekommene Offizier hielt sie für Räuber und erzählte uns, in der Gegend seien etwa 40-50 Räuber. Woher er diese Nachricht hatte, weshalb er uns diese Mitteilung nicht schon früher gemacht und nicht einen anderen Weg empfohlen hat, weiss ich nicht. Wir marschieren weiter, wie immer bisher mit schussklaren Gewehren. Der Offizier bildete mit seinen Leuten eine Art Sicherung für uns. Die Karawane bestand aus ca. 100 Kameelen, die in 2 gleich langen Reihen nebeneinander marschierten. Die einzelnen Kameele waren hinter einander angebunden. Die Offiziere waren auf Reitkameelen beritten. Kurz vor Sonnenaufgang, noch bei Dunkelheit, wurde, ohne dass wir etwas sahen, von vorn und den Seiten ein rasendes Feuer auf uns eröffnet, so stark und nahe, dass die Stimmen kaum das Pfeifen der Geschosse übertönten. Es fielen jedoch nur einige Kameele. Wir gingen in Gefechtsformation und eröffneten das Feuer, so gut es ging. Bewaffnet waren wir mit 19 deutschen Gewehren, 3 neuen und 10 alten türkischen Gewehren und 4 Maschinengewehren, die wir von der Emden mitgenommen hatten. Bei Tagesanbruch schafften wir uns durch Angriffe mit der blanken Waffe Luft, dabei hatten wir 1 Verwundeten. Die türkischen Gendarmen waren zur Hälfte verschwunden, die anderen nicht zwischen den Kameelen herauszuprügeln. Die wenigen, die mit vorgingen, schossen so offensichtlich hoch in die Luft, Kolben an der Hüfte, dass ich den Leuten sagte, ich würde sie bei weiterem derartigem Verhalten erschiessen lassen. Zunächst wurde nun der Versuch gemacht, weiter zu ziehen. Da aber sämtliche umliegenden Hügel besetzt waren, und der Marsch in offenem Gelände vor sich gehen musste, zeigte sich bald, dass ein Weitermarsch unmöglich war. Die Stärke des Gegners schätze ich auf 300 Gewehre, nach Angabe von Arabern aus Djedda sollen es 4-500 Mann gewesen sein. Die Bewaffnung bestand aus teils ganz neuen Gewehren mit Spitzmantelgeschoss, teils aus Gewehren, wie das ältere Armeegewehr der Türken. Wir zählten beim Sturmangriff an einer Stelle 15 Tote. Unsere Verluste: Leutnant Schmidt schwer verletzt, Matrose Rademacher tot. Von den Türken waren verwundet: Sami Bey, der Offizier aus Lid, 1 Postbeamter, der sich uns angeschlossen hatte, 1 Polizeisoldat, alles Beinschüsse, daraus erklärlich, dass die Leute sich hinter den Kameelen versteckt hatten; 1 türkischer Polizeisoldat war tot, desgleichen 1 arabischer Kameeltreiber. Die arabischen Gendarmen begannen plötzlich, ohne mich zu fragen, Verhandlungen mit der Gegenseite. Wir benutzten die entstehende Feuerpause, um den Toten zu begraben, uns zu verschanzen, und den Leutnant Schmidt, der noch lebte, in unser Lager zu schaffen. Der Schech aus Lid ging zuerst zum Unterhandeln und kam nicht wieder. Wir sahen ihn abreiten. Sami Bey ging darauf als Unterhändler hinüber, nahm seine Frau dazu mit, vergass aber auch wiederzukommen. Dafür schickte er einen Mann mit der Bitte, sein Gepäck herauszugeben. Der türkische Offizier aus Djedda verschwand, eine weisse Fahne schwingend, und kam nicht wieder. Die Gendarmen wurden mit Gewalt gehalten. Die arabischen Kameeltreiber verschwanden gleichfalls. Frau Sami Bey überbrachte uns dann die Bedingungen der Gegenseite. Die Verständigung erfolgte durch einen in Belgien gefangen genommenen mohammedanischen Kriegsgefangenen, der später nach Konstantinopel geschickt und mit Frobenius gekommen war. Die gegnerischen Bedingungen lauteten: Auslieferung aller Waffen mit Munition, sämtlicher Kameele mit Proviant usw. und sofortige Auszahlung von 22 000 Ltq.. Meine Antwort ist nicht erwähnenswert. Der Kampf, der am 1. April bei Sonnenaufgang begonnen hatte, dauerte bis zum 3. mittags. Auf unserer Seite 1 Toter: Heizer Lanig, 1 Schwerverwundeter und 1 Leichtverwundeter. Jede Nacht schickte ich Boten nach Djedda und zwar als Beduinen verkleidete Gendarmen und 1 aus Hodeida mitgenommenen englisch sprechenden Araber, der sich als zuverlässig bereits erwiesen hatte. Die Nachricht vom Ueberfall ist in Djedda angekommen.

Am morgen des dritten April hörten wir in der Ferne weit weg beim Meer einmal und im Osten ein zweites Mal zwei schwache Gewehrsalven. Wir nahmen an, die Garnison von Djedda rücke zum Ersatz heran. Die Gegenseite schickte plötzlich einen Parlamentär und liess sagen, es wird verzichtet auf Auslieferung der Waffen, Kamele, Munition, Gepäck und Proviant könnten behalten werden. Es sollten nur 2200 Pfund gezahlt werden. Ich antwortete, dass ich kein Geld hätte, wie sie wüssten. Sie sollten sich das Geld meinetwegen von der türkischen Regierung geben lassen. Es wurde darauf geantwortet, ich solle sofort zahlen, widrigenfalls wir „grossen Kampf“ zu erwarten hätten. Ich antwortete, den haben wir schon seit 2 Tagen. Es fielen dann noch einige Schüsse. Darauf trat Stille ein. Vorsichtige Erkundungen liessen keinen Feind mehr finden. Plötzlich, etwa 1/2 Stunde nach dem letzten Schuss von feindlicher Seite erschienen 2 Kamelreiter, die im langsamsten Schritt, ein weisses Tuch schenkend, auf unser Lager zuritten. Sie sagten, sie wären Abgesandte des Emirs von Mekka, der zu unserem Entsatz heranrücke. Eine weitere halbe Stunde später erschien von dem zweiten Sohne des Emirs, Abdullah, geführt, in langsamsten Schritt in geschlossenener Formation ohne jede Vorsichtsmassregel vorgehend Musikmachend ein Trupp von etwa 60 Kamelreitern mit einer roten Flagge. Sie lagerten in unserer Nähe und der Sohn des Emirs, Abdullah, sagte uns, dass er die Räuber vertrieben habe und dass wir weiter ziehen könnten. Wir packten auf, eine Arbeit, die sehr schwer war, weil sämtliche Kameltreiber fortgelaufen waren. Die türkischen Gendarmen, die noch vorhanden waren, mussten wir mit Gewalt zum Zugreifen zwingen, da ihnen das Plündern von Proviantsäcken, die infolge des Ausfalls einer Anzahl von Kamelen liegenbleiben mussten, wichtiger erschien, als ihre Arbeit. Als die Karawane sich etwa 2-300 Meter von dem Lagerplatze entfernt hatte, strömten auf das verlassene Lager und die dort befindlichen Proviantreste, zerrissenen Kleider usw. etwa 80 - 90 Mann mit Gewehren bewaffnete Beduinen zusammen, die ohne jeden Zweifel zu den Leuten gehörten, mit denen wir gekämpft hatten. Abdullah, der diese Leute nach seinen Angaben vertrieben hatte, schien weder erstaunt zu sein, noch kümmerte er sich darum. Als ich ihm sagte, ich wollte absitzen lassen und Sicherungsstellung einnehmen, weil eine einzige Salve uns alle erledigen könnte, antwortete er: Ich versichere Sie, es fällt kein Schuss mehr. Und wirklich, es fiel keiner mehr. Wir gelangten unbehelligt nach Djedda.



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved