1915-03-11-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20180
Zentraljournal: 1915--
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann) an den Chef des Generalstabs (Falkenhayn)

Schreiben


Berlin, den 11. März 1915.

Sehr verehrte Exzellenz,

Durch Herrn von Treutler ist mir Ihre Erwiderung auf das Telegramm des Gesandten in Bukarest über die türkischen Munitionstransporte mitgeteilt worden.

Freiherr v.d. Bussche hatte seine Meldung im internen Geschäftsgang an das Auswärtige Amt gerichtet und bei der Abfassung nicht voraussehen können, daß seine Äußerungen an den Generalstab weitergegeben würden. Die Weitergabe ist von mir angeordnet worden, weil die Ansicht des Gesandten sich mit meinem eigenen, Euerer Exzellenz wiederholt dargelegten Standpunkte deckt, und ich Ihnen die Bestätigung meiner Auffassung durch einen guten Kenner der Verhältnisse am Balkan nicht vorenthalten wollte.

Euerer Exzellenz stimme ich darin bei, daß ein Rückschlag in Serbien für uns sehr unheilvolle Folgen haben würde. War schon die Niederlage des Feldmarschalls Potioreck Mitte Dezember von übelstem Einfluß auf unsere Stellung am Balkan, so würde das Mißlingen einer mit deutscher Unterstützung eingeleiteten Unternehmung noch weit fatalere Wirkung zeitigen. Ich darf jedoch daran erinnern, daß das Ausw. Amt bereits im Oktober, also vor Eintritt der Türkei in den Krieg, auf die zwingende Notwendigkeit schleuniger Freimachung des Transportweges durch Serbien aufmerksam gemacht und für den Fall des Versagens Österreich-Ungarns die Entsendung deutscher Truppen empfohlen hat.

Wäre die Heeresleitung damals oder wenigstens Anfang November bereit und in der Lage gewesen, auf die Anregung des A.A. einzugehen, so hätte sich das serbische Unternehmen noch vor Beginn des Winters und, da die öst.-ung. Armee im siegreichen Vorgehen gegen Serbien begriffen war, mit einer verhältnismäßig bescheidenen deutschen Truppenmacht durchführen lassen. Bulgarien wäre dann mit Sicherheit zum sofortigen Eingreifen an unserer Seite veranlaßt und die Katastrophe des Feldmarschalls Potioreck wahrscheinlich vermieden worden.

Euere Exzellenz werden mir bestätigen, daß das A.A. von Ende November ab die vitale Bedeutung der Frage beim Gr. Hauptquartier immer wieder auf das dringendste betont hat. Eine ausführliche Darlegung aller in Betracht kommenden Momente erlaubte ich mir Ihnen unterm 14. November privatbrieflich direkt zu unterbreiten.

Die Oberste Heeresleitung darf sich versichert halten, daß seit Kriegsbeginn mit allen erdenkbaren diplomatischen und sonstigen Mitteln auf Öffnung des rumänischen Weges hingearbeitet worden ist und daß in dieser Richtung auch in Zukunft nichts versäumt werden wird. Irgend welchen Erfolg vermag ich mir nach den bisherigen Erfahrungen allerdings zur Zeit nicht versprechen. Nur Drohungen, hinter denen der ernsthafte Entschluß steht, nötigenfalls mit Waffengewalt gegen Rumänien vorzugehen, könnten die Regierung in Bukarest vielleicht zur Vernunft bringen. Ob die Kriegslage die Anwendung solcher Mittel gestattet, werden E.E zu entscheiden wissen.

Mit großer Freude entnehme ich dem hier gestern bekannt gewordenen Telegramm E.E. an Enver, daß der Feldzug gegen Serbien in Würdigung seiner Wichtigkeit für die allgemeine Lage am Balkan nach Besserung der Wege- und Witterungsverhältnisse mit allen Mitteln beschleunigt werden soll. Sein Ausgang wird zwar, wie E.E. hervorheben, für den jetzigen Angriff auf die Dardanellen voraussichtlich leider ohne Bedeutung sein. Aber die Tatsache allein, daß die Aktion gegen Serbien in Gang kommt, würde schon erheblichen moralischen Wert haben. Sie würde den Mut unserer türkischen Freunde beleben und diese zum Ausharren bestimmen, vielleicht sogar dann, wenn inzwischen die Dardanellen und Konstantinopel fallen sollten. Welche beklagendwerten wirtschaftlichen und politischen Folgen - abgesehen von der militärischen Seite der Sache - ein Abfall der Türkei für uns mit sich bringen würde, ist E.E. bekannt.

Schluß m. pr.


[Zimmermann]
[Zimmermann am 12.3. an Treutler (Nr. 9)]

E.E. beehre ich mich anbei Kopie eines Privatschreibens an General von Falkenhayn vom heutigen Tage zur gfl. Inf. zu übersenden.



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