1916-10-26-DE-002
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Quelle: /PA-AA/R 20106
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 10/26/1916
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Kommandeur Chatzopoulos des griechischen IV. Armeekorps in Görlitz

Bericht


Bericht

Über den Abmarsch der griechischen Truppen aus Kawalla und dem östlichen Mazedonien.


Einmarsch bulgarischer Truppen.

Diesem Einmarsch, der am 5./18. August begann, wurden on unseren Truppen kein Widerstand entgegengesetzt, ausser von einigen isolierten Posten, die, weil sie keine Befehle einholen konnten, infolge des sofortigen Abschneidens der Telefondrähte von seiten der Bulgaren, ein paar Schüsse abfeuerten; die unterminierten Brücken der Eisenbahnlinie wurden nicht gesprengt, sodass die Bulgaren sofort die Eisenbahnlinie benutzen konnten. Die telegraphischen und telephonischen Verbindungen blieben unberührt und erfuhren keine anderen Beschädigungen, als die ihnen von den Bulgaren selbst zugefügten.

Die Grenzforts wurden ohne irgendwelchen Widerstand geräumt und im allgemeinen war die Haltung der griechischen Truppen gegenüber den Bulgaren durchaus freundschaftlich, obwohl der Einmarsch ohne irgendwelche vorausgehende offizielle Mitteilung an die griechischen Behörden erfolgte. Indessen fand der Einmarsch in einer Weise statt, die erkennen liess, dass nicht das Eingreifen gegen die englisch-französischen Streitkräfte, die sich auf dem rechten Strymonufer befanden, beabsichtigt war, sondern in erster Linie die Trennung der verschiedenen Garnisonen des Armeekorps voneinander und die Besetzung des mazedonischen Bodens.

Viele Abteilungen die vor allem zu den Deckungstruppen gehörten, wurden gefangen genommen und meistens entwaffnet, wobei die Kammern aus den Gewehren entfernt und sogar die Seitengewehre von den Bulgaren weggenommen wurden. Dasselbe geschah auch während des weiteren Vormarsches der Bulgaren, sooft eine Abteilung in ihre Hände fiel. Die Zivilbehörden und die Polizei von Sari-Chaban wurden gewaltsam vertreiben. Der Marineoffizier Lampron wurde von einem bulgarischen Unteroffizier in Gegenwart des Kapitänleutnants Wladimir Tonscheff, unter dessen Befehl er stand, mit dem Säbel geschlagen.

Auf solche Weise wurden innerhalb weniger Tage alle außerhalb der Städte Kawalla, Drama, Serres, Demir-Hissar und Brawi stehenden Truppenteile von den Bulgaren in die genannten Städte gedrängt, wohin nach einigen Tagen auch die gefangengenommenen Abteilungen geführt wurden, von denen oben die Rede war. Der Verkehr zwischen den verschiedenen Garnisonen des Armeekorps, wie auch der Transport von Materialien und Lebensmittel von Garnison zu Garnison wurde immer mehr von den Bulgaren erschwert, bis er gänzlich unterbrochen wurde.

Als Grund für die Unterbrechung des Verkehrs durch Ordonanzen und des Lebensmitteltransports nach Kawalla von Drama und Serres, wo grosse Mengen von Getreide und anderen Cerealien aufgestapelt waren, gaben die Bulgaren die Ausführungen militärischer Bewegungen ihrerseits und die Gefahr der Spionage an, die von den militärischen Begleitern der Transporte ausgeübt werden könnte. In Wirklichkeit jedoch hofften sie, da ihnen die Abschließung Kawallas vom Meere bekannt war, durch Hunger die Besatzung von Kawalla zu zwingen, ohne längeres Widerstreben ihre Vorschläge anzunehmen, von denen weiter unten die Rede sein wird.

Von den Garnisonen des östlichen Mazedoniens trat die sechste Division, die sich im Kampfgebiet der gegnerischen Streitkräfte befand, auf meinen Befehl vom 9./22. August, nachdem sie auch die Besatzung von Demir-Hissar mitgenommen hatte, von Serres nach Eleuthera den Rückzug an. Da ihr dies von den Bulgaren nicht gestattet wurde, wurde sie nach Kawalla dirigiert, wobei sie in Tholos von französischen Flugzeugen beschossen wurde.

In Kawalla kam sie in der Nacht des 20. August /2. September) an, nachdem sie nur sehr wenig Material hatte mitnehmen können.

Da ich rechtzeitig die Gefahr erkannte, in welcher auch die fünfte Division in Drama schwebte, befahl ich ihr nach Kawalla abzurücken; als aber der Divisionskommandeur mir meldete, dass er mit den bulgarischen Offizieren und einem deutschen Offizier, der in Drama zur Dienstleistung anwesend war, alle schwebenden Fragen freundschaftlich geordnet habe, stimmte ich zu, dass die Division in Drama bleiben und zugleich die Garnison von Kawalla mit Mehl versorgen solle.

Ankunft des Oberleutnants Schmidt in Kavalla.

Am 14. oder 15. August (27. oder 28. August) kam der Oberleutnant des deutschen Heeres Schmidt zu einer Unterredung mit mir von Drama nach Kavalla. Ich trug ihm ernste Beschwerden gegen das Verhalten der bulgarischen Truppen und wegen der entstandenen Lage vor und wies auf die Notwendigkeit hin, sofort die Verbindung zwischen Drama und Kavalla zur Verproviantierung der Garnison von Kavalla herzustellen, weil sie durch die englische Flotte vom Heere abgeschnitten war. Er versprach mir, dass täglich 12000 Okka (ungefähr 15000 kg) Mehl von Drama nach Kavalla geschickt und alle zwischen uns und den Bulgaren schwebenden Fragen (Ablieferung der Gewehrkammern, oder Seitengewehren, Entlassung von festgehaltenen Abteilungen, Rückkehr von Flüchtlingen usw.) nach Wunsch gelöst werden würden. Er wünschte aber, dass für einige Tage, die erforderlich wären, damit die Umgruppierung der bulgarischen Truppen beendet würde, Bewegungen unserer Truppen unterbleiben sollten.

Jedoch wurden trotz aller Versprechungen des deutschen Oberleutnants nur sehr wenige der genannten Forderungen von den bulgarischen Befehlshabern erfüllt, und infolgedessen sah ich mich gezwungen, an meine Regierung zu telegraphieren, sie möchte die Entsendung eines höheren deutschen Offiziers durchsetzen, mit dem ich in Unterhandlungen zur Regelung der aus der Lage sich ergebenden Fragen eintreten könnte. Ausser der Entlassung der gefangenen Truppenabteilungen und des nach und nach erfolgten Transportes von 2100 Okka Mehl wurde nichts anderes ausgeführt. Die Unterbrechung des Verkehrs der verschiedenen Garnisonen dauerte fort, hinsichtlich der militärischen Korrespondenz aber zwischen den verschiedenen Garnisonen verlangten die Bulgaren, sie sollten französisch abgefasst und durch die bulgarischen Behörden in offenen Umschlägen verschickt werden, worauf das Armeekorps nicht einging.

In der Zwischenzeit aber waren, wie obern erwähnt, alle Garnisonen in ihren Standorten umzingelt worden; die Forts von Kavalla waren alle in die Hände der Bulgaren übergegangen, die auf diese Weise die Stadt beherrschten, wenn auch an einigen sehr wenigen Punkten unsere Vorposten, die sich aus den Forts zurückgezogen hatten, noch Stellungen, die zur Verteidigung geeignet waren, innehatten.

Plötzlich wurde die Haltung der Bulgaren durchaus feindselig, indem sie infolge einer falschen Nachricht, in der in Drama unter der Leitung der deutschen Verwaltung erscheinenden Zeitung, unser König hätte sich nach Larissa zurückgezogen, in Athen aber wäre Venizelos Herr der Lage, ihre Vorposten erheblich verstärkten, absolut jeden Verkehr von Kavalla mit dem Inland untersagten, unsere Transportmannschaften gefangennahmen und entwaffneten, in der nahe bei Kavalla gelegenen Ortschaft Badem-Sihiflick unsere mit Mehl gefüllten Autos beschlagnahmten und aufs neue die Rückkehr der Flüchtlinge aus dem Inlande, die sie vor einigen Tagen erlaubt hatten, verboten. Diese Massnahmen der Bulgaren zwangen mich entsprechende Verteidigungsmassnahmen zu ergreifen.

Verhandlungen mit dem Kommandeur der 10. bulgarischen Division und dem Oberleutnant Schmidt.

So lagen die Dinge, als ich am Morgen des 24. August (6. September) von dem Obersten Burmoff, Kommandeur der 10. bulgarischen Division, um eine Unterredung in der Linie der Vorposten ersucht wurde, bei der auch der Oberleutnant Schmidt zugegen war. Nachdem in dieser Unterredung der genannte Oberst mir zugegeben hatte, dass die gegen uns ergriffenen Massnahmen eine Flge der falschen Nachrichten über eine Flucht unseres Königs waren, sprach er mir ebenso wie der Oberleutnant Schmidt den Wunsch aus, die Bulgaren sollten die ganze Einsicht nach unten gewährende Linie der unmittelbar über Kavalla gelegenen Höhen besetzen einschliesslich der Strasse, die die Ostseite mit der Westseite der Festung verbindet. Als Grund für diese Bitte wurde mir angegeben, dass ohne die Besetzung dieser Höhen den Bulgaren die Verteidigung gegen eine etwaige Landung der Truppen der Entente in Kavalla erschwert werden würde. Zugleich wurde mir mitgeteilt, dass eine Ablehnung der genannten Forderung von den Bulgaren als unfreundliche Handlung betrachtet werden würde.

Da ja ein Landungsversuch in Kavalla sehr wenig wahrscheinlich war, vermutete ich, dass die so von den Bulgaren getroffenen Massnahmen auf die Einschliessung der Garnison von Kavalla innerhalb eben dieses Kessels, in dem die Stadt liegt, abzielten, damit späterhin bequem andere schwerere Bedingungen auferlegt werden könnten. Da jedoch die Befehle, die ich von meiner Regierung hatte, keinen Widerstand erlaubten, war ich gezwungen, nachzugeben, und die von ihnen gewünschten Stellungen zu räumen.

Die Bewegung unserer Truppen vollzog sich am Abend des folgenden 25. August (7. Sept.) und so wurden wir von den Bulgaren in der Stadt Kavalla eng eingeschlossen, so dass kein Widerstand mehr möglich war.

27. August (9. September.)

Am Morgen dieses Tages wurde ich um eine Unterredung in der Vorpostenlinie von dem Major im deutschen Generalstabe, Herrn von Schweinitz, ersucht, der mir mitteilte, dass er von Feldmarschall von Hindenburg komme, aber noch keine Weisung besitze, und mich bat, am nächsten Tage und zur selben Stunde, (10 Uhr Vorm.) wiederzukommen, da dann schwerwiegende Entschlüsse gefasst werden müssten.

An demselben Tage kamen die von der Entente aus Griechenland ausgewiesenen Deutschen und andere fremde Untertanen in Kavalla an, begleitet von dem Beamten im Auswärtigen Amt von Griechenland, Herrn Noules, der auch ein chiffriertes sehr dringendes Telegramm der bulgarischen Gesandtschaft in Athen an Seine Exzellenz den bulgarischen Ministerpräsidenten Herrn Radoslawoff mitbrachte. Dieses Telegramm konnte wegen der in Athen von den Engländern und Franzosen eingerichteten Zensur nicht auf telegraphischem Wege aus Athen abgeschickt werden und wurde deshalb von Herrn Noules in einem Briefe dem Kommandeur der 10. bulgarischen Division zur Weiterbeförderung überbracht. Am Nachmittag dieses Tages wurde der drahtlose Telegraph von Kavalla durch gelandete englische Matrosen unbrauchbar gemacht.

28. August (10. September)

In der Unterredung am Morgen dieses Tages teilte mir der Major von Schweinitz im Namen des Feldmarschalls von Hindenburg mit, dass das auf verschiedene Garnisonen in Mazedonien verteilte Armeekorps den Unternehmungen des bulgarischen Heeres hinderlich sei, weshalb es in Drama konzentriert werden müsse. Sollte die Garnison von Kavalla sich weigern nach Drama abzumarschieren, so würde gegen sie Gewalt angewendet werden.

Ich merkte sofort, dass dieser Vorschlag die Gefangennahme des ganzen Armeekorps durch die Bulgaren bezweckte, da das Korps so endgültig von seiner vom Meere herführenden Verbindungslinie abgeschnitten würde. Ich erwiderte deshalb, dass die Befehle, die ich hätte, im Gegenteil eine Konzentration des Korps in Kavalla bestimmten und das ich die Befehle des Königs einholen müsste, ehe ich einen solchen Vorschlag annähme, und ich wünschte zu diesem Zweck einen Offizier über Monastir nach Athen zu schicken. Ich ging sogar noch weiter und wies den genannten Major darauf hin, dass die politische Lage in Griechenland unverändert geblieben und infolgedessen die Ausführung seines Vorschlags die Lage unseres Königs nur ernstlich schädigen könne, da es sich darum handele, dass das Armeekorps in die Gefangenschaft der Bulgaren käme. Er erwiderte mir, dass der Feldmarschall nicht so sehr die politische Seite wie die militärische Notwendigkeit berücksichtige und willigte auch nicht in die Entsendung eines Offiziers nach Athen ein mit der Begründung, dass das zuviel Zeit erfordern würde. Ich müsste selbst den Entschluss fassen. Ich antwortete, dass ich nicht nach meinem eigenen Gutdünken einen Entschluss in einer so ernsten Frage fassen könnte, sondern die Kommandeure der grossen Truppeneinheiten zusammenrufen müsse, um einen endgültigen Entschluss zu fassen; jedenfalls aber wäre die Konzentration des Korps in Drama, da sie nichts anderes wäre als seine Gefangennahme durch die Bulgaren, unter keinen Umständen annehmbar.

Um aber dieser sicheren Gefangennahme zu entgehen, die unsere Herzen mit Schmerz erfüllt und unser Vaterland in eine sehr schwierige Lage gebracht hätte, wünschte ich von dem genannten Major zu erfahren, ob Sr. Exzellenz der Feldmarschall von Hindenburg uns die Ueberführung des Korps mit seinen Waffen nach Deutschland und den Aufenthalt dort verbürgen könne, und ich verlangte, dass auch der in Drama weilende Kommandeur der V. Division zur Beratung nach Kavalla käme. Der genannte Major versprach mir, dass er sofort die Befehle Sr. Exzellenz des Feldmarschalls über diesen meinen Vorschlag einholen würde und ersuchte mich um eine Unterredung für den nächsten Tag um dieselbe Stunde, um meine Antwort entgegenzunehmen.

In dem unmittelbar darauf zusammengerufenen Kriegsrat, an welchem der Kommandeur der V. Division nicht teilnahm, da ihm dies von den Bulgaren nicht erlaubt worden war, wurde beschlossen, dass das Armeekorps zuerst mit allen Mitteln danach streben solle, nach Altgriechenland zu kommen und unter dem Befehl seines Königs zu bleiben. Wenn aber der Abmarsch nach Altgriechenland nicht möglich wäre, dann sollte der Vorschlag des Majors von Schweinitz angenommen werden unter der Bedingung der Verbringung des Korps nach Deutschland.

Unglücklicherweise erlaubte trotz der stattgefundenen Bemühungen die englische Flotte die Einschiffung auf den vor Kavalla liegenden Schiffen nur denen, die die Grundsätze der Revolution gebilligt hätten, so dass uns nun kein Weg mehr übrig blieb, als der nach Norden.

29. August (11. September).

Bei dem Zusammentreffen mit dem Major von Schweinitz um 10 Uhr vormittags übergab mir dieser ein Telegramm des Feldmarschalls von Hindenburg, durch das die Ueberführung des Korps mit Waffen nach Deutschland, wo wir als Gäste würden betrachtet werden, zugesichert wurde.

Der genannte Major teilte mit indessen gleichzeitig mit, dass infolge eines Befehls, den er soeben von der Obersten bulgarischen Heeresleitung erhalten habe, der Abmarsch der Besatzung von Kawalla nach Norden nicht ausgeführt werde und die Dinge bleiben würden, wie sie wären.

Der Aufschub dieser Uebersiedelung hatte vermutlich zum Anlass jenes Telegramm des bulgarischen Gesandten in Athen an den bulgarischen Ministerpräsidenten, das oben erwähnt wurde, und in dem, wie mir der Ueberbringer des Telegramms, der Beamte Herr Noules mitteilte, aufklärende Nachrichten über die politische Lage in Griechenland gegeben und die Mitteilung über die Flucht unseres Königs nach Larissa, die die Bulgaren so sehr erschreckt hatten, dementiert wurde. Indessen ersuchte wider alles Erwarten um 1 Uhr nachm. der Major von Schweinitz um eine neue Unterredung für 3 Uhr, in der er uns dann mitteilte, dass der am Morgen angeordnete Aufschub der Ueberführung des Korps auf einem Missverständnis beruhe und die Besatzung von Kawalla in der Nacht vom 29. auf den 30. August in das von den Bulgaren besetzte Gebiet einmarschieren müsse. Als ihm nachgewiesen wurde, dass der Abmarsch der gesamten Besatzung in den noch übrig bleibenden Stunden unmöglich mit der erforderlichen Ordnung ausgeführt werden könnte wurde zugestanden, dass nur zwei vollständige Kampagnien durchmarschieren sollten, die als Geiseln für den folgenden Durchmarsch der gesamten Besatzung dienen würden.

Indessen kam abermals um 6 Uhr nachmittags am gleichen Tag ein Brief des erwähnten Majors, der darauf bestand, dass die ganze Besatzung unter allen Umständen während der Nacht durchmarschieren müsse, unter der Drohung, die Versprechen des Feldmarschalls von Hindenburg für ungültig zu erklären; würden diese aber aufgehoben, so wäre notwendigerweise das Armeekorps nunmehr in der Kriegsgefangenschaft der Bulgaren. Folglich wurde auf die Besatzung ein sehr starker moralischer Zwang ausgeübt, der nach meiner Meinung weder durch die politische Lage noch durch die Umstände gerechtfertigt war.

Auf solche Weise wurde sofort der Abmarsch nach Norden befohlen, der um 11 Uhr nachm. seinen Anfang nahm und natürlich infolge des gänzlichen Mangels an Zeit zur Vorbereitung in vollster Unordnung durchgeführt wurde. Aus demselben Grund konnte nur sehr wenig Material mitgenommen werden. Alle Magazine, in denen die Waffen, Munition, Bekleidung, Lebensmittel und das übrige Kriegsmaterial der Besatzung von Kawalla aufbewahrt wurde, blieben gefüllt. Ebenso blieb auch das ganze Material der Forts der Festung Kawalla zurück.

Am 30. August (12. September) kam die Besatzung von Kawalla in Drama an und wurde in den zur Verfügung stehenden Kasernen untergebracht.

Gleichzeitig mit unserer Ankunft dort wurden die mitgebrachten Maschinengewehre und Geschütze auf das dringende Verlangen der Bulgaren in einem besonderen Gebäude verschlossen, dessen Bewachung ein deutscher Offizier übernahm und nach zwei Tagen wurden sie auf Eisenbahnwagen verladen.

Am 31. August (13. September) mittags kam die Garnison von Prawi nach Drama, die von der 10. bulgarischen Division den Befehl dazu erhalten hatte, ehe der entsprechende Befehl von mir bei der Garnison eintraf. An demselben Tage traf abends auch das 16. Infanterie-Regiment aus Serres in Drama ein, auf direkten Befehl der bulgarischen Heeresleitung, ohne einen Befehl von mir.

Ihm hatten sich die Offiziere und Mannschaften der Polizeidirektion von Serres angeschlossenn deren Verbleiben in Serres und Demir-Hissar von den Bulgaren nicht erlaubt worden war.

Auf solche Weise wurde das ganze Armeekorps in Drama konzentriert.


Kriegsmaterial.

1.Material von Kawalla. Am 31. August (13. September) traf ein Brief des Kommandeurs der 10. Division ein, der die Einsetzung einer Kommission zur Uebergabe des Kriegsmaterials von Kawalla an die Bulgaren verlangte. Ich erwiderte dem Herrn Major von Schweinitz , der nach dem Telegramm von Feldmarschall von Hindenburg in allen Beziehungen zwischen mir und den bulgarischen Kommandobehörden der Vermittler sein sollte, dass eine Uebergabe speciell des Kriegsmaterials von Kawalla nicht durchgeführt werden könnte, da der Abzug der Besatzung von dort nicht freiwillig gewesen, sondern durch die Androhung von Gewalt uns aufgezwungen worden sei.

In der Zwischenzeit wurde wie ich erfuhr ein grosser Teil des Kriegsmaterials von Kawalla von dort durch die Bulgaren fortgeschafft, wobei es zum Teil auf Eisenbahnwagen in Drama verladen wurde.

2. Kriegsmaterial der übrigen Garnisonen. In Serres und Drama wurden gemischte Kommissionen zur Uebergabe des Kriegsmaterials an die Bulgaren eingesetzt. In Serres fand die Uebergabe ordnungsgemäß statt, wobei das Material abgezählt und die entsprechenden Protokolle aufgesetzt wurden; aber ein Teil des Kriegsmaterials von Serres und Demir-Hissar, den die VI. Division, als sie nach Kawalla marschierte, auf der Bahn bis nach Tholos gebracht und dort zurückgelassen hatte, weil sie ihn nicht weiter transportieren konnte, wurde nicht übergeben.

Ebenso wurden Protokolle für das Kriegsmaterial von Drama aufgesetzt, aber die bulgarischen Offiziere, die Mitglieder der gemischten Kommission waren, unterschrieben die Protokolle nur unter Vorbehalt mit der Begründung, dass keine genügende Zeit zur Abzählung des Materials vorhanden war.

In Prawi verstanden sich die Bulgaren nicht dazu, das dort gebliebene Material zu übernehmen. Deshalb wurden die Magazine mit Siegellack versiegelt, die Schlüssel den Bulgaren übergeben.

Das Material der Sperrforts war zum Teil nach Kawalla geschafft und blieb dort mit dem übrigen Material, zum Teil blieb es in den Forts und wurde nicht übergeben.

In solcher Weise wurden wegen des beschleunigten Rückzuges des Korps sehr grosse Mengen von Kriegs- wie auch sonstigem Material wie auch von Lebensmittel im Werte von vielen Millionen in den Garnisonen von Mazedonien zurückgelassen; unter dem Gesichtpunkt aber, dass unter den gegenwärtigen Umständen die Versorgung mit Kriegsmaterial fast unmöglich ist, wenigstens für die kleinen Mächte, ist der Schaden der dem griechischen Reiche entstand, sehr schwer und nicht wieder gut zu machen.

Soweit aber die Rückgabe dieses Kriegsmaterials dem Gegenstande nach an Griechenland nicht möglich ist, muss im Einklang mit den Erklärungen der Gesandten Deutschlands und Bulgariens in Athen die entsprechende Entschädigung geleistet werden.

Damit man sich annähernd eine Vorstellung von dem zurückgelassenen Material machen kann, bemerke ich, dass in den Garnisonen von Mazedonien etwa 100 schwere und leichte Geschütze zurückgelassen wurden.

Über das in Mazedonien preisgegebene, mannigfache Kriegsmaterial und über die Tiere wird der K. Griechischen Gesandtschaft in Berlin eine eigene detaillierte Aufstellung unterbreitet werden.

Tiere. Was die Tiere des Armeekorps betrifft, so übernahm, da der Transport auch nur eines einzigen derselben nach Deutschland von den bulgarischen Kommandobehörden verboten wurde, der Major von Schweinitz den Verkauf derselben, nachdem er alles auf 1375800 M abgeschätzt hatte. Die Ablieferung des Geldes sollte sofort an das Armeekorps erfolgen, jedoch ist das bis heute nicht ausgeführt.

Abmarsch mit der Bahn von Drama. Der Abmarsch des Armeekorps von Drama nach Deutschland geschah in 10 Zügen, von denen der erste am 2./15. September, der letzte am 14./27. September abging. Zwischen dem Abgang des dritten und vierten Zuges lagen fünf Tage und es wurde die Unterbrechung des Transportes von den Bulgaren mit den in jenen Tagen stattfindenden Truppenverschiebungen erklärt. Seit dem vierten Zuge ging dann jeden Tag ganz regelmässig ein Zug ab.

Mit dem letzten Zuge rückte auch die gesamte Gendarmerie von Mazedonien ab, da der Polizeidirektion von Drama von den Bulgaren nicht erlaubt wurde weiter ihren Dienst auszuüben, wie dies auch der Polizeidirektion von Serres nicht erlaubt wurde.

Ankunft in Görlitz. Die Ankunft des Armeekorps in Görlitz fand zwölf Tage nach dem Abmarsch von Drama statt. Die Offiziere wurden in Privatquartieren zur Miete untergebracht, die Mannschaften im Lager bei der Stadt.

Vorhandene Beschwerden.

1.) Die Besatzung von Kawalla wurde, obwohl Griechenland sich in freundlichen Beziehungen zu Bulgarien befand und durchaus dieselbe Politik der Neutralität befolgte und obwohl das Armeekorps dem Einmarsch der bulgarischen Truppen in Ostmazedonien keine Schwierigkeiten bereitete, durch Androhung von Gewalt gezwungen ihre Garnison, in die sie gestellt war, zu verlassen, ohne dass dem Korpskommandeur vorher erlaubt worden wäre, die Befehle Sr. Majestät des Königs einzuholen.

2.) Der Abmarsch der Besatzung aus Kawalla geschah in wenigen Stunden nach der endgültigen Mitteilung von einer zwangsweisen Räumung von Kawalla. Infolgedessen geschah der Abmarsch beschleunigt und in Unordnung, wobei auch noch Geschütze zurückgelassen wurden, die nach dem schriftlichen Versprechungen des Feldmarschalls von Hindenburg mitgenommen werden sollen und viele Offiziere keine Zeit hatten ihr Gepäck mitzunehmen.

3.) Obwohl die Besatzung von Kawalla ungefähr 2 Wochen in Drama blieb, wurde den Offizieren trotz wiederholter Bitten von den Bulgaren nicht gestattet ihr Gepäck zu holen, ja nicht einmal ihre Uniformen, daher sind auch heute noch sehr viele Offiziere nur im Besitz der Felduniformen, die sie tragen.

4.) Bei dem Abmarsch des Korps aus Drama wurde uns nicht mehr als zwei Eisenbahnwaggons mit Heeresbedarf mitzunehmen erlaubt, was durchaus ungenügend war.

Abgesehen von den genannten Beschwerden spricht das Armeekorps seine dankbare Gesinnung aus für die Fürsorge, die es während der vieltägigen Reise bis Görlitz ebenso wie während des Aufenthaltes daselbst erfahren hat, wo ihm jede Freundlichkeit zuteil wird, und alle seine Wünsche bei den deutschen Militärbehörden Gehör finden.

Zum Schluss spricht das Korps die Hoffnung aus, dass die deutsche Regierung und Heeresleitung, die uns bisher so viele Beweise von Sympathie gegeben hat, die Güte haben möchte, den lebhaftesten seiner Wünsche zu erfüllen, dass nämlich das Korps bald wieder nach Griechenland zurückkehren und sich unter den Befehl S.M. unseres Königs stellen könnte, der unter den gegenwärtigen Umständen sein treues Heer dringend nötig braucht.

Görlitz, den 13./26. Oktober 1916.


Der Kommandeur des IV. Armeekorps.

[Chatzopoulos.]




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