1916-01-24-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14089
Zentraljournal: 1916-A-02530
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 01/28/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 29
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/22/2012


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



No. 29

Pera, den 24. Januar 1916

Auf den Erlass vom 12. Dezember v.Js. – Nr. 9491 -.

Der hiesige Minister des Äussern, Halil Bey, hat auf meine Vorstellungen hin auf das entschiedenste bestritten, dass zwangsweise Bekehrungen der Armenier zum Islam in nennenswertem Umfange versucht worden seien. Bei den vorgekommenen Fällen von Übergriffen unterer Beamter seien die Betreffenden bestraft worden.

Die Versicherungen des Ministers stehen in Widerspruch mit den übereinstimmenden Berichten, die der Kaiserlichen Botschaft wiederholt über diese Frage aus verschiedenen Lokalitäten und aus von einander unabhängigen Quellen zugegangen sind.

Aus den eingehenden Angaben des Vizekonsuls Kuckhoff in Samsun, die von anderer Seite bestätigt wurden, ist zu schliessen, dass namentlich in den Distrikten am Schwarzen Meer die Islamisierung der Armenier - teils durch Überredung, teils durch Drohungen - in grösserem Umfange durchgeführt worden ist.

Allerdings haben anderwärts, wo zahlreiche Armenier aus eigenem Antriebe, um der Verbannung und Vermögenskonfiskation zu entgehen, sich zum Übertritt zum Islam entschlossen, die Behörden diese Bewegung nicht begünstigt und die Übergetretenen trotzdem verschickt. Anscheinend befürchtete man, dass durch weitere Massenübertritte der eigentliche Zweck der Armenieraustreibungen: die völlige Unschädlichmachung der armenischen Bevölkerung vereitelt werden könnte.

Seitdem ist ein anderer, weniger auffälliger, Weg eingeschlagen worden.

So berichtete der Konsul Büge in Adana im Oktober v.Js., dass der Leiter des dortigen türkischen Waisenhauses den christlichen Zöglingen eröffnet habe, dass in einem osmanischen Waisenhause die christliche Religion keinen Platz hätte; wer nicht zum Islam übertrete, müsse das Haus verlassen. Daraufhin verliessen die christlichen Kinder das Haus mit Ausnahme von 14 Knaben, die vermutlich inzwischen zum Islam übergetreten sind.

Ferner teilte der armenische Patriarch Mitte Dezember hierher mit, dass man in Anatolien begonnen habe, die weiblichen Mitglieder der verschickten armenischen Familien, deren männliche Mitglieder umgekommen oder verschollen sind, gruppenweise auf mohammedanische Dörfer zu verteilen, um sie dem Islam zuzuführen; auch habe das Kriegsministerium angeordnet, dass sämtliche im Heeresdienste befindlichen Armenier, Mohammedaner werden und schon jetzt mohammedanische Namen erhalten sollten, während die eigentlichen Formalitäten mit Rücksicht auf den Kriegszustand für später vorbehalten werden.

Endlich wird behauptet, dass auch hier in der Hauptstadt von Türken vielfach auf Armenier eingewirkt werde, damit sie zum Islam übertreten; doch ist die Zahl der Übergetretenen im Verhältnis zur Gesamtzahl der hiesigen armenischen Bevölkerung nur geringfügig. Angeblich haben bis jetzt nur einige 20 Armenier den Islam angenommen, darunter namentlich solche, die in Anatolien begütert sind und durch den Übertritt ihr Vermögen zu retten suchen.


Metternich

1 A 35310.



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