1915-11-21-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 20194
Zentraljournal: 1915-A.S.-5807
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 11/21/1915 10:50 AM
Telegramm-Ankunft: 11/23/1915 05:00 AM
Praesentatsdatum: 11/23/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 55
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 21. November 1915

Für Chef des Generalstabes Feldheeres:

Metaxa sagt mir im Einverständnis mit S.M. den König vertraulich, daß S.M. der König an Lord Kitchener folgendes erklärt hat:

Es sei nicht die Absicht des Königs die Ententetruppen anzugreifen oder Gewalt gegen sie zu gebrauchen, er könne aber auch nicht dulden, daß griechisches Gebiet zur Operationsbasis gegen andere Staaten werde, mit denen sich Griechenland nicht im Kriege befinde. Daher dürften die Ententetruppen, wenn sie sich vor ihren Gegnern auf griechisches Gebiet zurückzögen, keinen Anteil mehr an diesen Operationen nehmen, daß heißt, sie müßten mindestens abfahren. In diesem Falle könne Seine Majestät eine Verpflichtung dafür übernehmen, daß die Ententetruppen durch Deutschland auf griechischem Gebiet nicht angegriffen würden. Wenn sich aber die Ententetruppen auf griechisches Gebiet zurückzögen, um sich dort zu behaupten, und zu diesem Zweck Gewalt gegen Griechenland anwenden wollten, so würde der König seine Grenzen sofort deutschen Truppen öffnen, die griechische Armee nach beiden Seiten ausweichen lassen oder demobilisieren und den Deutschen freie Hand für Angriffe gegen die Ententetruppen lassen.

Wenn die Entente hoffe durch die Aussicht, daß deutsche Truppen griechisches Gebiet betreten, Griechenland in den Krieg treiben zu können, so täusche sie sich. Griechenland werde neutral bleiben. Seine Majestät hoffe deshalb, daß die Entente bald zur richtigen Erkenntnis dieser Sachlage kommen und sich zur Zeit zur Abfahrt von Salonik entschließen möge.

Seine Majestät habe die Ententetruppe nicht gerufen. Auch im Auswärtigen Amt sei kein Schriftstück vorhanden, nach welchem Venizelos die Entente nach Salonik gerufen hätte. Ein privates Unternehmen von Venizelos gehe Seine Majestät aber nichts an, sei außerdem gegen die Verfassung; und gerade England lege ja so großen Wert auf genaues Einhalten der Verfassung.

Metaxa fügte hinzu, daß der König den Eindruck habe, daß Entente Salonik-Unternehmen aufgeben werde, da jede Hoffnung verloren sei, Griechenland mitzureißen.

Metaxa selbst hatte langes Gespräch mit Lord Kitchener, widerlegte anscheinend sehr gut die recht laienhafte Ansicht Lord Kitcheners über die jetzige allgemeine Kriegslage. Kitchener erklärte dann, die kleinen Unternehmungen der Entente, die keine Entscheidung brächte, seien zwecklos; die Lage an Dardanellen sei für England sehr schwierig, der entscheidende Schlag werde in Egypten oder Frankreich fallen.

England werde spätestens in drei Jahren eine Armee von 3 Millionen haben, worauf Metaxa antwortete: Vielleicht 3 Millionen Menschen, aber keine Armee, da Führer und Kaders fehlen; außerdem halte bis dahin Frankreich und Rußland nicht aus. Metaxa hatte den Eindruck, daß Kitchener nicht gegen einen Frieden ist; Kitchener äußerte: Wir wollen Deutschland nicht zerschmettern; Deutschland soll nur nicht allein in Europa herrschen; wir wollen aber une paix favorable. Worauf Metaxa antwortete: Und Deutschland une paix honorable.

Falkenhausen.


[Mirbach]



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