1915-10-05-DE-008
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Quelle: DE/PA-AA/R 20017
Zentraljournal: 1915-A-29155
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 10/05/1915 09:20 AM
Telegramm-Ankunft: 10/08/1915 03:20 PM
Praesentatsdatum: 10/08/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1290
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 5. Oktober 1915

<Das heute in früher Morgenstunde Herrn Venizelos mit 142 gegen 102 Stimmen erteilte Vertrauensvotum hatte den König zunächst ziemlich erregt, weil diese Abstimmung, rein äußerlich und formell betrachtet, doch immerhin einen Erfolg des Ministerpräsidenten darstellt.

Als ich Seine Majestät heute vormittag sah, hatte aber bereits eine ruhigere und beinahe entschiedene Auffassung der Lage Platz gegriffen. Seine Majestät äußerte sogar - sicher auch unter dem Eindruck des Allerhöchsten Telegramms Nr. 12 aus dem Grossen Hauptquartier, welche ich eben überreicht hatte - jetzt mit der Beseitigung des Herrn Venizelos wirklich Ernst machen zu wollen; denn der Ministerpräsident habe gestern im Eifer der Debatten die eigentlichen Ziele seiner Politik so vollständig entschleiert, dass der Zwiespalt zwischen ihm und der Krone klar an den Tag gelegt sei.

Nach dem Grundsatz, dass man die Stimmen wägen und nicht zählen soll, waren Seine Majestät sichtlich davon beeindruckt, dass sämtliche oppositionellen Führer Gunaris, Rhallis, Theotokis und Dimitracopulos einhellig gegen Venizelos aufgetreten waren. Der König war sich aber noch nicht ganz schlüssig, ob er diese 4 Herren, eventuell auch noch Zaimis und Dragumis, betreffs der Lage hören solle.

Ich habe Seine Majestät in dieser Absicht entschieden zu bestärken gesucht, erinnerte an den Kronrat im März, der auch, unter damals für den König viel schwierigeren Verhältnissen, zur Entlassung Venizelos geführt hatte.

Seine Majestät pflichtete dem auch bei und waren schließlich so weit, die Entscheidung schon für heute nachmittag ins Auge zu fassen. Wenn Venizelos sich bis dahin nicht in Tatoi angemeldet habe, wolle er selbst in die Stadt fahren und die Situation klären.>

Trotz dieser anscheinend so günstigen und festen Disposition darf aber nach den zahlreichen enttäuschenden Erfahrungen der letzen Wochen noch immer nicht mit unbedingter Sicherheit auf ein günstiges Ergebnis gerechnet werden.


[Mirbach]
[Jagow an Treutler (Nr. 1359)]

K. Gesandter telegrafirt unter dem 5. October: < >

Anheimstelle ob nicht jetzt Telegramm S. M. des Kaisers angezeigt wäre, in dem Allerhöchstderselbe seine Freude über die muthige und zielbewußte Haltung des Königs Ausdruck geübt, durch welche Griechenland hoffentlich vor schweren Gefahren bewahrt wurde.



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