1921-05-24-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/NL/Rößler/Bd.2
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: P. 18299
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/30/2012


Der Verteidiger im Strafprozeß Teilirian, Gordon, an den ehemaligen Konsul in Aleppo Walter Rößler

Privatschreiben



Berlin W.8, den 24. Mai 1921.
Mohrenstraße 19

Sehr geehrter Herr Konsul!

Am 2. Juni d.Js. steht hier Termin zur Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts III, Berlin N.W. 52, Turmstrasse 91, Portal 4, 3. Stock, Zimmer 664, gegen den armenischen Studenten Teilirian an, welcher am 15. März d.Js. den früheren türkischen Großwesir Talaat Pascha erschossen hat. Es kommt für die Verteidigung darauf an, die Stärke des Motivs darzutun, welches den jungen Mann, der bei einem Gemetzel bei der Deportation von Erzyngian im Juni 1915 seine Eltern, Brüder und Schwestern verloren hat und selbst schwer verwundet wurde, zu der Tat bestimmte. Zu diesem Zwecke soll durch eine Reihe von Zeugen, die die Verfolgung der Armenier mit erlebt haben bezw. darüber berichten können, der Umfang der Grausamkeiten vorgeführt und, soweit möglich, die Verantwortlichkeit Talaat Paschas für diese Greuel dargetan werden. Auch Sie sollen nach uns gewordenen Mitteilungen in der Lage sein, über diese Verhältnisse Tatsächliches auszusagen.

Sie haben sich auch eingehend in einem mir vorgelegten Briefe vom 25. April 1921 darüber geäussert, dass eine Reihe von, uns in Abschrift und Uebersetzung vorliegenden Depeschen, die Talaat Pascha als Minister des Innern an die türkischen Behörden in Aleppo gerichtet hat und die rücksichtsloses Vorgehen gegen Armenier verlangen, den Aeusserlichkeiten nach und auch inhaltlich in die Ihnen aus eigener Anschauung bekannten damaligen (1915) persönlichen und sachlichen Verhältnisse hinein passen und den Charakter der Echtheit tragen.

Endlich haben Sie, als der Verschickungskommissar aus Konstantinopel in Aleppo ankam, versucht, etwas für die Armenier zu sorgen und sich mit der Bitte an den Verschickungskommissar gewandt, einige Armenier, die in deutschen Diensten gestanden hatten, freizugeben. Er soll dies in schroffster Weise abgelehnt und in schroffem Tone geantwortet haben: „Vous ne comprenez pas ce que nous voulons. Nous voulons uns Arménie sans Arméniens.»

Ihre Aussage ist unter Umständen von grösster Wichtigkeit. Sie bietet aber auch über das einzelne Interesse des Falles eine willkommen Gelegenheit, den Verleumdungen entgegen zu treten, als ob wir Deutsche die Massacres gebilligt, geduldet oder gar angezettelt hätten. Es ist mir durch Herrn Lepsius mitgeteilt worden, dass gerade Sie in besonderem Maße in der Lage sind, solchen Verleumdungen entgegen zu treten und zu bekunden, dass ganz im Gegenteil die Massacres von Deutschen in höchstem Maße missbilligt wurden und dass von deutscher Seite stets von neuem versucht ist, den Massacres entgegen zu treten.

Zu meinem Bedauern ist es bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr möglich, die der Verteidigung an sich zustehenden Ladung durch den Gerichtsvollzieher Ihnen in Eger zugehen zu lassen, weil dies nur auf diplomatischen Wege zulässig sein würde. Auch das Gericht könnte sie nicht anders wie auf diplomatischem Wege laden. Unter diesen Umständen bitte ich Sie, zum Termin nach Berlin zu kommen. Für Ihre Reisekosten (Billet I. Klasse hin und zurück) sowie die Ihnen als Beamten zustehenden oder nach freiem Ermessen zu liquidierenden Aufenthaltsunkosten etc. komme ich persönlich auf. Den überschläglichen Betrag dieser Reisekosten werde ich Ihnen, sobald Sie in Berlin eingetroffen sind, durch mein Büro zustellen lassen.

Ich bitte Sie, es möglichst so einzurichten, dass Sie schon am Mittwoch, den 1. Juni, hier sind und mir rechtzeitig mitzuteilen, in welchem Hotel Sie absteigen, damit ich Ihnen durch den Gerichtsvollzieher die offizielle Ladung zustellen lassen kann.

Ich hoffe, dass dieses Schreiben ausreichen wird, um Ihnen einen etwa erforderlichen Urlaub zuermöglichen. Sollte dies auf Schwierigkeiten stossen, so bitte ich, mir solches zu telegraphieren. Ich werde dann die Hilfe des Gerichts zu diesem Zweck in Anspruch nehmen.


Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. v. Gordon
(Geheimer Justizrat)

[Notiz Rößler 26.5.]

Nur mit Genehmigung des Auswärtigen Amtes kann ich nach Berlin reisen und als Zeuge vernommen werden. Anheimstelle sich dorthin zu wenden.


[Antwort Rößler 28. 6. 1921]

Bezugnehmend auf das gefällige Schreiben vom 24. ds.Mts. durch welches Euer Hochwohlgeboren den Wunsch nach meiner Vernehmung als Zeuge in der Prozeßsache gegen den Mörder Talaat Paschas ausgedrückt haben, teile ich ergebenst mit, das ich auf Grund einer telegrafischen Weisung des Auswärtigen Amtes nach Berlin reisen und mich so einrichten werde, dass ich spätestens am 31. Abends dort bin.

Ich steige bei meinem Schwager Herrn Green Berlin-Wilmersdorf Nassauischestrasse 9 ab.


Mit dem Ausducke der vorzüglichsten Hochachtung



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