1914-08-18-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 19889
Zentraljournal: 1914-A-17689
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 08/18/1914 01:00 AM
Telegramm-Ankunft: 08/18/1914 09:45 AM
Praesentatsdatum: 08/18/1914 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 529
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 529

Therapia, den 18. August 1914

<Admiral Lympus hatte für heute einen Empfang bei Enver nachgesucht, um eine vertrauliche Botschaft des englischen Marineministers Winston Churchills zu überbringen. Herr Churchill liess den Kriegsminister an ihre früheren guten Beziehungen (kurzer Besuch Envers in London als er s. Zt. Militärattaché in Berlin war) erinnern und ihn des weiteren Wohlwollens Englands für die Türkei versichern. Er bedaure lebhaft die Zurückhaltung türkischer Kriegsschiffe, die sich nach den herrschenden Landesgesetzen nicht habe vermeiden lassen. Man werde der Türkei das Geld zurückerstatten und ihr obendrein nach Beendigung des Krieges die beiden Schiffe schenken. Bei Betrachtung der jetzigen politischen Lage unterlasse er es nicht die Türkei auf die althergebrachten guten Beziehungen mit England hinzuweisen. Er wisse, dass manche Kräfte am Werk seien, die Türkei von ihrer bisherigen Haltung abzubringen. Sie möge aber nicht vergessen, dass augenblicklich die Flotten Englands, Frankreichs, Russlands und Japans die Welt beherrschten. Für die Türkei würde es nützlich sein, wenn sie jetzt die in ihren Diensten befindlichen Deutschen entlasse. Die seien dort mit hinterhaltigen Zielen und würden das Land ins Unglück stürzen. Für die Türkei gäbe es nur eine nützliche Politik, diejenige absoluter Neutralität. Der Ankauf der deutschen Schiffe sei begreiflich. Die deutschen Marinemannschaften solle man behalten, man könne von ihnen in Führung und Handhabung der Schiffe zweifellos manches lernen. England sei gern bereit, nach Beendigung des Kriegs die deutschen durch geeignete englische Kräfte zu ersetzen. Der Kriegsminister hat Herrn Churchill für die treue Freundschaft und friedliche Anteilnahme an den Geschicken der Türkei vielmals danken lassen.

Enver Pascha erzählte heute Kapitän Humann, dass der russische Militärbevollmächtigte gestern und vorgestern bei ihm gewesen sei. Nach dem ersten einleitenden Besuch habe er ihm in unverbindlicher Form ein Bündnis mit Russland angeboten. Schadloshaltung der Türkei in Thracien und die Inseln. Enver habe geantwortet, er selbst halte diese Bündnisidee für äusserst glücklich, sei aber nur Militär und habe im Ministerrat keinen Einfluss auf die Politik. Der Militärbevollmächtigte habe auf die unerschöpflichen Machtmittel Russlands hingewiesen und seiner Freude über Enver Paschas Einsicht Ausdruck gegeben. Nach Ansicht des Kriegsministers hat er über diesen „günstigen“ Erfolg seiner Unterredung berichtet, jedenfalls lassen die heutigen Telegramme des türkischen Botschafters in Petersburg eine überraschend freundliche Haltung der russischen Regierung durchblicken. Im Verlauf der gestrigen Unterredung hat der russische Vertreter vor den hier anwesenden Deutschen gewarnt. Besonders das neue von der Türkei übernommene Marinekontingent bedürfe nach Ansicht seiner Regierung besonderer Ueberwachung. Es sei am besten, die deutschen Offiziere und Seemänner baldmöglichst nach Deutschland zurückzubefördern, denn sie würden hier zweifellos im Auftrage ihrer Regierung Unheil anrichten.

Enver hinwies scherzend darauf, dass sich die Verbündeten scheinbar über die Behandlung der Goeben und Breslau nicht ganz einig seien. Jeder sei gar zu selbstlos in der Beratung der Türkei.>


[Wangenheim]
[Zimmermann an Wilhelm II (Nr. 8); Bethmann Hollweg (Nr. 15); Jagow (Nr. 12)]

S.M. Botschafter in Konstantinopel telegraphiert: <...>



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