1915-03-05-DE-006
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Quelle: DE/PA-AA/R 19962
Zentraljournal: 1915-A-86504
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Bericht des Kapitäns der Ekbatana (Lewin)





Abschrift.

Bericht des Herrn Kapitän Lewin vom Dampfer „Ekbatana“.

Am 8. August 1914 dampften den Schatt al Arab aufwärts und vermoorten "Ekbatana“ auf Basra Rehde, entlöschten bis zum 15. August den Rest der aus Eisenbahnschienen und Schwellen bestehenden Ladung. Erhielten durch den Hafenkapitän Anweisung, weiter flussaufwärts zu dampfen. Am 17. August veränderten wir unseren Liegeplatz und vermoorten das Schiff querab von Scheiks-Palast. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, nahmen noch ca. 150 tons Kohlen an Bord. Anfang August wurde mir durch unsere Agentur Wönckhaus & Co., die zugleich durch Herrn Gloye das deutsche Consulat in Basra vertrat, mitgeteilt, dass D. "Ekbatana“ laut Order der Hamburg-Amerika Linie in Basra liegen bleiben solle. Auch erfuhren wir, dass die türkische Regierung in Unterhandlung wegen Ankaufs unseres Schiffes zu Kriegszwecken mit der H.A.L. in Verbindung stehe. Ich fragte dieserhalb bei unserer Direktion um Verhaltungsmaßregeln an, worauf die Agentur und ich ein Telegramm, datiert den 10. September erhielt: „Befolgt Order des Deutschen Botschafters Constantinopel.“ Nach Verlauf einiger Zeit erschien in Begleitung des Konsulatverwesers Herrn Gloye eine aus vier türkischen Offizieren und Ingenieuren bestehende Kommission, welche Schiff und Maschine in Augenschein nahm und die Schiffspapiere prüfte. Den Wert des Schiffes gaben wir auf Befragen auf £ 60 000 an. Im Laufe der weiteren Zeit bat mich Herr Gloye, der auf gutem Fusse mit dem Wali in Basra stand, die „Jonas Scott“ mit meiner Mannschaft zum Versenkungsplatz bei Mohammereh hinunter zu führen. Obgleich das 50 Jahre alte Schiff schon längere Zeit auflag, gelang es unseren Ingenieuren nach vieler Mühe, Dampf aufzumachen und dampfte ich damit nach dem Bestimmungsplatze. Auf Wunsch des Wali Schukri Pascha blieben „Ekbatana“ vom l. Oktober bis 10. Oktober unter Dampf mit klarer Maschine liegen. Den Verbrauch der Kohlen gaben wir der Regierung mit 70 tons an. Es wurde während der Zeit eine Parti Streichhölzer (170 Kisten), welche für Bushire bestimmt waren, aber irrtümlich die Marke „Basra“ trugen, entlöscht. Des weiteren erfuhren durch das Consulat von Bagdad, dass die H.A.L. den Kaufpreis der „Ekbatana“ auf Frs. 1200000 festgesetzt habe, dass aber der Kaufpreis der türkischen Regierung ein zu hoher sei und dieselbe von einem Ankauf absähe. Da die Dattel-Ausfuhr fast lahmgelegt war, herrschte grosse Teuerung und Unsicherheit im Lande und hielt ich es für richtiger, das Inventar des Schiffes an Bord zu belassen. Am 27. Oktober erhielt ich von Herrn Gloye ein Schreiben, wieder Dampf aufzumachen und mich fahrtbereit zu halten. Herr Gloye telegraphierte an den Consul Hesse in Bagdad, zwecks Verhaltungsmassregeln, worauf derselbe antwortete, dass er vom deutschen Botschafter in Constantinopel keine Informationen erhalten hätte, dass aber nach seiner Meinung das Schiff, da es ja zur Verteidigung des Landes liegen solle, nicht zu halten sei und abgegeben werden müsse. Herr Gloye trat in Unterhandlung mit dem Wali, der erklärte, dass er fest entschlossen sei, falls nötig, das Schiff mit Gewalt zu nehmen, einerlei, ob der Kaufpreis anerkannt sei oder nicht. In der Nacht vom 31. Oktober bis 1. November überbrachten mir Polizeisoldaten eine schriftliche Mitteilung, der Wali habe angeordnet, das Schiff morgens fahrtbereit zu halten. Daraufhin legte ich am 1. November in aller Frühe Protest beim deutschen Consulat ein, welcher lautet:

„Basra, den 1. November 1914. An das kaiserlich Deutsche Consulat in Basra. Unter Bezugnahme auf die früheren Mitteilungen des deutschen Consulates, dass die hohe Pforte den Kauf der „Ekbatana“ wegen der Höhe des Preises abgelehnt habe, sehe ich mich nunmehr genötigt, gegen die Verwendung des Schiffes zu Kriegszwecken durch die türkische Regierung Protest einzulegen. Diesen Protest werde ich solange aufrecht erhalten, bis ich durch den deutschen Botschafter in Constantinopel anderweitig informiert worden bin. Sollte mir das Schiff dennoch weggenommen werden, so muss ich diese Handhabung billigerweise als einen Gewaltakt ansehen. Betreffs des Preises der Rückbeförderung der Mannschaften sowie aller notwendigen Unkosten behalte ich mir durch diesen Protest alle meine Ansprüche gegen die türkische Regierung vor. Sollte der Dampfer von der türkischen Regierung genommen werden, so müsste uns diese genügend Bargeld zur Verfügung stellen, damit ich mit meiner Mannschaft nach Deutschland abreisen kann.“

Am 2. November lief ein offizielles Schreiben betreffs Uebergabe des Schiffes vom deutschen Consulat ein. Es erschienen fünf türkische Marineoffiziere, sowie eine Abteilung bewaffnete Soldaten und nahmen Besitz vom Schiff. Die Offiziere baten mich, das Schiff herunterzuführen, da sie nicht dazu imstande seien. Ich willigte ein unter der Bedingung, die deutsche Flagge zu führen, bis das Schiff bei der S.M.S: „Marmaris“ angekommen sei. Bald darauf lichteten wir Anker, dampften, das deutsche Consulat zum letzten Male grüssend, Revier abwärts. Während der Fahrt hatten wir einen Leichter längsseits, worin wir Inventar, Proviant und Affekten hineinluden. Gegen 4.00 Uhr p.m. gelangten in Nähe von S.M.S. „Marmaris“ woselbst der Flaggenwechsel stattfand. Nach dem Flaggenwechsel schickten wir uns an, von Bord zu gehen, jedoch baten mich die türkischen Offiziere dringend, das Schiff doch gleich nach dem Versenkungsplatz hinunter zu bringen. Ich versammelte meine Mannschaft und erklärte ihnen die veränderte Sachlage. Da dieselben ohne Ausnahme einwilligten und da wir auch Interesse hatten, dass unser Schiff nicht umsonst geopfert würde, lichteten wir Anker und dampften nach dem Versenkungsplatz. Es gelang mir, das Schiff in eine äusserst vorteilhafte Lage zu bringen, sodass dadurch eine vollständige Sperre entstand. Es waren schon vorher drei Schiffe dort versenkt worden, die aber alle in wenig vorteilhafter Lage lagen. Ich gab dem Kommandant /Hafenkapitän von Basra den wohlgemeinten Rat, das Schiff sofort versenken zu lassen, da es durch die starke Strömung trotz bester Verankerung und Vertauung aus der jetzt günstigen Lage gerissen würde. Alles Reden meinerseits war umsonst, im Gegenteil der Kommandant meinte, dass wir das Schiff eventuell noch wieder zurück erhielten, welches Anerbieten ich natürlich mit Entrüstung ablehnte. Schweren Herzens verliessen wir unser schwimmendes Heim, und dampften mit Schlepper „Samara“/Bagdadbahn mit dem Inventarleichter und zwei Rettungsbooten Revier aufwärts und quartierten uns bei der Agentur in Basra ein. Auf Anfrage an die H.A.L. erhielten wir die Antwort in Basra vorläufig zu bleiben. Am 4. November schickte, zwecks nochmaliger Aufklärung der Maschinenanlage, den III. Ingenieur Brock nebst Begleitung an Bord und berichtete derselbe, dass das Schiff noch genau in derselben günstigen Lage sei. In der Nacht vom 4- 5 November begann es aus S.W. zu wehen, durch Regengüsse die starken Ebbstrom verursachten, wurde das Schiff aus seiner Lage gerissen. Der Kommandant der Marmaris erschien am 5. November morgens bei mir und bat mich nochmals, mit meiner Crew herunter zu kommen, um das Schiff wieder gut hinzulegen. Ich willigte ein und fuhr mit meinen Leuten zum Versenkungsplatz. Dampfer „Ekbatana“ hatte schon eine sehr starke Schlagseite nach B.B. und das Wasser stand schon mehrere Meter im Maschinenraum hoch. Nach Aussage des Kommandanten hatten die Ingenieure schon entgegen seiner Order Ventile zwecks Versenkung geöffnet. Wie ich später erfahren habe, ist der Deckel von der Circulationspumpe entfernt worden. Wir wollten den Hilfskessel in Betrieb setzen, um die Anker aufzuhieven und das Wasser aus dem Maschinenraum zu pumpen, doch stand der Kessel bereits im Wasser. Wir haben Ebbe und Flut abgewartet und bis in die Nacht Versuche gemacht, das Schiff wieder in die richtige Lage zu bekommen, doch war dies ohne Dampf nicht möglich. Am 6. November war der I. Maschinist Herr Gramberg, auf Aufforderung des Kommandanten nochmals an Bord, um die Versenkung zu beschleunigen; er konstatierte, dass das Wasser schon in den vorderen Unterräumen bis zum Hauptdeck stand. Ein nochmaliges Aufsuchen des Schiffes meinerseits wurde durch die türkische Regierung vereitelt, indem mir das bewilligte Motorboot nicht geschickt wurde. Am 7. November kündigte die Mannschaft. Am 10. November wollten alle nach Bagdad abfahren, doch war der Andrang von Flüchtlingen so gross, dass nur 15 Mann erst fahren konnten, der Rest der Besatzung und ich folgten am 12. November. Basra bot in den letzten Tagen unseres Abganges ein überaus kriegerisches Bild. Tausende von Arabern, Beduinen, Anatolier und Türken fuhren stromabwärts nach Fao, wo Kämpfe stattfanden, ausserdem machte sich bei der mohammedanischen Bevölkerung ein Hass gegen die Christen bemerkbar. Nur das Notwendigste war uns möglich, auf dem Bagdaddampfer mitzunehmen. Schiffspapiere und Schiffsjournale nahm ich in einer eisernen Kiste mit. Herr Gloye nebst 5 jungen Leuten blieben in Basra zurück und wollten später, falls nötig, mit dem Schlepper „Pionir“/Wönckhaus & Co./ unter Mitnahme einer beträchtlichen Summe Doppe-Crens abfahren. Dieselben sind jedoch leider in die Hände der Engländer am 24. November gefallen und nach Bombay transportirt worden. Ebenso wurde der Magazinverwalter Lange, ein früherer Schuldirektor der deutschen Schule in Constantinopel, dem ich die 3 Bordchronometer anvertraut hatte, gefangen genommen. Die Flussfahrt von Basra nach Bagdad dauert für gewöhnlich 6 Tage. Am 18. November gelangte mit dem Rest der Mannschaft in Bagdad an. Die 22 farbigen Heizer blieben in Basra zurück und sollten nach Aden transportirt werden. Die Mannschaft wurde vorläufig in die deutsche Schule in Bagdad einquartiert und erhielte ihr Essen im Hotel Tigris. Am 19. November belegten beim deutschen Konsul Verklarung über die ganze Reise incl. Ladungsschein, sowie über den Verlust des Schiffes. Herr Konsul Hesse nahm sich unserer in zuvorkommender Weise an und wahrte die Interessen der H.A. L. in lobenswerter Weise. Es wurden noch 12 Mann von der Besatzung als militärtauglich befunden und auf Reichskosten nach Constantinopel geschickt. Als die Einnahme von Basra durch die Engländer in Bagdad bekannt wurde, fürchtete man allgemein ein weiteres Vordringen der Engländer bis nach Bagdad. Vier englische Kanonenboote waren nach Einnahme von Basra weiter stromaufwärts gedampft und bombardierten Korna, wohin sich Schükri Pascha, der Wali von Basra mittlerweile mit seinen Truppen zurückgezogen hatte. Um ein weiteres Vordringen der Engländer auf dem Tigris zu verhindern beabsichtigten die Türken eine Sperre durch Versenken von Leichtern und Flussfahrzeugen bei Korna zu machen. Mir wurde das Anerbieten gemacht, ob ich unter Assistenz eines Ingenieurs der Bagdadbahn mit noch 2 anderen Seeleuten dieses Vorhaben ausführen wollte. Wir 4 Deutsche wurden zum Kriegsministerium befohlen, nahmen Instruktionen entgegen und erhielten zu diesem Zwecke Rang und Uniform eines türkischen Hauptmanns. Der deutsche Konsul, Herr Hesse, befürwortete unser Vorhaben und erklärte dasselbe für rechtskriegsmässig. Es wurden durch türkische Truppen Leichter mit Eisenbahnschienen und Schwellen beladen und dieselben durch uns stromaufwärts mit Dampfer „Pionir“ geschafft. Beim Hauptquartier angelangt, meldeten wir uns beim Oberbefehlshaber Dschavid Pascha, unter dessen direktem Befehl wir standen, Dschavid Pascha empfing uns mit grösster Zuvorkommenheit und brachte uns stets ein staunenswertes Vertrauen entgegen. Der General spricht meistens französisch und macht einen intelligenten und würdigen Eindruck. Unsere Hauptaufgabe bestand darin, eine gute Sperre so dicht wie möglich hinter Korna zu schaffen, um so nach dem etwaigen Falle von Korna den vier englischen Kanonenbooten das Weiterkommen auf den Tigris für das erste zur Unmöglichkeit zu machen. Die Minen waren nach Aussage von Dschavid Pascha in Fao zurückgeblieben. Noch in andrer Weise betätigten wir uns für die türkische Regierung, indem wir wichtige Nachrichten übermittelten sowie Truppentransporte ausführten. Es herrschte ein buntes Treiben im Kriegsgebiet. Tausende von Arabern und Beduinen hatten ihre Zelte und Lagerstation an den Ufern des Tigris aufgeschlagen und vollführten grosse grüne und rote Fahnen schwenkend, ihre Kriegstänze. Wir operirten direkt im Kampfgebiet und hatten täglich das Schauspiel vor Augen, wie die 4 engl. Kanonenboote Korna bombardierten. Dschavid Pascha war erst voll guter Hoffnung und nannte die Engländer und Hindus des enfants; jedoch beklagte er sich an dem Mangel an weit tragenden Geschützen. Er sagte unter anderem, mir fehlen nur 2 15 cm Kanonen, die weiter tragen als die Schiffsgeschütze, ich mit meinen 6 cm Kanonen kann nichts gegen die 10 cm Geschütze der Engländer ausrichten. Dieselben schiessen 12 km weit, während ich nur 7 km feuern kann. Ausserdem steht mir keine einzige Mitrailleuse noch Maschinengewehr zur Verfügung; ich muß mich hier mit Waffen älteren Systems gegen moderne Waffen schlagen. Im Laufe des Gesprächs kam ich auch mit Dschavid Pascha über „Ekbatana“ zu sprechen. Er sagte zu mir, dass ich absolut schuldlos an der schlechten Versenkung der Ektabana wäre. Es wäre erwiesen, dass dem Kommandant der Marmaris allein die Schuld an dieser Sache träfe. Der Kommandant wäre durch ihn seines Posten enthoben worden. SMS Marmaris befand sich ebenfalls in der Nähe vom Kiome und lag hinter einem Palmenwäldchen versteckt. Sie war in Basra durch ein feindliches Geschoss mitschiffs vor dem St.B. Geschützturm getroffen worden und verhielt sich jetzt passiv. Im Uebrigen war dieselbe gefechtstüchtig. Gelegentlich war dieselbe eines Nachts auf Grund geraten und machte vergebliche Anstrengungen, um wieder los zu kommen. Wir spannten uns vor und hatten die Genugtuung, das Fahrzeug wieder flott zu machen. Am 5. Dezember fand ein sehr heftiger Kampf bei Korna statt. Unter dem Schutz ihrer Kanonen landeten die Engländer ca. 1500 indische Truppen, die mit einem Transport aus Indien frisch angekommen waren. Dieselben waren mit Mitrailleusen und Maschinengewehren ausgerüstet und rückten bis zum gegenüber liegenden Palmenwäldchen bis zu Korna vor. Schukri Pascha liess die feindlichen Truppen erst ruhig bis ans gegenüberliegende Ufer herankommen und gab dann aus Häusern erfolgreiche Salven auf die Inder ab, ca. 500 Inder blieben an diesem Tage tot oder verwundet im Wäldchen liegen, während wir nur 45 Tote und Verwundete zu verzeichnen hatten. Dschavid Pascha sagte zu uns, dass die Lage für ihn sehr ernst wäre und die Engländer jetzt Umgehungsversuche machten. Die Munition wurde an diesem Tage im Lager von Koma knapp und erhielten wir die Order von Dschavid Pascha, frische Munition während der Nacht nach dorthin zu schaffen. Wir wussten, dass indische Truppen und Engländer gelandet waren und uns eventl. auflauern und beschiessen konnten, doch war die Nacht günstig, da die Ufer des Tigris in Nebel gehüllt waren. Mit abgeblendeten Lichtem fuhren langsam in Korna hinein, entlöschten unsere grossen Munitionsvorräte, nahmen 23 Schwerverwundete an Bord und nahmen auch noch einen mit Eisen halb beladenen Bagdad Leichter zwecks Versenkung mit. Am 6. November hatten Dschavid Pascha eine Anzahl Scheiks um sich versammelt, mit denen er lebhaft verhandelte. Die Engländer machten an diesem Tage keinen grösseren Angriff, es schien so, als ob sie sich vom letzten Kampfe erholen mussten. Am 7. November in aller Frühe zogen auf Dschavis Befehl tausende von Arabern und Beduinen gegen die indischen und englischen Truppen, die sowohl am Tigris als auch am Euphrat Ufer postiert waren. Es entspann sich bald ein grosser Kampf. Die Engländer hatten während der Nacht an dem linken Euphrat Ufer 2 schwere Schiffsgeschütze gelandet und bombardierten mit grosser Heftigkeit auf die Häuser und Befestigungen Kornas. Obgleich die Araber und Beduinen dem Gewehrfeuer der Feinde widerstanden und dasselbe beantworteten, waren sie doch der verheerenden Wirkung der Maschinengewehre und Mitrailleusen auf die Länge des Kampfes nicht gewachsen. Gegen 5 Uhr p. m. war der Kampf leider zu Gunsten der Engländer entschieden. In wilder Flucht rasten die Beduinen und Araber auf ihren Pferden an uns vorbei. Wir waren gerade beim Absinken eines Bagdad Leichters beschäftigt, als die allgemeine Flucht stattfand. Das Kanonenboot Marmaris lief langsam den Feind im Auge behaltend nach Kevier aufwärts. Wir verliessen als letztes Schiff den bedrohten Platz und nahmen einen kleinen Vergnügungsdampfer, welcher früher Eigentum des französischen Konsuls in Basra war, und dessen Hauptdampfrohr durch eine Kugel zerstört worden war, längsseits. Revier aufwärts damfend kamen spät abends im Hauptquartier an und erstatteten Dschavid Pascha Rapport. Er fragte mich, wie es mit der Sperre wäre, worauf ich ihm erwiderte, dass dieselbe noch nicht perfekt wäre und wir durch die Flüchtlinge in unserer Arbeit gestört worden seien. Darauf gab er uns zu verstehen, dass ihm viel an der Sperre gelegen sei und ob wir noch einmal versuchen wollten, die Sperre zu vollenden, welches wir bejahten. Dschavid Pascha sagte zu uns, dass sein Freund Schukri Pascha nunmehr mit 50 Offizieren und 200 türkischen Soldaten vollständig in Korna eingeschlossen seien und dass er aus Truppen- und Geschützmangel die Eingeschlossenen nicht befreien könne. Korna würde noch in dieser Nacht fallen, (die rein türkischen Truppen haben sich bei Korna durchaus tapfer geschlagen, aber es fehlten ihnen moderne Geschütze, das Sanitätswesen als solches überhaupt nicht zu benennen). Korna ist dann auch in der Nacht vom 7. - 8. Dezember nach tapferer Gegenwehr gefallen, die Mehrzahl der türkischen Offiziere fiel und der Kommandant Schukri Pascha wurde verwundet von den Engländern gefangen genommen. Am 8. Dezember dampften mit äusserster Fahrt Revier abwärts wieder ins Kampfgebiet nach unserer Sperre. Von keiner Seite hatten wir Schutz. Wir waren auf uns selbst ganz allein angewiesen. Das Gebiet, in dem wir operierten, war bereits von sämtlichen türkischen Truppen geräumt und sozusagen dadurch in den Händen der Engländer. Das türkische Kanonenboot Marmaris, dass sich in respektvoller Entfernung vom Feinde hielt, assistierte uns in keiner Weise, trotzdem ich dem Kommandanten auf unser Vorhaben im Vorbeifahren aufmerksam machte. In kurzer Zeit waren wir an Ort und Stelle und versenkten in Sicht von 4 feindlichen Schiffen noch 2 vorher vorbereitete Leichter. Die Sperre war dadurch vollkommen gelungen, sodass es den englischen Kriegsschiffen nicht möglich war, weiter flußaufwärts zu dampfen.

Dschawid Pascha konnte sich infolgedessen in guter Ordnung nach Amara zurückziehen. Nachdem wir dann noch verschiedene weitere Dienste für die türkische Regierung geleistet hatten, trafen wir am 17. Dezember wieder in Bagdad ein und blieben daselbst zur weiteren Verfügung. Am 22. Dezember erhielt ich ein Telegramm von der H.A.L. welches mich mit meiner Mannschaft, die mittlerweile durch Vermittelung des deutschen Konsulates bei der Bagdad Bahn Beschäftigung gefunden hatten, nach Hause berief. Bei meiner Abreise von hier wurde mir durch den deutschen Konsul Hesse ein Anerkennungsschreiben betreffs meiner Tätigkeit überreicht.


Hochachtungsvoll

gez. Lewin, Kapitän D. „Ekbatana“


Hamburg, den 5. März 1915



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