1915-10-10-DE-008
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Quelle: DE/PA-AA/R 20020
Zentraljournal: 1915-A-30416
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 10/21/1915 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Militärattaché in Athen (Massow) an den Chef des Generalstabs (Falkenhayn)

Bericht


Sofia, den 10. Oktober 1915

Nachrichtendienst:

1. Das bulgarische Ministerium hat sich ergänzt. Das bisher durch den Ministerpräsidenten verwaltete Ministerium des Innern übernahm Christo Popow, früher Bürgermeister von Sofia, Vorsitzender der Untersuchungskommission des Parlaments, Anhänger der Regierungspartei.

Durch die Ernennung des General Jekow zum Oberkommandierenden des Feldheeres ist der Posten des Kriegsministers frei geworden und durch General Maidenow, Chef der Artillerie-Abteilung im Kriegsministerium, besetzt worden. Maidenow ist uns ergeben und spricht fliessend deutsch.

Eine vorübergehende Ministerkrisis, die zu einer Spaltung der Regierungspartei zu führen schien, ist beseitigt worden. Diese Krisis war insofern nicht unbedenklich, als die Möglichkeit erwogen wurde, für die austretenden Tontschewisten Anhänger der stark russenfreundlichen Partei Malinow’s, der sogenannten Demokraten, in das Kabinett aufzunehmen. Die damals noch anwesenden Gesandten der Entente gaben sich alle Mühe, denn Riss in der Regierungspartei, auf kleinlichen Eifersüchteleien beruhend, für sich auszunutzen. Es waren die Tage, als aus Paris und London die Nachricht schwerer deutscher Niederlagen im Westen verbreitet wurde. Ueber Rumäniens und Griechenlands Haltung gegenüber der bulgarischen Mobilmachung wurden durch unsere Feinde die gröbsten Lügen verbreitet. Mancher zu uns haltende Mann begann damals zweifelhaft zu werden.

In dieser Krisis halfen uns die Gesandten Russlands und Frankreichs. Als alle Mittel, Bulgarien noch in letzter Stunde zu sich hinüber zu ziehen, nichts halfen, erschienen sie mit dem bekannten kurzbefristeten Ultimatum. Nichts hat auf den Stolz der Bulgaren so eingewirkt, wie zwei der gestellten Forderungen, - einmal der Abbruch der bisherigen Politik und ferner die Entfernung der angeblich dem Heere zugeteilten deutschen Offiziere (gemeint sind wahrscheinlich Major v. Laffert und Hauptmann Schubert).

Jetzt ist endlich die Lage geklärt. Die feindlichen Gesandtschaften haben Sofia verlassen. Auch die durch die Entente geflissentlich verbreitete Nachricht, Rumänen und Griechen würden, wie 1913, über das Land herfallen, finden kaum noch Glauben.

2. Der Aufmarsch wurde durch einige Uebelstände verzögert: Mangel an bereitgestellten Kohlen und schlechte Verteilung der Getreidevorräte. Die Zeit der Verhandlungen mit uns ist nicht dazu benutzt worden, Materialtransporte mit Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit einer Mobilmachung vorzubereiten. Der erste Schritt hierzu erfolgte erst in letzter Stunde. Recht bedenklich scheint mir der Mangel an Pferden zu sein. Ueberhaupt ist nicht viel geschehen, die durch den Balkankrieg entstandenen Lücken auszufüllen. Das Land geht weniger gut vorbereitet in den Krieg als 1912. Deshalb auch die fortgesetzten Bitten um Aushülfe und Unterstützung durch uns.

3. Die Oberste Heeresleitung verbleibt zunächst in Sofia. Der Kronprinz ist dem Stab der 1. Armee zugeteilt, Prinz Kyrill der 2. Armee. Major v. Laffert und Hauptmann Schubert haben sich am 8. d.M. in das Armee-Hauptquartier Brusarci begeben.

4. General Jekow erliess am 10. d.M. einen Aufruf an das Heer, der unzweideutig auf die Bedeutung des bevorstehenden Kampfes hinwies.

5. Nach Burgas sind für den Küstenschutz etwa 40 Geschütze geschafft worden. Die Besatzung von Burgas beträgt zur Zeit etwa 30000 Mann.


von Massow



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