1916-04-27-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. N. 1, ”Armenien”
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 04/27/1916
Telegramm-Ankunft: 05/15/1916
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 98
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 98

Konstantinopel, 27. April 1916

Vertraulich

Herr Außenminister,

Der Päpstliche Delegat [Angelo Maria Dolci] fand sich gestern in der hiesigen spanischen Gesandtschaft ein in Begleitung eines deutschen katholischen Priesters, der aus dem türkischen Vilajet Angora in Kleinasien angekommen war, wo er Zeuge der Behandlung der dortigen katholischen Gemeindemitglieder war und die er dem Gesandten [Julian del Arroyo] darstellte, der gebeten wurde, im Namen des katholischen Spanien bei der Pforte zu intervenieren und zu protestieren.

Sie hätten sich an die spanische Gesandtschaft um Hilfe gewandt, weil der deutsche und österreichische Botschafter in einem solchen Verhältnis zur türkischen Regierung stünden, dass sie, um nicht zu beleidigen, zu vielerlei Rücksichten gezwungen wären, so dass sie sich nicht energisch für die Sache der Armenier einsetzen könnten.

Wenn man sich vor Augen hält, dass die beiden genannten Botschaften 24 bzw. 34 Millionen Katholiken repräsentieren, und dass der Führer des katholischen Zentrums im deutschen Reichstag [Matthias Erzberger] sich gerade in diesen Tagen zu einem offiziellen Besuch als Gast der türkischen Regierung in Konstantinopel aufhält, und dass der hiesige deutsche Botschafter, Graf Metternich, selbst Katholik ist, kann man aus dieser Bitte schließen, mit welcher Vorsicht die deutsche Diplomatie in der Türkei jetzt auftritt, und in welch hohem Masse sie Deutschlands politische Erwägungen über alles andere stellt.

Obwohl, wie aus meinem Bericht Nr. CXIII [113] vom 4. September letzten Jahres hervorgeht, 13 von 16 katholischen Gemeinden, die es unter den Armeniern in der Türkei außerhalb Konstantinopels gegeben hat, völlig verschwunden sind, ohne dass man weiß, was aus ihren Geistlichen geworden ist, scheint das katholische Zentrum des deutschen Reichstages sich nicht zu trauen, sich mit Nachdruck für das Wohl seiner unglückseligen verfolgten Glaubensbrüder einzusetzen.

Bei der Schilderung des Stands der Dinge darf ich nicht versäumen hinzuzufügen, dass selbst eine energische deutsche diplomatische Intervention zugunsten der Armenier die türkische Regierung nicht von ihrem Vorhaben abgebracht haben würde, da die großen Anstrengungen, die die hiesige amerikanische Botschaft, die nicht dieselben Rücksichten nehmen muss wie die deutsche und die österreichische, unternommen hat, um die Armenier zu retten, unnütz waren, wie mir der amerikanische Chargé d’Affaires [Phillips] sagte. Und dies ist wahrscheinlich, wie ich erst später erfuhrt, auch eine der Ursachen für die Abreise des amerikanischen Botschafters [Henry Morgenthau] gewesen.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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