1915-08-04-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20190
Zentraljournal: 1915-A.S.-4052
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 08/04/1915 05:15 PM
Praesentatsdatum: 08/04/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 570
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Staatsekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den Gesandten in Athen (Mirbach)

Telegraphischer Erlaß


Berlin, den 4. August 1915

Ganz geheim.

Zur Freimachung des Weges nach Türkei wird demnächstige Aktion gegen Serbien erforderlich. Hierbei wird Bulgarien zweifellos mit uns cooperieren und gleichzeitig mit uns Serbien angreifen. Damit wird es ipso facto unser Kampf- und Bundesgenosse. Griechenland hat bekanntlich Defensivvertag mit Serbien gegen Bulgarien. Wie es scheint, ist casus foederis allerdings auf „Balkanfrage“ gestellt. Bei Angriff der Centralmächte gegen Serbien, dem sich Bulgarien anschlösse, würde nicht bloße Balkanfrage sondern europäischer Krieg vorliegen.

Serbien, welches uns den Krieg erklärt hat, kann von Griechenland nicht verlangen, sich in einen Krieg gegen Kaisermächte einzumischen weil Bulgarien auf deren Seite steht. Bulgarien würde andererseits gewiß den Anlaß benutzen seine Aspirationen auf Kavalla zu verwirklichen, und wir könnten ihm dies nicht verwehren, wenn Griechenland sich auf Seite unserer Feinde stellt. Wir würden es aufrichtig bedauern, wenn Griechenland sich auf diese Weise in Krieg mit uns stürzt. Einzige mögliche Politik für Griechenland in diesem Falle erscheint daher absolute Neutralität. Verpflichtet es sich zu dieser, so würden wir auch von Bulgarien verlangen können, daß es Griechenland gegenüber sich zu Neutralität verpflichtet. Aber Griechenland müßte unter diesen Bedingungen auch auf Mobilisation verzichten, weil diese auch Mobilisation Bulgariens gegen Griechenland zu Folge haben und Dinge damit unversehens zum Krieg treiben würden.

Da von eventueller Expedition gegen Serbien vorzeitig nichts bekannt werden darf, kann Angelegenheit nicht mit griechischer Regierung verhandelt werden, sie kann nur direkt und strengvertraulich mit S.M. dem König besprochen werden. Wir rechnen drauf, daß S.M. die Loyalität unseres Schrittes anerkennt und weder nach Serbien noch zur Entente Mitteilungen über die Eventualität einer serbischen Expedition gelangen läßt.

Euer pp. wollen demnach in einer Privataudienz Angelegenheit S.M. vortragen. Hofmarschall Theotoki wird von seinem Bruder, dem hiesigen Gesandten, informiert, daß Euer pp. Audienz nachsuchen werden. Sollte wider Erwarten Euer pp. nicht empfangen werden können, wollen Sie mit Königin oder Theotiki besprechen ob Sie Herrn Streit in’s Vertrauen ziehen wollen, um durch diesen Angelegenheit an König gelangen zu lassen. Natürlich dürfte auch Streit Minister nicht einweihen.

Falls Griechenland sich zu Neutralität in diesem europäischen Krieg verpflichtet, würden wir versuchen dafür von der Türkei die Zusage der Abtretung des Dodekanes an Griechenland zu erlangen.

Unsere bisherige griechenfreundliche Politik hat uns auch zu diesem vertrauensvollen Schritt veranlaßt, wir erstreben auch hierin nur das eigene Beste Griechenlands. Wir hoffen bestimmt daß Griechenland den Umständen Rechnung tragen und es vermeiden wird, sich tollkühn in einen europäischen Krieg zu stürzen, in dem es notgedrungen uns und Österreich-Ungarn zu Gegnern haben müßte und mit der Entente auch auf Italiens Seite kämpfen würde. Für Neutralität winkt ihm Gewinn in Epireus und Albanien und eventuell auch Dodecanes. Verhandlungen wegen letzteren würden wir in Konstantinopel einleiten, sobald Zustimmung des Königs erfolgt.

In Sofia haben wir nichts über Demarche mitgeteilt.

Drahtbericht.


[Jagow]



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