1915-11-08-DE-007
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-11-08-DE-007
Quelle: DE/PA-AA/R 20025
Zentraljournal: 1915-A-32714
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 11/09/1915 05:30 PM
Telegramm-Ankunft: 11/11/1915 04:52 PM
Praesentatsdatum: 11/11/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1418
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 8. November 1915

Bei meinem heutigen ersten Besuch ging Herr Skuludis nach einigen einleitenden Worten gleich in media res und sagte mir, daß ihm die militärischen Entwickelungsmöglichkeiten im griechisch-serbisch-bulgarischen Grenzgebiet schwere Sorgen bereiteten. Nach den Meldungen Herrn Theotokis müsse er damit rechnen, daß die Bulgaren zurückflutenden Ententetruppen eventuell auf griechisches Gebiet folgen werden. Hieraus ergebe sich für Griechenland eine Situation, wie sie schwieriger kaum zu ersinnen sei.

Auch Herr Skuludis vertritt den Standpunkt des Generalstabs bezw. Seiner Majestät des Königs - wenn auch in gemäßigterer äußerer Form -, daß jeder Übertritt bulgarischer Truppen auf griechisches Gebiet unter allen Umständen einem Angriff auf Griechenland gleichkomme, und daß es dann für Griechenland, unter dem Druck der öffentlichen Meinung, unmöglich sein würde, diesem Angriff nicht zu begegnen.

Ebenso glaubt der neuernannte Herr Ministerpräsident die Auffassung vertreten zu sollen, daß ein solches Vorgehen Bulgariens nicht im Einklang mit den Zusicherungen stehen würde, die wir hier seinerzeit bezüglich des Wohlverhaltens der Sofioter Regierung gegeben haben.

Ich habe in meiner Erwiderung a priori als obersten Satz aufgestellt, daß unsere Gesinnung Griechenland gegenüber durchaus die gleichen geblieben sind: nur müsse ich nebenher zu bedenken geben, daß die so nachsichtig hingenommene Landung der Ententetruppen in Salonik und deren aktives Eingreifen gegen unsere bulgarischen Verbündeten in der Zwischenzeit doch immerhin ein Novum in die Gesamtlage hineingetragen hätten.

Demgegenüber hatte Herr Skuludis nur das bequeme, hierzulande stets wiederholte Argument zur Hand: „Que voulez-vous? Ils sont les plus forts et passeront outre toutes les fois qu’ils le voudront.“

Im weiteren Verlauf des Gesprächs hinwies ich dann den Minister darauf, daß die angeblich so schwierige Situation wesentlich vereinfacht und geklärt würde, wenn mit Bestimmtheit darauf gerechnet werden könnte, daß Ententetruppen, die auf griechisches Gebiet gerieten, sicher entwaffnet werden würden.

Herr Skuludis erwiderte, daß er in diesbezüglichen Verhandlungen mit den Ententevertretern stehe, worauf ich nur andeutete, daß es mir mehr als entgegenkommend schiene, wenn sich eine Regierung über ein ihr zustehendes Recht in Verhandlungen mit Dritten einlasse, als handle es sich um eine ihr zu gewährende Vergünstigung.

Der Ministerpräsident hatte auch hier nur wieder den Hinweis auf das „Recht des Stärkeren“ zu Hand und gab zu verstehen, daß die Entente eventuellen Entwaffnungsversuchen Widerstand entgegensetzen und damit den Konfliktfall schaffen könnte.

Die Bedrängnisse Herrn Skuludis’ gipfelten schließlich in der Bitte, wir möchten doch unseren ganzen Einfluß in Sofia dahin geltend machen, daß eine Verfolgung geschlagener Ententetruppen auf griechisches Gebiet unter allen Umständen unterbleibe.


[Mirbach]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved