1915-10-18-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 20193
Zentraljournal: 1915-A.S.-5364
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 10/18/1915 01:35 AM
Telegramm-Ankunft: 10/18/1915 02:45 AM
Praesentatsdatum: 10/18/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 494
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Großes Hauptquartier (Bethmann Hollweg) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Erlaß


Gr. Hauptquartier, den 18. Oktober 1915

Die Telegramme 140 und 144 aus Athen an den Chef des Generalstabs zeigen, daß König Constantin und wohl auch der griechische Generalstab der Invasion der Entente gegenüber noch kleinmütiger geworden sind, als wir vorausgesetzt haben. Der Hauptgrund der augenscheinlich vorhandenen Schwankungen liegt aber sicher in dem Mißtrauen gegen unseren neuen Verbündeten Bulgarien, wegen dessen die Griechen auch uns gegenüber weniger vertrauensvoll sind, als sie sonst sein würden. Die bisher gegenseitig wohl ohne allzu große Überzeugung versprochene Neutralität wird aber nun auf besonders harte Probe gestellt: die Stellen, wo die Beziehungen der beiden Länder am heikelsten sind und die für beide ein noli me tangere bilden sollten, werden möglicherweise von den Ententetruppen besetzt bezw. von ihnen als Aufmarschgelände benutzt werden, da es aus Rücksicht gegen Griechenland nicht möglich sein wird, die Bahnzerstörung südlich davon auszuführen und dadurch den Vormarsch von Franzosen und Engländern noch vor den mazedonischen Grenzgebieten aufzuhalten.

Da wir ein außerordentlich großes Interesse daran haben, einen bulgarisch-griechischen Zwist tunlichst lange hintanzuhalten, so müssen wir versuchen, den auf beiden Seiten bestehenden Argwohl zu beseitigen. Das wird am leichtesten sein, wenn unter unseren Auspizien eine feste Vereinbarung zwischen den beiden Ländern zustande kommt, deren Wirkung sich wenn möglich noch über den Krieg hinaus zu erstrecken hätte.

Vorläufig haben beide Länder Besorgnisse vor einander; die griechischen werden solange bestehen, als Griechenland neutral bleibt und ohne direkten Schutz der Machtmittel einer Großmacht ist. Die bulgarischen werden immer geringer werden, je zuversichtlicher in Sofia die Chancen des serbischen Feldzugs beurteilt werden. Wenn bulgarische Wünsche nach dieser Richtung, die ja auch die unseren sind, in Erfüllung gehen, so kann der Augenblick ziemlich rasch eintreten, wo man in Sofia etwa auf eine Verständigung mit Griechenland gerichtete Bemühungen weniger entgegenkommend aufnehmen wird, als es jetzt bald noch der Fall sein würde.

Ich gebe deshalb Euerer Exzellenz anheim, für die Möglichkeit einer solchen Aktion in Athen und Sofia beziehungsweise durch den griechischen und bulgarischen Gesandten in Berlin zu sondieren.


[Bethmann Hollweg]


[Antwort Jagow an Bethmann Hollweg (Nr. 289)]

Abschrift.

Werde Sondierung vornehmen, halte aber generelle Verständigung für ziemlich ausgeschlossen, solange Bulgarien nicht Cawalla Seres Drama erhält. Zu dieser Abtretung wird sich Griechenland und speziell König Konstantin kaum je entschließen, selbst nicht gegen die Kompensation von Monastir und Ochrigda, die Griechenland zu haben wünscht, auf die Bulgarien aber nicht verzichten will. Die Mazedonier wünschten brennend , daß es schon jetzt zu einer kriegerischen Auseinandersetzung auch mit Griechenland kommen sollte. Nur unsere starke Einwirkung hat sie bewogen, diesen Wunsch einstweilen hintanzustellen. Sie werden aber einen von Griechenland gebotenen Konfliktgrund freudig begrüßen. Es ist ein Kardinalfehler der Bulgaren, alles auf einmal zu wollen. Auch König Ferdinand hat dem Herzog Johann Albrecht gegenüber wiederholt betont, er müsse Kawalla etc. haben. Eigentlich wünscht er auch Saloniki.

Nachdem Griechenland den Fehler begangen hat, die Landung und den Neutralitätsbruch der Entente zuzulassen, erachte ich eine Vermeidung des Konflikts eigentlich nur dann für möglich, wenn serbische Expedition zu einer Entscheidung führt, bevor Entente genügend Truppen versammelt hat, um wirksam eingreifen zu können. Griechenland müßte daher wenigstens Landung und Vormarsch der Ententetruppen durch Schwierigkeiten zu verzögern suchen.


[Jagow an Treutler (Nr. 1440)]

Abschrift.

Vertraulich. So wünschenswert es ist, Griechenland herauszuhalten, müssen wir, glaube ich, in Sofia außerordentlich vorsichtig sein mit Eintreten für griechische Wünsche. Mißtrauen der Bulgaren, besonders der Königs Ferdinand gegen unsere griechenfreundliche Politik ist, wie Herr v. Rosenberg in Sofia persönlich wahrgenommen hat, sehr groß. Zu weit gehende Konzessionen an Griechenland könnten auch seitens bulgarischer Parteien gegen König Ferdinand ausgenutzt werden und so das Spiel der Engländer (s. Tel.Nr. 1438) erleichtern.


[Jagow an Gesandtschaft Sofia (Nr. 997)]

Ganz geheim.

Wir legen großen Werth auf Vermeidung griechisch-bulgarischen Konflikts, halten dies aber auf die Dauer nur für erreichbar wenn schon jetzt eine über den Krieg hinausreichende Verständigung beider Staaten auf beidseitiger Grundlage angebahnt wird. Griechenland dürfte hierfür nur zu haben sein, wenn Bulgarien ausdrücklich eventuell unter Garantie der Mittelmächte auf Kawalla Seres Drama verzichtet. Bitte drahten ob dies nach Ew. pp. persönlicher Ansicht erreichbar ist. Halten Ew. pp. bulgarischerseits eine generelle Verständigung mit Griechenland unter stillschweigender Übergehung der Kawallafrage für möglich? Von Sondierung bitte vorläufig abzusehen.


[Jagow an Gesandtschaft Athen (Nr. 829)]

Ganz geheim.

Antwort auf Telegramme Nr. 140 und 144 des Marineattachés.

Je hilfsloser sich Griechenland gegenüber der Vergewaltigung durch die Entente zeigt, desto mißtrauischer und anspruchsvoller scheint es gegen Bulgarien zu werden. Wir legen großen Werth auf Vermeidung griechisch-bulgarischen Konflikts, halten dies aber auf Dauer nur für erreichbar, wenn schon jetzt eine über den Krieg hinausreichende Verständigung beider Staaten auf breiterer Grundlage angebahnt wird. Bulgarien dürfte hierfür nur zu haben sein, wenn Griechenland auf Kawalla Seres Drama verzichtet. Als bulgarische Gegenleistung kommt in Frage Grenzberichtigung in serbisch Mazedonien, doch würde Bulgarien auf Ochrida und Monastir kaum verzichten. Außerdem könnten wir in Albanien mehr für Griechenland herauszuschlagen suchen. Wir glauben kaum, daß griechische Regierung und namentlich der König unter solchen Bedingungen Kawalla etc. opfern werden. Bitte Ew. pp. persönliche Ansicht drahten. Halten Ew. pp. griechischerseits eine generelle Verständigung mit Bulgarien unter stillschweigender Übergehung der Kawallafrage für möglich? Habe griechischem Gesandten suggeriert, seiner Regierung direkte Fühlungsnahme mit Sofia betr. jetzigen Krieges zu rathen.



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