1915-07-13-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20189
Zentraljournal: 1915-A.S.-3684
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 07/13/1915 01:20 AM
Telegramm-Ankunft: 07/13/1915 04:30 AM
Praesentatsdatum: 07/13/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1589
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Pera, den 12. Juli 1915

Im Anschluß an Tel. Nr. 1582.

Die bulgarischen Unterhändler haben heute Halil Bey erklärt, sie seien nicht bevollmächtigt, über Engagements Bulgariens gegenüber den Zentralmächten mit der türkischen Regierung zu verhandeln. Dagegen seien sie in der Lage, die Munitionszufuhr für die Türkei durch Bulgarien sicher zu stellen. Halil antwortete, die Türkei sei bereit, territoriale Opfer zu bringen, nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern hauptsächlich um ihren Verbündeten einen Dienst zu leisten. Sie müsse also zunächst die Sicherheit erlangen, daß durch die von ihr gebrachten Opfer die Lage ihrer Verbündeten verbessern würde.

Colouchef stellte mir heute den Oberst Jekow vor. Beide zeigten mir zunächst auf der Karte die Abtretungen, welche Bulgarien von der Türkei verlange. Dieselben werden durch eine Linie gekennzeichnet, die sich von Midia über KirKilisse bis Adrianopel, das türkisch bleiben soll, sodann auf dem linken Ufer der Maritza bis Usunköprü und dann längs des Ergene bis zu dessen Mündung in die Maritza und weiter bis Enos erstreckt.

Ob ich glaube, daß die Türkei in diese Abtretungen willigen werde? Ich erwiderte, daß nicht die von der Türkei verlangten Leistungen die wichtigste der zur Verhandlung stehenden Fragen sei. Es käme in erster Linie auf die Gegenleistungen Bulgariens an. Die Forderung der Türkei sei, daß Bulgarien mit seiner Schaukelpolitik ein Ende mache und sein Verhältnis zu den Zentralmächten in einer Weise regele, die jede spätere Abschwenkung Bulgariens zur Entente unmöglich mache. Infolgedessen läge der Schwerpunkt der Verhandlungen gar nicht zwischen Bulgarien und der Türkei sondern zwischen Sofia und Berlin bezw. Wien. Die Pforte werde sicher kein Abkommen schließen, dessen Inhalt nicht von ihren Bundesgenossen gebilligt werde. Gelinge es Bulgarien, sein Verhältnis zu den Zentralmächten in befriedigender Weise zu regeln, so sei ich überzeugt, daß seitens der Türkei den bulgarischen Wünschen in largester Weise, wenn vielleicht auch nicht soweit, wie Radoslawoff es erhoffe, entgegenkommen werden würde. Wolle Bulgarien unabhängig von den Zentralmächten zu einem Abschluß mit der Türkei gelangen, so gebe es auch dazu ein Mittel, nämlich die sofortige Entsendung eines ganz kleinen bulgarischen Detachements zur Unterstützung der Türken in Gallipoli. Mit dem Versprechen, die Munition durchzulassen und treue Freundschaft zu halten, würde Bulgarien auf die Türkei nicht den geringsten Eindruck hervorbringen. Freundschaft sei ein Gefühl, welches als politisches Zahlungsmittel nur einen sehr niedrigen Kurs habe. Munition für die Verteidigung der Dardanellen sei genügend vorhanden, wenn auch nicht für die Vertreibung der Verbündeten von der Halbinsel. Durch Hinausziehen der Verhandlungen werde Bulgarien also nichts gewinnen. Wenn es gegen die Türkei marschieren wolle, so werde es das unabhängig von allen türkischen Konzessionen tun, falls es aus dem Zusammengehen mit der Entente größeren Vorteil für sich erwarte als aus dem Anschluß an die Zentralmächte. Da die Entente nicht in der Lage sei, Bulgarien in den Besitz von Mazedonien zu setzen, so schiene mir die Gefahr einer Erneuerung des türkisch-bulgarischen Freundschaftsvertrags seitens Bulgariens sehr gering.

Die beiden Delegierten wußten meinen Ausführungen mit keinerlei stichhaltigen Argumenten zu begegnen. Sie baten mich Radoslawoff bei meiner Durchreise durch Sofia meine Auffassung der Sachlage zu wiederholen, was ihren Bemühungen, hier zum Ziele zu kommen, nur förderlich sein werde.


[Wangenheim]



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