1916-03-15-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20057
Zentraljournal: 1916-A.S.-978
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 03/15/1916 11:15 PM
Telegramm-Ankunft: 03/16/1916 12:40 PM
Praesentatsdatum: 03/16/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 91
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Sofia (Oberndorff) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Sofia, den 15. März 1916

[Streng vertraulich.

In Unterhaltung nach der gestrigen Audienz in Gegenwart Radoslwow’s äußerte sich Seine Majestät der König sehr erregt über die Aufnahme in Österreich, die von dem so schönen Empfang in Deutschland bedauerlich abgewichen. Seine Majestät der Kaiser und König Franz Joseph sei zwar gnädig und väterlich wie immer gewesen, Freiherr von Hötzendorf, Baron Burian und Graf Tisza hätten aber berechtigte bulgarische Ansprüche mit Grobheit und Hohn abzutun versucht. Die Österreicher vergäßen, daß sie ohne bulgarische und deutsche Hilfe nie hätten die Niederlage Potioresks gutmachen und den Lowcen nehmen können. Man könne ihm (König Ferdinand) doch nicht zumuten zuungunsten des künftigen albanischen Staates Prisrend, Pristina und Casanik aufzugeben, die 20000 Bulgaren mit ihrem Blut erobert. Bulgarien so behandeln heiße russische Politik machen; Freiherr von Hötzendorf verdiene das russische Georgskreuz usw. An den Ausbruch gegen Österreich knüpfte der König plötzlich die Frage, ob mir bekannt, daß in Berlin gegen ihn, wie Rizow auf Grund einer Äußerung eines deutschen Diplomaten berichtete, „un malaise“ bestehe, weil man glaube, er wolle ein vergrößertes Albanien für seinen Sohn Kyrill; das Gerücht sei natürlich ganz falsch, solche politischen Fehler pflege er nicht zu begehen.

Habe Seiner Majestät erwidert, daß, wenn solche Annahme von maßgebenden Berliner Stellen geteilt, ich doch hätte informiert werden müssen, daß mir aber kein Wort von derartigen Gerüchten zu Ohren gekommen. „Un certain malaise“ bestehe in Berlin höchstens insofern, als wir schmerzlich bemerkten, daß unsere österreichischen und bulgarischen Freunde nicht ganz einig. …[Gruppe fehlt]… der Galatafel konnte ich bei dem König auf die österreichisch-bulgarische Meinungsverschiedenheit zurückkommen, unsere vermittelnde Stellung betonend und vor Überstürzung warnend. Der König besprach die Sache nunmehr in weniger tragischem Tone, meinte aber, Österreich scheine auch Valona nicht an Griechenland geben zu wollen.

Radoslawow, mit dem ich zuvor und auch gestern die Angelegenheit wiederholt besprochen, nimmt sie viel ruhiger und wünscht die Aufrechterhaltung des status quo und dilatorische Behandlung, von der er freundschaftliche Regelung erhofft. Möchte daher vorläufig annehmen, daß die schroffe Sprache des Königs mehr durch persönlichen Ärger verursacht und auf äußeren Effekt berechnet. Auch mein österreichischer Kollege Graf Tarnowsky scheint mit der dilatorischen Behandlung einverstanden und in Wien mäßigend zu wirken, obwohl er lebhaft bezweifelt, daß die Bulgaren aus Ortschaften wieder herausgehen werden.]


[Oberndorff]


[Jagow am 16. 3. an Treutler (Nr. 299)]

Der Kaiserliche Gesandt in Sofia telegraphiert vom 15. d.M. „[ ]“.

König Ferdinand wird uns gegenüber immer den „Erregten“ spielen um uns möglichst als Vorspann für seine Wünsche in Wien zu gebrauchen. Wir müssen aber zu vermitteln suchen und daher auch König Ferdinand zum Entgegenkommen raten. Die angebliche Äußerung Rizoffs halte ich auch nur für einen Vorwand des Königs, um die albanische Frage, die er in Pleß immer und immer wieder angeschnitten hat, von neuem auf Tapet zu bringen. Die Karte, auf der die Bulgaren ihre Grenzwünsche eingezeichnet haben, beweist, daß König Ferdinand etwa die Hälfte Albaniens annektieren möchte; der Rest würde ihm dann später von selbst zufallen. Wien wird sich hierzu unter keinen Bedingungen verstehen.



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