1915-08-03-DE-003
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-08-03-DE-003
Quelle: DE/PA-AA/R 20190
Zentraljournal: 1915-A.S.-4039
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 08/03/1915 10:00 PM
Telegramm-Ankunft: 08/03/1915 11:22 PM
Praesentatsdatum: 08/04/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 260
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler) an das Auswärtige Amt (Bethmann Hollweg)

Telegraphischer Bericht


Schloß Pleß, den 3. August 1915

Für den Herrn Reichskanzler.

General von Falkenhayn bittet mich, Euerer Exzellenz nachstehendes zu telegraphieren:

„Ich hatte soeben erste Unterhaltung mit Gantschew. Eine Garantie dafür, daß Bulgarien ehrlich entschlossen ist, möchte ich hiernach noch nicht übernehmen. Immerhin sind günstige Anzeichen hervorgetreten. Die rein militärischen Fragen werden kaum Schwierigkeiten machen, ich führe sie deshalb hier nicht auf. Anders steht es mit den mehr politischen. Es sind dies folgende:

1.) Bulgarien wünscht eine Anleihe von 200 Millionen Franken;

2.) Deutschland und Österreich-Ungarn sollen sich verpflichten, Rumänien oder Griechenland auch als ihre Feinde zu betrachten, wenn sie etwa Bulgarien angreifen sollten;

3.) Bulgarien wird gegen Griechenland zunächst nichts Feindliches unternehmen. Sollte aber Griechenland auch nur mobilisieren, so will Bulgarien die sofortige Abtretung Kavala-Seres-Drama Gegend fordern und den Krieg an Griechenland erklären, wenn Abtretung nicht erfolgt. Auch in diesem Fall rechnet es auf die Teilnahme der Zentralmächte am Krieg.

4.) Sobald der Weg frei ist, soll Deutschland je eine gemischte Brigade und möglichst einige Unterseeboote nach Varna und Burgas legen, damit bei etwaigen russischen Landungsversuchen nicht Bulgarien sondern deutsche Truppen gegen die Russen kämpfen. Vom militärischen Standpunkt habe ich keine Bedenken hiergegen.

5.) Die Türkei soll sich verpflichten, gegen Landungsversuche der Franzosen, Engländer oder Italiener bei Dedeagatsch mitzuwirken.

6.) Aus der serbischen Beute erwartet Bulgarien ganz Macedonien und ein möglichst großes Stück des Gebiets bis zur Morawa, jedenfalls den Negontiner Kreis.

Euere Exzellenz darf ich bitten, mich von Ihrer Stellungnahme zu diesen Forderungen möglichst umgehend zu benachrichtigen. Gantschew wollte mir schließlich noch nachweisen, daß Bulgarien Kirk-Kilisse haben müsse. Ich habe das aber abgewiesen.

von Falkenhayn.“


[Treutler]
[Antwort Bethmann Hollwegs am 4.8. (Nr. 962)]

1. Einverstanden.

2. Unbedenklich.

ad 3 bleibt aufzuklären was unter „Nichts feindlichem gegen Griechenland“ verstanden wird. Mobilisiert z.B. Bulgarien an griechischer Grenze, so wird Griechenland nicht umhin können ein Gleiches zu tun und der Krieg würde unmittelbar folgen, da Griechenland keinesfalls Kawala etc. abtritt. Der Krieg gegen Griechenland, den Bulgarien bei dieser Gelegenheit herbeiführen möchte, um ihn mit unserer Hilfe zu führen, muß in unserem Interesse wenn irgend möglich vermieden werden. Denn Bulgarien würde dann voraussichtlich seine Hauptstreitkräfte gegen Griechenland wenden und uns die größte Arbeit gegen Serbien überlassen. Bulgarien muß Neutralität gegen Griechenland versprechen, wenn letzteres gleiche Versicherung abgibt.

4. Meinerseits unbedenklich.

5. Nehme an, daß Türkei hierzu sich bereit erklären wird.

6. Bedarf der Zustimmung Wiens. Jedenfalls soll direkte Angrenzung Ungarns und Bulgariens hergestellt werden, auch ist nicht ausgeschlossen, daß Ungarn selbst auf Nigotiner Kreis reflektiert.

Wegen 3. und 6. wird es diplomatischer Verhandlungen mit Sofia bezw. Athen und Wien bedürfen, die ich sofort einleite, wegen 5. anheimstelle ich ob Ew. Exc. Enver direkt begrüßen wollen oder Anfrage durch Botschaft gestellt werden soll.


[Stellungnahme des Wiener Botschafters Tschirschky am 5.August (Nr. 913) nach Gespräch mit dem österreichischen Außenamtschef Burian]


Zu 1 meinte Minister er sei in finanziellen Dingen von den beiden Ministerpräsidenten abhängig. Je mehr Deutschland von den 200 Millionen übernehmen wolle, um so lieber sei es ihm, da Österreich kein Geld habe.

Zu 2. Hier sei wohl Voraussetzung, daß unsere Verpflichtung nur einem mit uns kämpfenden Bulgarien gegenüber gegeben wird.

Zu 3. Unsere Demarche bei König Konstantin begrüßt Minister, da gegenseitige Neutralitätszusage Bulgariens und Griechenlands notwendig sei.

Zu 4 und 5 keine Bemerkungen.

Zu 6. Baron von Burian stimmt im allgemeinen zu. Nur gibt er zur Erwägung, ob unsere territorialen Zugeständnisse nicht abgestuft werden sollten, je nach Leistung Bulgariens. Um den Negotinerkreis zu erhalten, müßte Bulgarien sich z.B. verpflichten, auch in dieser Richtung militärisch vorzugehen und nicht nur, wie es anscheinend beabsichtigt, fünf Divisionen gegen Griechenland und vier gegen Mazedonien aufstellen.

Minister bemerkte noch im allgemeinen, daß die obigen Punkte lediglich von unseren Verpflichtungen sprächen, Bulgariens Leitung aber nicht fixierten. Einem Partner wie Bulgarien gegenüber müsse man sehr auf der Hut sein.

Die Frage der Neutralität Griechenland gegenüber sei schwierig. Jede Mobilmachung Bulgariens am der griechischen Grenze würde in Griechenland starke Erregung hervorrufen, …[Gruppe fehlt]… selbst der König - besonders da ein Kabinett Venizelos drohe - schwer würde standhalten können. Für Griechenland müßte deshalb eine andere Ablenkung geschaffen werden, wofür der Epirus in erster Linie in Betracht komme. Es frage sich, ob man nicht, nach Sicherung Einverständnis der Pforte, den Griechen auch den Dodekanes zusagen könnte. Baron Burian würde großen Wert darauf legen, wenn zu den militärischen Verhandlungen mit Bulgarien auch ein österreichischer Offizier zugezogen würde.



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved