1914-08-26-DE-001
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1914-08-26-DE-001
Quelle: DE/PA-AA/R 1913
Zentraljournal: 1914-A-18980
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 08/26/1914 12:30 PM
Telegramm-Ankunft: 08/26/1914 07:04 PM
Praesentatsdatum: 08/26/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 609.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 609.

Therapia, den 26. August 1914

Durch Bündnis mit uns wollte Türkei Anschluß an Dreibund gewinnen (cfr. Telegramm Nr. 379 {1429}). Da letzterer nicht mehr existiert, kann Türkei nicht mehr, wie sie bei Vertragsschluß annahm, auf ungefähres Gleichgewicht im Mittelmeer und auf relative Sicherung ihrer Küste und der Meerengen rechnen. Forcierung der Dardanellen rückt in den Bereich der Möglichkeit. Englische Diplomaten, z.B. der englische Gesandte in Sofia, bezeichnen - zunächst wohl nur als Drohung - eine Aktion gegen die Meerengen als nahe bevorstehend. Gelänge der englischen Flotte, ins Marmarameer einzudringen, so würde England damit die Herrschaft in Konstantinopel erringen. Der Bosporus würde sich dann den Russen öffnen, sodaß unsere Schiffe zwischen zwei Feuer gerieten. Unsere Stellung hier und die Möglichkeit eines türkischen Vordringens ins Schwarze Meer hängt daher zur Zeit fast ausschließlich von der Sicherheit der Dardanellen ab. Nach sachverständigem Urteil sind die Dardanellen von der englischen und der französischen Mittelmeerflotte nur unter schwersten Opfern zu nehmen, wenn Göben als schwimmendes Fort sich dem Ostausgang der Passage vorlegt. (Vorläufig liegt sie wegen Torpedogefahr noch bei Mubiania, also viel zu weit). Wenn aber Göben an den Dardanellen unentbehrlich ist, so kann eine Aktion im Schwarzen Meer nicht in Betracht kommen, da die türkischen Schiffe nicht genügen, um einen türkischen Truppentransport zu sichern. Es kommt demgemäß zunächst darauf an, die Dardanellen so stark zu machen, daß sie auch ohne Göben so gut wie uneinnehmbar werden. Dazu bedürfen wir Minen, Entfernungsmesser, Vorkehrungen für Befehlserteilung deutscher Offiziere und Kanoniere. Hätten die Österreicher, wie sie der Türkei in Aussicht gestellt hatten, eine Flottendivision hierher geschickt, so wäre die Türkei schon heute aktionsfähig. So aber kann ich die Verantwortung für einen Vorstoß ins Schwarze Meer erst dann übernehmen, wenn mir unsere Admirale angezeigt haben, daß die Dardanellen gesichert sind. Ob dann die Türken zum Losschlagen zu bringen sind, wird von den Besprechungen in Sofia und Bukarest abhängen. Es ist bedauerlich, daß Seine Majestät der König von Rumänien sich dahin ausspricht, daß die Bulgaren der Türkei gegenüber ein falsches Spiel trieben und in Petersburg ihre absolute Neutralität erklärt hätten. Solche Äußerungen kommen zu Ohren der Pforte und machen sie von neuem ängstlich. Wenn eine türkische Aktion vorläufig nicht zustande kommt, so würde das ebenso die Schuld Italiens wie Rumäniens sein. An ein Abschwenken der türkischen Volksstimmung zu Rußland ist bei dem tiefen Eindruck der Ankunft unserer Schiffe hier nicht zu denken. Regierung mit Ausnahme Envers gegenwärtig in Furcht vor den 17 englischen Schiffen an den Dardanellen. Nach Talaat Beys und Halils Rückkehr wird es wieder besser werden.

[Wangenheim]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved